II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 560

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M.
22. berjunge-Ledardus
Ausschnitt aus
#
1-Mouisseun Züricher Zeitund
vom:
Spiel. Er will ihre Schande preisgeben; sie ent= einem Stich ins Hintertreppenhafte, ist schl#
Theater, logisch und psychologisch brüchig. Daß
waffnet ihn durch ihre bloße Gegenwart und Geistes¬
Feuilleton.
Prinzessin von Valois, die den Tod ihres Br#
gegenwart. Der Buhle schmachtet in den Banden
betrauert, den Wiener Buchhändlerssohn, der
der Liebsten. Da rafft er sich zu einem tollkühnen
„Der junge Medardus“.*)
Tod seiner Schwester beweint, am Morgen auf
Entschluß auf: er will den Kaiser töten. Ersticht
Dramatische Historie von Arthur
Kirchhof zum erstenmale sieht und am Abent
über auf der Freitreppe von Schönbrunn die zum
(Erste Aufführung im Lesing=Theater zu Verlin
nämlichen Tages (nach vorausgegangener
Empfang befohlene Geliebte. Bei der Leiche findet
am 24. Oktober.)
kung!) bereits in seinen Armen liegt, ist eine
man einen Dolch, den die Royalistin offenbar für
Ort: Wien. Zeit: 1809. Nach Aspern. Napoleon
mutung, die wir auch in normalen Zeiten nicht
den Kaiser bestimmt hatte. Medardus hat also Na¬
vor den Toren. Aufbruch der Landwehr; Abschieds¬
Widerstreben hinnähmen, gegen die sich jetzt
poleon das Leben gerettet und könnte sich nun durch
Empfinden mit einiger Erbitterung sträubt.
stimmung; bange Ungewißheit; Bewaffnung der
eine Lüge die Freiheit erkaufen. Er lehnt es stolz
wenigstens dichterisch etwas bei dieser unglaubh
Bürgermiliz; Einquartierung französischer Offiziere;
ab; auch das Versprechen, dem Verhaßten fürder
Liebesaffäre herausspränge! Doch so theatralis
Teuerung; Haussuchung; Denunziation; Erschie¬
nich nach dem Leben zu trachten. Wird erschossen —
ßung eines braven Sattlermeisters wegen Verkaufs
eingefädelt ist, in so üblem Theaterton wird sie
„als dieses Krieges letzter und seltsamster Held“.
verbotener Landkarten; Angst und Neugier der Be¬
gesponnen. Schon bei den „mörderisch hochmü
Ein sehr wenig glaubhaftes Einzelschicksal voll ro¬
völkerung; Proklamation; Einzug Bonapartes in
Fingern“ juckt es uns in den Fingern; na
mantischer Zufälle ist so mit den weltgeschichtlichen
Schönbrunn; Friedensschluß. Aus diesen bunten Be¬
schießen die Papierblumen in die Höhe wie
Begebenheiten verquickt.
standteilen wird ein glaubhaftes, liebevoll zusammen¬
nach dem Regen — das untrüglichste Zeichen fü
Arthur Schnitzler, der feinste Poet der Liebe in
gesetztes Bild jener kriegerischen Tage gegeben (von
innere Hohlheit der ganzen Sudermanniade.
all ihren Variationen, hatte, wie die Kenner seiner
der Resonanz des Augenblicks belebt).
Leider vermag uns Medardus Klär in keine#
Werke wissen, von jeher ein Vorliebe für den Krieg.
Wie hebt sich von so bewegtem Zeitenhintergrund
ziehung tiefere Teilnahme abzuringen. Als er
Vielleicht ist es der Arzi in ihm, der sich für das
das Einzelschicksal des Helden ab? Ein Prinz von
Schluß die Lüge wie ein echter deutscher Jün
Problem des Massensterbens wie des unfreiwilligen
Valois geht mit einem Wiener Bürgermädel, das er
entrüstet von sich weist und dem sichern Verd
Sterbens interessiert. Aber er wird, den Kennern
nicht heiraten kann, ins Wasser. Am Grabe seiner
entgegenschreitet, sagt der General Rapp von
gleichfalls nicht unbekannt, merkwürdig geschwollen,
Schwester begegnet Medardus der Schwester jenes
als habe Fortinbras dem Dänenprinzen einen
unnatürlich theaterhaft, sobald er auf den Krieg
Valois, der Prinzessin mit den „hochmütig mörde¬
ruf zu widmen: „Gott wollte ihn zum Helden
kommt. In seinem szenisch stärksten, menschlich
rischen Fingern". Er beleidigt sie; ihr Verlobter for¬
sen, der Lauf der Dinge machte einen Narren
schwächsten Schauspiel „Der Ruf des Lebens“ ist er
dert ihn. Beide werden im Zweikampf verwundet.
ihm.“ Damit wird ein Lieblingsthema der di
wirklich mehr Sudermann als sein besseres Selbst;
Sie läßt sich nach seinem Befinden erkundigen; er
tischen Stoffwelt Arthur Schnitzlers angeschlagen
mehr auf Coups aus als auf Seelendeutung
eilt zu ihr, von Rachegedanken erfüllt. Noch in der¬
Medardus in die Galerie der halben Helden e
sonst seine Domäne. Dann vertauscht er den Silber¬
selben Nacht gehört sie ihm. Statt daß er in den
reiht. In Friedenszeiten hätte uns vielleich
stift, den seine zarte Hand delikat zu führen weiß,
Krieg zieht, zieht es den jungen Medardus zur schö¬
Entschluß zu einer großen Tat (Napoleons E#
mit einem recht dicken Pinsel. Von dieser fatalen
nen Heiene. Sie treibt mit ihm ein teuflisch kaltes
Neigung macht er sich hier nicht los. Die Alkoven= dung) imponiert; heute, da alles auf die Tat g##
*) Buchausgabe: S. Fischer Verlag, Berlin. geschichte inmitten der Historie ist grell, knallig, mit] ist, lassen wir uns mit dem auten Willen allein