II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 466


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22. Der junge dardus
Bitte Rückseite beachten!
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D
„ODSERVEI
I. österr. behördl. kon- Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I., Konkordiaplatz 4.
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in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
euse WWiener Taurmal
18 3 1911
vom:
(Artur Schnitzler am Voriesetisch.) Artur“
Schnitzler gehört zu den sehr wenigen Autoren, die als Vorleser
der Wirkung ihrer eigenen Dichtungen nicht im Wege stehen. Er
beherrscht das gesprochene Wort mit den feinsten Abtönungen eines
berufsmäßigen Rezitationskünstlers und versteht es, eine Stimmung
vorzubereiten und auszuschöpfen. Es kommt bei ihm noch be¬
sonders das intellektuelle Moment hinzu, der intime Reiz
einer anziehenden Persönlichkeit. Gestern las er als
Gast der Grillparzer=Gesellschaft eigene Dichtungen. Der
Architektenvereinssaal war bis auf den letzten Platz von
einem distinguierten Publikum gefüllt, dem die Vorlesung ein
literarisches Ereignis bedeutete. Schnitzler las zuerst zwei für die
Aufführung gestrichene Abschnitte aus dem „Jungen Medardus“,
die zweite Friedhofsszene, in der Medardus von der jungen
Herzogin zum Attentat auf Napoleon beredet wird, und
eine aus dem Schlußakt, wo die ergreifende Tragödic der Valois
sich schließt. Der Dichter vermochte es, in feinster Weise das
Räsonnement sowohl wie die Stimmung der in sich geschlossenen
Szenen zur Wirkung zu bringen, und bot so einige die weiteren
Vorgänge psychologisch erklärende Details, die bei der Aufführung
entfallen. Aus seinem Roman „Der Weg ins Freie“ las Schnitzler
das auch für seine eigene Anschauung besonders charakteristische
Kapitel, das Auseinandersetzungen über die Judenfrage und den
Zionismus in polemisicrender Art enthält. Der Dichter fand hier
einen Beifall, der wie eine sympathievolle Zustimmung
anmutete.
Zum Schluß
kam
ein
100
Stück aus
Schnitzlers Marionettenspielen: „Der große Wurstl.“ Figuren
aus Schnitzlers Dichtung treten, ein wenig ironisiert und ins
Karikaturistische gebracht, hier auf: die
dämonische Frau,
das süße Mädel, der Held und die düstere Gestalt, ferner der
Dichter selbst, sein Direktor und einige Typen aus dem Publikum.
Das war die ganze bunte, auf Drähten gezogene Welt des
Theaters, in einer heiteren und dabei doch nachdenksamen Art
gegeben. Die kleine anmutvolle Dichtung wirkte durch die vor¬
zügliche Wiedergabe in amüsantester Weise und das Publikum
dankte mit herzlichem Lachen und Beifall für diese lustige Dar
bietung.
bex 27/1
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Wien, I. Concordiaplatz 4
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in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf,
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apolis, New-York, Paris, Rom, San Francisco,
Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangahe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
amdenblatt. Wier
vom:

* (Artur Schnitler in der Grillparzer=Gesellschaft.) Als
Gast der Grillparzer=Geseuschaft hat Artur Schnitzler, gestern
abends im Ingenieur= und Architektenvereinssaale Szenen aus seinem
„Jungen Medardus“ gelesen. Zunächst die bei der Aufführung im
Burgtheater weggelassene Schlußszene des vierten Aktes, die sich un¬
mittelbar nach Eschenbachers Begräbnis ereignet. Es ist das nicht
gerade einer der wirksamen Auftritte; der Dialog entbehrt hier der
dramatischen Schlagkraft. Hübsche Detailmalerei, dann ein dumpfes,
geängstetes Verklingen aufgeschreckter Bürger, leises, vorsichtiges Inssich¬
selbst=Verstecken murrender Leidtragender; und ohne sonderlich intensive
Steigerung in einem Dialog zwischen Medardus und Helene das Auf¬
rauschen des Rachemotivs. Der Dilettant Medardus mit dem Hamlet¬
kostüm läßt das Motiv fallen wie ein Spielzeug, mit dem er nichts
anzufangen weiß. Vorhang. Schnitzler liest diese Szene ohne große
Ambition, klar auseinanderhaltend aber doch auch obne rechte Eindringlich¬
keit. Die große erste Szene des fünften Aufzuges, das Verlöschen aller
Träume der Valois, brachte der Dichter schon weitaus bewegter, inter¬
essierender heraus. Die ganze Tiefe Schnitzlerscher Gedanklichkeit offenbarte
sich aber in dem Kapitel aus dem Romane „Der Weg ins Freie“, in dem eine
Weltanschauung wie ein Programm, wuchtig, schwärmend und gläubig
zum Ausdrucke kommt. Hier gewann der Dichter auch eine respektable
Höhe im Vortrag, eine zwingende Gebärde der vermittelnden Diktion.
Die überlegene, mit allem Ernsthaften jonglierende Burleske „Im
Wurstelprater“ aus dem Buche „Marionetten“ zeigte Schnitzler in
seinem Element. Er differenzierte subtil, hielt alle greinenden, einfältigen,
bluffenden und alle aus den Tiefen kommenden Stimmen dieses mensch¬
lich=puppenhaften Spieles köstlich auseinander und erweckte das dicht
gedrängte Auditorium aus anfänglicher Achtung und folgender inerer
Teilnahme zu ungebundener Begeisterung, die sich in lautesten und
herzlichsten Beifall auslöste.
eregen!
ehnnns n