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22. ber junge Ledardus
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Salten und Schnitzler selbst vor der großen Metamorphose des Jahres äußerstem Leben und Sterben, wo die Gier aus den Poren der Ver¬
1914 richtig zu sehen glaubten. Auch Medardus Klähr hat zuviel Nerven wesung duftet), das Schnitzler so oft und gern benutzt. Es gibt empfind,
und zu wenig Faust; hat diese Mimosenseele, die vor der Tat scheu same, heroische und zweifelnde Reflexionen über den Krieg,
die ein
zurückweicht, sich nur an den Gedanken klammert und in einer fort= prophetisch=dichterisches Gemüt direkt für unsere Zeit vorbereitet zu haben
dauernden Wollust des Schmerzes seine Lebensaufgabe sucht und findet.l scheint; und der junge Medardus ist doch schon fünf Jahre alt. Es flirrt
Er hat schon die Waffen in der Hand, um sie gegen die Franzosen zu von seelischen und historischen Bézüglichkeiten, Notizen Hinweisen, die
tragen. Da geht (in einem flüchtig=wehmütigen Vorschlag zum ersten
Akkorde des Stückes) Agathe, des Medardus Schwester, Christine
alle diese filmkurzen Szenen flüchtig illuminieren. Aber eben nur
Weirings Ahnfrau mit ihrem adeligen Liebsten, den sie nicht haben soll,
flüchtig! Ohne den Vortänzer einer fesselnden Persönlichkeit als Mittel¬
in den Werther=Tod: und Medardus denkt wienerisch=egoistisch statt gro߬
figur (Wallenstein, Götz, Florian Geyer) bleibt der Reigen der Ereignisse
zügig=vaterländisch und beschließt, den Rachestrahl, der die Verderber
und Gestalten hier ein Schattenspiel. Viel Präterision, wenig
seiner Schwester (in Wien lebender, französischer Hochadel aus dem alten
Vollendung: man kann dieses Drama nicht anders beurteilen!..
Kronprätendentengeschlechte derer von Valois) treffen soll, lieber daheim,
Auch die Aufführung, so bunt und hubsch sie vor Svend Gades
primitiven,
hinter dem Ofen als im Kriegsfelde vorzubereiten. Aber es wird auch
anmutig=farbenfreudigen Alt=Wien=Dekorationen stand,
hier mehr ein Fäusteballen, als ein Auftrumpfen. Der junge Medardus
rang fast in allen Teilen vergeblich mit dem Stoff. Ausnahmen: Herr
Landa, der blinde Seher der Valois mit der gräßlichen Glashelle
schleppt (bald unter resignierenden, bald unter raunzenden Randglossen zu seiner erstorbenen Augen und Frl. Lossen, die „Mademoiselle Satan“
der von Rapoleon verhängten Drangsal der Wienerstadt) sich und uns der Valois, (weniger Lilie als Orchidee), die mit der Messalina besser
durch die seitsam unschnitzlerischen, starren, unelastischen, farblosen fertig wurde, wie jüngst mit der Iphigenie. Auch die Bürger und
Szenen. Da er vor allem mit seinem Rachestrahl Helene treffen will,
die zynisch=kaltherzige Sphinxtochter der Valois, (mit der sich Medardus
Bürgerinnen, die mit nicht immer ganz waschechten Diglekten, sohst aber
noch soeben, wie Hamlet mit Laörtes am offenen Grabe seiner Schwester
in gütem Wuchs den Prater und das Glacis und Schönbrunn bevölkerten
herumi 'gte), so entschließt er sich, statt sie zu hassen, sie zu lieben und
(Adalbert und Herzfeld, Frau Eberty und Frau Söneland)
feiert A#hens Leichenschmaus in ihrem Alkoven. Als die schöne Helena
haben ihr Kompliment verdient. Aber Herr Loos (Medaxdus), hyperz!
nervös, fahrig, weich, unrastvoll, nahm dieser Gestalt noch den letzten
später. Leib und Seele von dem kleinen Medardus zu dem größeren! Knochen aus dem Gelenk, statt sie durch einen Funken jugendlichen!
Napoleon übergeht, rafft sich Medardus zwar dennoch auf, mit ihr Feuers, durch ein gelindes sich Aufraffen, (meinetwegen im Interesse des
Carmen und José zu spielen und sie auf seinen Dolch zu spießen. Aber Wirkung über die Absicht des Dichters hinaus), ein wenig zu ent¬
diese Tat, die wir nach so vielen Worten sehen (und die von klein¬
zügigem, erotischem Egoismus geboren wird, wo man Akte und Stunden
flammen. Herr Salfner hat gleichfalls nicht den Olympierkopf des
alten Eschelbacher mit seinen Goetheisch=Beethovenischen Ingredienzien.
lang das Aufslammen einer großen, der Zeitströmung identischen Regung Und Herr Abel (der beste Spottvogel der deutschen Bühne), hatte die
erwartete), wirkt im Drama nicht als eine befreiende. Wir sind froh, hübscheste Gestalt der figurreichen Galerie zu verkörpern; den getreuen
daß wir den Medardus los sind; und wir erkennen diesem wehleidigen Eckart des Medardus, einen lahmen Buchhändler, der sich von den argen
knochenlosen jungen Mann (für dessen feelische Zanderpolitik wir viel-Wienschen ganz auf Geist und Güte zurückgezogen hat. Er hatte auch
leicht gerade in diesen Tagen der allgemeinen Aktivität besonders stie klugen, spürenden Augen des hundetreuen Gesellen. „Doch ach, aus
empfindlich sind), keinesfalls das Recht zu, für ein anspruchsvolles Werk Hiesen Zügen sprach kein Herz!“
von den Prätentionen des groß angelegten Zeitbildes und der vielfältig
Walter Turszinsky.
verstrickten, psychologischen Schilderung die Verantwortung zu
übernehmen.
In der Tat: dieses Stück, das seinen Dichter aus den Engnissen der
Umwelt in die freiere Luftsphäte der Vorwelt tragen sollte (vom Salon
tung
zur Ruhmeshalle) stirbt an dem Kleinmaß seines Helden. Der
Neurastheniker, — „und im Genuß verschmächt' ich nach Begierde“ —,
den das moderne Problemstück so sehr protegierte, ist in der Geschichts¬
tragödie nicht am Ort. Die Gestalt, die Geschichts= und Seelenvorg uge,
(wie der compère einer dramatischen Revue), auf der Bühne zusammen¬
führen soll, der ruhende Pol in der buntschillernden zeitbildlichen oder
25. Oktober.persönlichen Ereignisse Flucht, muß einen breiten Nacken haben. Hier
haben uns bei ist, wenn irgendwo im Drama, am Anfang die Tat!! — Ich muß nicht
Der junge sagen, daß die Musik der Schnitzlerschen Szene (diese Musik, bei der man
im Lessing= ein bißchen die Wehmut und ein bißchen das Lächeln und ein bißchen das
Absichten, die Gruseln lernt: Haydn und Johann Strauß und Debussy in einem) auch
der französischen hier in mancher Figur und in mancher Wendung der Begebenheiten das
flut dramatisch Wort hat. Man hat diese Töne im Ohr, wo Schnitzler beim Entwurf
erlassende Zeit= der Gestalt des Falloten und Spionen Wachshuber seine Altwiener
Dichter steckenszaust, und wo er sie, mit der Episode des gütigen Onkel Eschenbacher,
1 Dichtung und der aus seinem Vaterlandsgefühl so lange nichts her macht, bis er es um
chen Märchensl einer Narrheit willen mit seinem Blute beliegeln muß, streichelt.
lähr, der junge Man findet in dem konspirierenden Salon derer von Valois mit dem
so wie ihn blinden, absterhenden alten Fürsten, mit der Mutter, die an das Grab
ahr und Felix und der Tochter, die an das Luftbett denkt, jenes Parfüm (zwischen!
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box 27/2
Salten und Schnitzler selbst vor der großen Metamorphose des Jahres äußerstem Leben und Sterben, wo die Gier aus den Poren der Ver¬
1914 richtig zu sehen glaubten. Auch Medardus Klähr hat zuviel Nerven wesung duftet), das Schnitzler so oft und gern benutzt. Es gibt empfind,
und zu wenig Faust; hat diese Mimosenseele, die vor der Tat scheu same, heroische und zweifelnde Reflexionen über den Krieg,
die ein
zurückweicht, sich nur an den Gedanken klammert und in einer fort= prophetisch=dichterisches Gemüt direkt für unsere Zeit vorbereitet zu haben
dauernden Wollust des Schmerzes seine Lebensaufgabe sucht und findet.l scheint; und der junge Medardus ist doch schon fünf Jahre alt. Es flirrt
Er hat schon die Waffen in der Hand, um sie gegen die Franzosen zu von seelischen und historischen Bézüglichkeiten, Notizen Hinweisen, die
tragen. Da geht (in einem flüchtig=wehmütigen Vorschlag zum ersten
Akkorde des Stückes) Agathe, des Medardus Schwester, Christine
alle diese filmkurzen Szenen flüchtig illuminieren. Aber eben nur
Weirings Ahnfrau mit ihrem adeligen Liebsten, den sie nicht haben soll,
flüchtig! Ohne den Vortänzer einer fesselnden Persönlichkeit als Mittel¬
in den Werther=Tod: und Medardus denkt wienerisch=egoistisch statt gro߬
figur (Wallenstein, Götz, Florian Geyer) bleibt der Reigen der Ereignisse
zügig=vaterländisch und beschließt, den Rachestrahl, der die Verderber
und Gestalten hier ein Schattenspiel. Viel Präterision, wenig
seiner Schwester (in Wien lebender, französischer Hochadel aus dem alten
Vollendung: man kann dieses Drama nicht anders beurteilen!..
Kronprätendentengeschlechte derer von Valois) treffen soll, lieber daheim,
Auch die Aufführung, so bunt und hubsch sie vor Svend Gades
primitiven,
hinter dem Ofen als im Kriegsfelde vorzubereiten. Aber es wird auch
anmutig=farbenfreudigen Alt=Wien=Dekorationen stand,
hier mehr ein Fäusteballen, als ein Auftrumpfen. Der junge Medardus
rang fast in allen Teilen vergeblich mit dem Stoff. Ausnahmen: Herr
Landa, der blinde Seher der Valois mit der gräßlichen Glashelle
schleppt (bald unter resignierenden, bald unter raunzenden Randglossen zu seiner erstorbenen Augen und Frl. Lossen, die „Mademoiselle Satan“
der von Rapoleon verhängten Drangsal der Wienerstadt) sich und uns der Valois, (weniger Lilie als Orchidee), die mit der Messalina besser
durch die seitsam unschnitzlerischen, starren, unelastischen, farblosen fertig wurde, wie jüngst mit der Iphigenie. Auch die Bürger und
Szenen. Da er vor allem mit seinem Rachestrahl Helene treffen will,
die zynisch=kaltherzige Sphinxtochter der Valois, (mit der sich Medardus
Bürgerinnen, die mit nicht immer ganz waschechten Diglekten, sohst aber
noch soeben, wie Hamlet mit Laörtes am offenen Grabe seiner Schwester
in gütem Wuchs den Prater und das Glacis und Schönbrunn bevölkerten
herumi 'gte), so entschließt er sich, statt sie zu hassen, sie zu lieben und
(Adalbert und Herzfeld, Frau Eberty und Frau Söneland)
feiert A#hens Leichenschmaus in ihrem Alkoven. Als die schöne Helena
haben ihr Kompliment verdient. Aber Herr Loos (Medaxdus), hyperz!
nervös, fahrig, weich, unrastvoll, nahm dieser Gestalt noch den letzten
später. Leib und Seele von dem kleinen Medardus zu dem größeren! Knochen aus dem Gelenk, statt sie durch einen Funken jugendlichen!
Napoleon übergeht, rafft sich Medardus zwar dennoch auf, mit ihr Feuers, durch ein gelindes sich Aufraffen, (meinetwegen im Interesse des
Carmen und José zu spielen und sie auf seinen Dolch zu spießen. Aber Wirkung über die Absicht des Dichters hinaus), ein wenig zu ent¬
diese Tat, die wir nach so vielen Worten sehen (und die von klein¬
zügigem, erotischem Egoismus geboren wird, wo man Akte und Stunden
flammen. Herr Salfner hat gleichfalls nicht den Olympierkopf des
alten Eschelbacher mit seinen Goetheisch=Beethovenischen Ingredienzien.
lang das Aufslammen einer großen, der Zeitströmung identischen Regung Und Herr Abel (der beste Spottvogel der deutschen Bühne), hatte die
erwartete), wirkt im Drama nicht als eine befreiende. Wir sind froh, hübscheste Gestalt der figurreichen Galerie zu verkörpern; den getreuen
daß wir den Medardus los sind; und wir erkennen diesem wehleidigen Eckart des Medardus, einen lahmen Buchhändler, der sich von den argen
knochenlosen jungen Mann (für dessen feelische Zanderpolitik wir viel-Wienschen ganz auf Geist und Güte zurückgezogen hat. Er hatte auch
leicht gerade in diesen Tagen der allgemeinen Aktivität besonders stie klugen, spürenden Augen des hundetreuen Gesellen. „Doch ach, aus
empfindlich sind), keinesfalls das Recht zu, für ein anspruchsvolles Werk Hiesen Zügen sprach kein Herz!“
von den Prätentionen des groß angelegten Zeitbildes und der vielfältig
Walter Turszinsky.
verstrickten, psychologischen Schilderung die Verantwortung zu
übernehmen.
In der Tat: dieses Stück, das seinen Dichter aus den Engnissen der
Umwelt in die freiere Luftsphäte der Vorwelt tragen sollte (vom Salon
tung
zur Ruhmeshalle) stirbt an dem Kleinmaß seines Helden. Der
Neurastheniker, — „und im Genuß verschmächt' ich nach Begierde“ —,
den das moderne Problemstück so sehr protegierte, ist in der Geschichts¬
tragödie nicht am Ort. Die Gestalt, die Geschichts= und Seelenvorg uge,
(wie der compère einer dramatischen Revue), auf der Bühne zusammen¬
führen soll, der ruhende Pol in der buntschillernden zeitbildlichen oder
25. Oktober.persönlichen Ereignisse Flucht, muß einen breiten Nacken haben. Hier
haben uns bei ist, wenn irgendwo im Drama, am Anfang die Tat!! — Ich muß nicht
Der junge sagen, daß die Musik der Schnitzlerschen Szene (diese Musik, bei der man
im Lessing= ein bißchen die Wehmut und ein bißchen das Lächeln und ein bißchen das
Absichten, die Gruseln lernt: Haydn und Johann Strauß und Debussy in einem) auch
der französischen hier in mancher Figur und in mancher Wendung der Begebenheiten das
flut dramatisch Wort hat. Man hat diese Töne im Ohr, wo Schnitzler beim Entwurf
erlassende Zeit= der Gestalt des Falloten und Spionen Wachshuber seine Altwiener
Dichter steckenszaust, und wo er sie, mit der Episode des gütigen Onkel Eschenbacher,
1 Dichtung und der aus seinem Vaterlandsgefühl so lange nichts her macht, bis er es um
chen Märchensl einer Narrheit willen mit seinem Blute beliegeln muß, streichelt.
lähr, der junge Man findet in dem konspirierenden Salon derer von Valois mit dem
so wie ihn blinden, absterhenden alten Fürsten, mit der Mutter, die an das Grab
ahr und Felix und der Tochter, die an das Luftbett denkt, jenes Parfüm (zwischen!