II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 516

22. Derjunge -Madandug
Theater
Der junge Medardus
Arthur Schnitzlers Drama im Lessingtheater.
Österreichs größte Zeit, 1809, gibt dem „Jungen Medardus“.
einem der älteren Werke Arthur Schnitzlers, Stoff, Hintergrund
und das, was man Kolorit nennt. Die Historie des jungen öster¬
reichischen Janatikers und Napeoleonhassers Medardus in Wien,
der das Liebesunglück seiner Schwester mit einem Bourbonen durch
die Schändung der stolzen Bourbonenprinzessin Helene röchen will
und dessen Rächeramt dabei durch das Erwachen einer Leidenschaft
zur Prinzessin ebenso dem Fluche der Lächerlichkeit verfällt, wie spä¬
ter sein Entschluß, den Franzosenkaiser zu erdolchen, birgt in der
Tat echt Schnitzlersche Probleme. Es gibt keine absolute menschliche
Größe. Es gibt keinen absoluten Heroismus. Wer scharf zusieht
oder lange grübelt, findet auch im stärksten Heldentum das Ferment
der Kleinheit und Narrheit, und andererseits im Narrentum manch¬
mal Größe. Gewiß nicht unbedingt das gegebenste Thema für unsere
Zeit. Ein Shaw, vielleicht sogar ein Wedelind, die das Leben ähn¬
lich sehen, wären heute sogar bestimmt unwöglich. Was bei Schnitzler
vielleicht ein künstlerischer Mangel ist, daß er nicht so stark wie jene
beiden über den Dingen steht, sondern daß er selbst noch mit ihnen
ringt, das kommt ihm heute zugute. Wenn er auch die Werte, an die
zu glauben vielleicht gerade heute die Losung der Zeit ist, zerfasert
und zersetzt, so tut er es doch ohne Hohn und Ueberlegenheitsdünkel,
tut er es mit Ernst und einer gewissen Schwermut.
Theodor Loos war ein Medardus, der leider schon das Ende
seiner Rolle kannte. So war sein Heldentum von Anfang an zu
nervös und zu tragisch. Das störte natürlich die Entwickelung der
Gestalt im Sinne des Dichters. Lina Lossens aus Peer Gynt be¬
kannter Weichheit hätte man eine so überaus fertige Bewältigung
der grellen, gespenstischen Romanfigur der Blutsaugerin Helene gar
nicht zugetraut.
Das Kriegsstück des „Berliner Theaters“.
Die Hausdichter und Komponisten des Berliner Theaters haben
sich, dem Drange der Zeit und dem Geschmack des Publikums sol¬
+ gend. wieder einmal zu einer Art Revue zusammengetan und ihr
box 27/2
eaugaue ouneghen
L. M. Z.
Auschnit ausDentsche Rontage=Baltung
vom 26 CKToben 1917 Berlin
Theater
Der junge Medardus
Arthur Schnitzlers Drama im Lessingthealer.
Osterrih dem „Jungen Medardus“
einem der älteren Werke Arthur Schnitziers, Stoff, Hintergrund
und das, was man Kolorit nennt. Die Historie des jungen öster¬
reichischen Fanatikers und Napeoleonhassers Medardus in Wien,
der das Liebesunglück seiner Schwester mit einem Bourbonen durch
die Schändung der stolzen Bourbonenprinzessin Helene rächen will
und dessen Nächeramt dabei durch das Erwachen einer Leidenschaft
zur Prinzessin ebenso dem Fluchc der Lächerlichkeit verfällt, wie spä¬
ter sein Entschluß, den Franzosenkaiser zu erbolchen, birgt in der
Tai echt Schnitzlersche Probleme. Es gibt keine absolute menschliche
Größe. Es gibt keinen absoluten Heroismus. Wer scharf zusieht
oder lange grübelt, findet auch im stärksten Heldentum das Ferment
der Kleinheit und Narrheit, und andererseits im Narrentum manch¬
mal Größe. Gewiß nicht unbedingt das gegebenste Thema für unsere
Zeit. Ein Shaw, vielleicht sogar ein Wedekind, die das Leben ähn¬
lich sehen, wären heute sogar bestimmt unmöglich. Was bei Schnitzler
vielleicht ein künstlerischer Mangel ist, daß er nicht so stark wie jene
beiden über den Dingen steht, sondern daß er selbst noch mit ihnen
ringt, das kommt ihm heute zugute. Wenn er auch die Werte, an die
zu glauben vielleicht gerade heute die Losung der Zeit ist, zersasert
und zersetzt, se tut er es doch ohne Hohn und Ueberlegenheitsdünkel,
tut er es mit Ernst und einer gewissen Schwermut.
Theodor Loos war ein Medardus, der leider schon das Ende
seiner Rolle kannte. So war sein Heldentum von Anfang an zu
nervös und zu tragisch. Das störte natürlich die Entwickelung der
Gestalt im Tinne des Dichters. Lina Lossens aus Peer Gynt be¬
kannter Weichheit hätte man eine so überaus fertige Bewältigung
der grellen, gespenstischen Romanfigur der Blu“faugerin Helene gar
nicht zugetraut.