II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 430

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22. Derjunge Medandus
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ihres väterlichen Hauses, löst sie aus den Armen zwei Leichen steht: es sind die Schwester und ihr

der Liebe, treibt sie zu neuen Abenteuern, weckt den
(. Trulieien
Geliebter, die vor der Schande in den Tod gegangen.
Sinn für die Gefahr. Im Zwielicht der schicksals¬
Dies Erlebnis reißt Medardus aus seiner
schweren Stunden, auf dem zitternden Boden dieser
Bahn. Das Große, das er erstrebt, hat keinen Sinn
Der junge Medardus.
Zeit werden die jungen Menschen schön und leicht;
mehr, es versinkt neben dem Gefühl des Schmerzes
sie ergeben sich da das Morgen ungewiß, dem
und der Rache. Er wirft den Degen hin und eilt
Artur Schnitzlers braingtische istorie; gestern
Heute mit erhöhtem Hunger, nützen jeden Augen¬
zurück, die Schwester zu rächen. Am Grabe Agathens
zum erstenmal im „Rehen Kheater.
blick. Mit diesen Akkorden setzt die Ouvertüre ein: und des jungen Herzoas treffen sich die beiden Fa¬
Es ist ein gewaltiges, öhr Ptament auf
die jungen Leute eilen zu den Fahnen, um als milien. Ein düstres Bild voll Trauer, Schmerz und
dem der schlanke Held dieser dramatischen Historie
Freiwillige unter Erzherzog Karl zu kämpfen. Sie Haß. Noch hat der Schmerz Medardus in seiner
nehmen Abichied von Wien, trinken den letzten
steht ein Postament, von dem aus der Blick die
vollen Gewalt; da tritt des toten Herrogs Schwester,
schicksalreichsten Tage des jungen Österreich schaut,
Becher Weins, drücken den letzten Kuß auf rote Prinzessin Helene, vor das offene Grab, um Blu¬
die Tage von Achtzehnhundertundneun, die heute
Lippen. Unter ihnen ist Medardus, der junge Held, men hinabzuwerfen. Medardus fährt wie aufge
noch, steht man draußen auf dem Heldenplatz der
der ungestüm mit leidenschaftlichem Verlangen ins peitscht empor und gebietet ihr, den Strauß wig¬
Wiener Burg vor Karls Monument, leise in uns
Feld zieht. In ihm hat das Pathos dieser Tage die zunehmen. Sie ruft ihren Vetter, den Marquis zun
Sehnsucht nach einer großen Tat geweckt. Aber
nachzittern. Napoleon vor den Toren Wiens, das
Valois, und aufs tiefste verletzt, befiehlt sie ihr
auch an seinem Heim, das er nun verläßt, ist der
zum zweitenmal die Nähe seiner Armee bebend
Töten Sie diesen jungen Menschen, und ich will
Wirbel der tollen Zeit nicht spurlos vorübergezogen.
fühlt und im Tiefsten aufgerüttelt, den Flügelschlag
die Ihre sein! Aber unter der schmerzenden Wunde,
Er hat Medardus' schöne Schwester, Agathe, die
einer großen Epoche über seinen Häuptern spürt.
die ihr Medardus zugefügt, fühlt sie das Wesen
Siebzehnjährige, dem jungen Herzog von Valvis
Die große Ungewißheit solcher Tage, das Revolu¬
dieses jungen Menschen, wie etwas, das sich der
tionäre dieser Stunden, da das Gewohnte zusam¬
in die Arme geführt, dem Sprossen der emigrierten Macht ihrer stolzen Schönheit entzieht und eben
menbricht, der Schritt des täglichen Lebens sich
Familie, die mit den Ansprüchen auf Frankreichs darum lockt. Medardus wird im Duell nicht getötet,
wandelt, die Ordnung sällt und der Puls aller
Thron, hier in Wien die Fügungen des Schicksals nur leicht verletzt, wie sein Gequer, der Marquis.
Gefühle, aus seinem gewöhnlichen Tempo heraus=serwartet. Der junge Mann ist ganz Liebe; ihm sagt Die Prinzessin sendet ihm die Blumen die er am
gerissen, rascher schlägt, diese revoltierende Unge= das kleine Bürgermädchen, das der Zufall ihm ge=Grab beschimpft, und da greift des Schicksals Handt
wißheit gibt den Unterton der Historie an, sie ist geben, mehr als der Plan und Traum seines blin= zum zweitenmal in des jungen Medardus Weg.
die Musik, die alle Vorgänge begleitet. Hoffnung den Vaters, der nur auf die Stunde horcht da ihn
Noch am Abend will er zur Prinzessin; ein grau¬
sein Volk rufen würde. Aber er hat keine Aussicht,
steht neben Bangen, die Sorge um die kleinen Dinge
sam=düstrer Plan reift in seinem Hirn. Sie ganz
des Lebens neben der Hingabe an das Allgemein= das Mädchen, das sich ihm hingegeben, jemals zu
gewinnen ganz besitzen und dann mit zynischer
Große, blinder Mut neben schlotternder Feigheit; gewinnen; dieser Wunsch scheitert an dem harten
Freude diesen Sieg hinausbrüllen, vor dem Herzog,
der heiße Atem dieses bewegten Lebens reißt alle Widerstand der Eltern. Und da begibt es sich, daß
vor den Dienern, vor allen Leuten. Indes, es ist
mit und duldet keine Gleichgültigkeit, keine Ruhe. Medardus im Augenblick des Abschiednehmens,
das Schöne an dieser Tragödie, daß #i unter der
Am heftigsten aber rührt er an die Seelen, der draußen in einem kleinen Wirtshaus der Prater=Haut des jugendlich=zynischen Racheplaus das wahre
jungen Leute. Er jegt sie aus den engen Stubenl auen, mitten im Gelage der Freunde plötzlich vor haft Menschliche sehen läßt, den erotischen Funken,