box 27/2
1
22. Derjunge Meda-dus
Die Gegenwart.
Nr. 41
692
eigentlichen dramatischen Handlung ganz un¬
Nebensachen, die bei Schnitzler, wie bekannt,
tauglich. Er repräsentiert die jüngere Gene¬
immer das Beste, Eigenste, Feinste und also
ration jenes Wiener Spießbürgertums, er ist
eigentlich die Hauptsachen sind. Damit hat
liebenswürdig und phantastisch, wo jene nur
man aber die Problematik dieser dramatischen
fett und gemein sind, aber in seiner mehr
Historie schon im Kern erfaßt.
ästhetischen Art lebt doch der gleiche Mangel
Ein Drama ist der Kampf handelnder
an Energie, an Sammlung, an Hingabe, die
Menschen, und die Geschichte ist, soweit sie
gleiche bequeme, nachgiebige Sinnlichkeit. So
künstlerisch faßbar ist, das Auswirken
großer, viel umfassender Persönlichkeiten.
gibt er uns das Schauspiel eines endlosen
Wollens und wieder Versagens, eines bestän¬
Wer nun in seinem wienerisch weichen, ver¬
digen pathetischen Selbstbetrugs. Ein Hjalmar
grübelten Temperament im Grunde weder an
Ekdal des Empire. Aesthetisch interessant wäre
den Handelnden noch an den geschichtlichen
er nur als Mittelpunkt einer Komödie zu
Helden glaubt, wem die Welt im Grunde ein
machen — als beabsichtigter Dramenheld wirkt
melancholisch=rätselhaftes Konglomerat dunkler
Getriebenheiten ist, wie soll der ein geschicht¬
er lächerlich im unbeabsichtigten Sinne. Er
will fürs Vaterland streiten, aber statt ins Feld
liches Drama schreiben?! Er kann höchstens
zu ziehen, bleibt er, um die Schwester, die sich
einen melancholisch=ironischen, geschichtlichen
eben wegen hoffnungsloser Liebe mit dem jungen
Roman schreiben: er kann darstellen wollen, wie
Prinzen Valois ertränkt hat, an der hochmüti¬
die vielen kleinen, unklaren Geister, im Wahn
gen Familie jener französischen Thronpräten¬
einer großen geschichtlichen Situation an¬
denten zu rächen. Aber statt zu rächen, gerät
gespannt, sich verwirren. In der Tat hat
Medardus in eine Liebschaft mit der hoch¬
Schnitzler, im Grunde genommen, diesen Ro¬
mütigen Prinzessin von Valois. Und als er
man schreiben wollen. Das Wiener Bürgertum
schließlich in einer verzweifelten Aufwallung
von 1809 wollte er darstellen, wie es im Kampf
sich mit dem Mordstahl gegen Napoleon-be¬
gegen Napoleon im heldischen Patriotismus
waffnet, ersticht er nicht den Kaiser, sondern
aufflackert und zwischen Eckmühl und Aspern,
höchst privatim die Geliebte, die er für des
zwischen Aspern und Wagram in seine Be¬
Kaisers Mätresse hält. Und nach diesem drei¬
quemlichkeiten, Feigheiten, Eitelkeiten wieder
versinkt.
maligen Versagen schafft er sich einen einiger¬
maßen imposanten Abgang, indem er die Be¬
Es ist nun charakteristisch für die mangelnde
gnadigung des Kaisers (die er erhält, weil sich
Einheit, die innere Formlosigkeit des Werkes,
herausstellt, daß die von ihm ermordete Valois
daß die Szene, in der Schnitzler seine Absicht
gekommen war, um den Kaiser zu ermorden)
am besten gelingt, die große Volksszene auf
ausschlägt und seinen Tod durch das trotzige
der Wiener Bastei, beim Herannahen der Fran¬
Bekenntnis, daß er Napoleon ermorden wollte
zosen, die Szene, die das Wiener Bürgervolk
und auch in Zukunft ermorden wolle, erzwingt.
in all seiner Sensationsgier, seinem schwäch¬
Obwohl diese raffinierte Art von Selbst¬
lichen Phrasentum, seinem spießbürgerlichen Ego¬
mord wesentlich mehr nach Verzweiflung als
ismus zeigt — daß diese Szene bei der Auf¬
nach Heldentum schmeckt, hat doch dieser letzte
führung einfach wegbleiben konnte. Denn in
Zusammenstoß des ohnmächtigen Jünglings
der Tat tritt in dieser Szene der zu Unrecht so
mit dem eisernen Manne, dessen Geist sich in
genannte Held des Stückes, Medardus, fast
der Sprache seines Generals bedeutsam abmalt,
ganz zurück. Ein Drama kann aber nicht auf
etwas erschütterndes. Aber ehe wir zu dieser
Milieustudien gestellt werden, wie allenfalls
Szene kommen, sind wir bis zum grimmigen
ein Roman, und so mußte die Bühne von dem
Aerger ermüdet durch die immer wiederholten
episch breit gesponnenen Werk gerade die
Beweise der Unzuverlässigkeit und Untüchtig¬
feinsten, witzigsten Partien opfern, um den
keit eines jungen Menschen, dem durch einen
Schein einer dramatischen Handlung zusammen¬
so langen Abend zu folgen wir gar keinen
stellen zu können. Nur den Schein — denn auch
Zwang verspüren. Und noch mehr hat uns
der junge Medardus ist zum Träger einer
Nr. 44
die völlig romanha
Valois verstimmt.
hochmütige Tochter
ohnmächtigen Anst
Frankreich, könnten
eine Stimmungspa
ternen Ohnmacht de
geben. Dramatisch
das Konzept, indem
jungen Medardus 1n
grober Zufälligkeit
alles dichterische (u
dramatische) Intere
stammen könnte, da
mehr Nichttun aus
Wenn der Dichter
ständig an eine Füll
der Zufälle auslief
diese Schwäche glau
Wir haben hie
Schnitzlers wie dan
Bernhardi“, Anlau
Tendenzdrama zu
resigniert und unent
satirischen Komödie
Absicht geringer, di
digen Details auf
sichtlicher, und das
offenkundig als dies
die Absicht zweifell
Zahl der gelungen
cholischen Menschli
größer und belangvo
des gewählten Forn
mit skeptisch sinuli
heroisch monumenta
peinlicher und eindt
nowsky von Schnitzle
sichtbar wurde, war
Absicht ganz unverst
Daß diese Arbeit abe
leicht ein Glück -
blickliche Theatersitul
wahrhaftig eine recht
idee, zu glauben, d
sei, nur weil es in
von Ausmarsch, Schl
die Rede ist. In
ja gerade in seinen
1
22. Derjunge Meda-dus
Die Gegenwart.
Nr. 41
692
eigentlichen dramatischen Handlung ganz un¬
Nebensachen, die bei Schnitzler, wie bekannt,
tauglich. Er repräsentiert die jüngere Gene¬
immer das Beste, Eigenste, Feinste und also
ration jenes Wiener Spießbürgertums, er ist
eigentlich die Hauptsachen sind. Damit hat
liebenswürdig und phantastisch, wo jene nur
man aber die Problematik dieser dramatischen
fett und gemein sind, aber in seiner mehr
Historie schon im Kern erfaßt.
ästhetischen Art lebt doch der gleiche Mangel
Ein Drama ist der Kampf handelnder
an Energie, an Sammlung, an Hingabe, die
Menschen, und die Geschichte ist, soweit sie
gleiche bequeme, nachgiebige Sinnlichkeit. So
künstlerisch faßbar ist, das Auswirken
großer, viel umfassender Persönlichkeiten.
gibt er uns das Schauspiel eines endlosen
Wollens und wieder Versagens, eines bestän¬
Wer nun in seinem wienerisch weichen, ver¬
digen pathetischen Selbstbetrugs. Ein Hjalmar
grübelten Temperament im Grunde weder an
Ekdal des Empire. Aesthetisch interessant wäre
den Handelnden noch an den geschichtlichen
er nur als Mittelpunkt einer Komödie zu
Helden glaubt, wem die Welt im Grunde ein
machen — als beabsichtigter Dramenheld wirkt
melancholisch=rätselhaftes Konglomerat dunkler
Getriebenheiten ist, wie soll der ein geschicht¬
er lächerlich im unbeabsichtigten Sinne. Er
will fürs Vaterland streiten, aber statt ins Feld
liches Drama schreiben?! Er kann höchstens
zu ziehen, bleibt er, um die Schwester, die sich
einen melancholisch=ironischen, geschichtlichen
eben wegen hoffnungsloser Liebe mit dem jungen
Roman schreiben: er kann darstellen wollen, wie
Prinzen Valois ertränkt hat, an der hochmüti¬
die vielen kleinen, unklaren Geister, im Wahn
gen Familie jener französischen Thronpräten¬
einer großen geschichtlichen Situation an¬
denten zu rächen. Aber statt zu rächen, gerät
gespannt, sich verwirren. In der Tat hat
Medardus in eine Liebschaft mit der hoch¬
Schnitzler, im Grunde genommen, diesen Ro¬
mütigen Prinzessin von Valois. Und als er
man schreiben wollen. Das Wiener Bürgertum
schließlich in einer verzweifelten Aufwallung
von 1809 wollte er darstellen, wie es im Kampf
sich mit dem Mordstahl gegen Napoleon-be¬
gegen Napoleon im heldischen Patriotismus
waffnet, ersticht er nicht den Kaiser, sondern
aufflackert und zwischen Eckmühl und Aspern,
höchst privatim die Geliebte, die er für des
zwischen Aspern und Wagram in seine Be¬
Kaisers Mätresse hält. Und nach diesem drei¬
quemlichkeiten, Feigheiten, Eitelkeiten wieder
versinkt.
maligen Versagen schafft er sich einen einiger¬
maßen imposanten Abgang, indem er die Be¬
Es ist nun charakteristisch für die mangelnde
gnadigung des Kaisers (die er erhält, weil sich
Einheit, die innere Formlosigkeit des Werkes,
herausstellt, daß die von ihm ermordete Valois
daß die Szene, in der Schnitzler seine Absicht
gekommen war, um den Kaiser zu ermorden)
am besten gelingt, die große Volksszene auf
ausschlägt und seinen Tod durch das trotzige
der Wiener Bastei, beim Herannahen der Fran¬
Bekenntnis, daß er Napoleon ermorden wollte
zosen, die Szene, die das Wiener Bürgervolk
und auch in Zukunft ermorden wolle, erzwingt.
in all seiner Sensationsgier, seinem schwäch¬
Obwohl diese raffinierte Art von Selbst¬
lichen Phrasentum, seinem spießbürgerlichen Ego¬
mord wesentlich mehr nach Verzweiflung als
ismus zeigt — daß diese Szene bei der Auf¬
nach Heldentum schmeckt, hat doch dieser letzte
führung einfach wegbleiben konnte. Denn in
Zusammenstoß des ohnmächtigen Jünglings
der Tat tritt in dieser Szene der zu Unrecht so
mit dem eisernen Manne, dessen Geist sich in
genannte Held des Stückes, Medardus, fast
der Sprache seines Generals bedeutsam abmalt,
ganz zurück. Ein Drama kann aber nicht auf
etwas erschütterndes. Aber ehe wir zu dieser
Milieustudien gestellt werden, wie allenfalls
Szene kommen, sind wir bis zum grimmigen
ein Roman, und so mußte die Bühne von dem
Aerger ermüdet durch die immer wiederholten
episch breit gesponnenen Werk gerade die
Beweise der Unzuverlässigkeit und Untüchtig¬
feinsten, witzigsten Partien opfern, um den
keit eines jungen Menschen, dem durch einen
Schein einer dramatischen Handlung zusammen¬
so langen Abend zu folgen wir gar keinen
stellen zu können. Nur den Schein — denn auch
Zwang verspüren. Und noch mehr hat uns
der junge Medardus ist zum Träger einer
Nr. 44
die völlig romanha
Valois verstimmt.
hochmütige Tochter
ohnmächtigen Anst
Frankreich, könnten
eine Stimmungspa
ternen Ohnmacht de
geben. Dramatisch
das Konzept, indem
jungen Medardus 1n
grober Zufälligkeit
alles dichterische (u
dramatische) Intere
stammen könnte, da
mehr Nichttun aus
Wenn der Dichter
ständig an eine Füll
der Zufälle auslief
diese Schwäche glau
Wir haben hie
Schnitzlers wie dan
Bernhardi“, Anlau
Tendenzdrama zu
resigniert und unent
satirischen Komödie
Absicht geringer, di
digen Details auf
sichtlicher, und das
offenkundig als dies
die Absicht zweifell
Zahl der gelungen
cholischen Menschli
größer und belangvo
des gewählten Forn
mit skeptisch sinuli
heroisch monumenta
peinlicher und eindt
nowsky von Schnitzle
sichtbar wurde, war
Absicht ganz unverst
Daß diese Arbeit abe
leicht ein Glück -
blickliche Theatersitul
wahrhaftig eine recht
idee, zu glauben, d
sei, nur weil es in
von Ausmarsch, Schl
die Rede ist. In
ja gerade in seinen