bos 27/72
22. Der junge Medandus
Fprinzid der eistheitrichen Reise del der Biocum unse1bie Tillsache, dag deses Eunff Hapiere an Bord hal,
gegeben; es hat darauf verzichtet, bei der Frage der die eine neutrale Bestimmung haben, soll zur Ein¬
Eigenschaft von Schiffen fortan die Person desziehung genügen, wenn das Schiff einen feindlichen
—.—
je hoheren Werte kennt als das liebe Ich, als und ihn auch dann noch in Ehren begnadigen, als! andern Honoratioren Krähwinkels aus schmalzig¬
stische Gelüste und Eitelkeiten. Wenn man ihn er gesteht, wie und aus welchen Gründen sie ge=verquollener Kehle ein sentimentales Lied singt...
schehen. Aber Medardus will keine Gnade. Er] Dann aber gab's uns einen um so kräftigeren Ruck:
ersten Akt so daherkommen sieht, in seiner
Ist das der Sinn und die Aufgabe der Kunst, uns
will den Tod Den nutzlosen Tod vor den Gewehr¬
nucken Uniform, den jungen Herrn Medardus
die Gedanken von dem alles überschattenden Er¬
läufen der Füsiliere. Mehr war ihm nicht be¬
hr, ist man wohl einen Augenblick versucht, an
lebnis dieser Monate mit fader Verzerrung unsrer.
schieden.
or Körner zu denken; aber bald schämt man
Art und Unart hinwegzuscheuchen? Nun und
Gerade diese wehrlose Resignation, die dem
des Vergleiches: von entschlossenem Tatenmut
nimmermehr! Wußten wir es noch nicht, daß
Stücke noch in der vorigen Spielzeit den Ruhm be¬
t gar nichts in diesem Zweifler und Zauderer;
sondrer echtmenschlicher Seelenkenntnis eingebracht dieser Kotzebue nicht wert ist, die Fußspitze auf die
ihn in flackernde Bewegung setzt, ist nicht mehr
Schwelle unfrer Tage zu setzen, so wissen wir es
hätte, macht es jetzt vor dem Richterstuhl einer
eine romantisch erhitzte Ehr= und Abenteuersucht,
jetzt. „In die Ecke, Besen, seid's gewesen!“
starken Wirklichkeit stumpf. Sein Wert scheint uns
von dem Dichter mehr willkürlich als charakter¬
Anders liegt die Sache, wenn das Kleine
nur noch von kulturhistorischer Bedeutung, in die
si und überzeugend mit verwegenen Erfindungen
sich ein feines lyrisches Aroma, wie Lavendelduft Theater unsern guten, braven, Louis Angely
Verwickelungen genährt wird. Das erste ist,
aus alten Familientruhen, mischt. Sehr hübsch sind wieder auferstehen läßt. Sein Name schon ruft
Medardurs sich aus einem Vaterlands¬
namentlich die zarten Bilderbogen in Wasser-tröstliche Erinnerungen wach an die klassischen
steidiger in einen Rächer seiner Schwester ver¬
idelt, die gemeinsam mit dem ihr nicht be-malerei, die das freundnachbarliche Bürgerleben Zeiten des Berliner Volkswitzes, und das „Fest
r Handwerker“ und die „Familie
imten Liebhaber in die Donau gegangen ist. aus dem Wien von 1809 illustrieren: den Ein¬
t diesem Liebhaber hat es eine eigne Bewandt=lheimischen werden sie durch ihre liebevolle, unauf= Rüstig“ führen die biedere Tüchtigkeit nicht bloß
dringliche Echtheit noch mehr entzücken als den in ihren Titeln. Es lebt wirklich etwas von der
: es ist ein Prinz, ein Valois, und er hat eine
Fremden. Aber das sind Friedensschönheiten in guten, gesunden Bürgerkraft in ihnen, die Preußen
hwester, die ganz erfüllt ist von dem königlichen
einem Kriegsstück: sie sind „fehl am Orte“, oder ihre und im Grunde doch auch seine vielgeschmähte Haupt¬
icksal und Beruf ihres entthronten Geschlechts.
stadt an der Spree hat groß und mächtig werden
Zeit soll erst wieder kommen.
hindert sie freilich nicht — wie andre Gegen¬
Doch wie? Sehnt sich die vom Schlachtenlärm lassen und es ist fast mehr als ein hübsches Spiel
so liegen bei Schnitzler auch Stolz und
ermüdete Welt nicht gerade jetzt nach solchen des Zufalls, daß der urwüchsige, kernige Maurer¬
Hamlosigkeit, Eis und Feuer eng beieinander —
Friedensseligkeiten aus den Zeiten, da der Groß=lpolier Kluck im „Fest der Handwerker“ mit seinem
dem jungen Medardus, dem Beleidiger ihres
vater die Großmutter nahm? Manchmal will es so geflügelten „Positus, ick setz den Fall“ just so heißt
olzes, nachdem eine Kugel ihres ehenbürtigen
scheinen. Der Zuschauer des gewaltigen Welt= wie einer unserer populärsten Heerführer im Westen.
Erlobten im Duell ihn nur gestreift hat, in dirnen¬
In beiden Stücken wird gesungen, wird viel ge¬
theaters, das sich Tag um Tag vor uns abspielt,
ter Anwundlung hinzugeben. Medardus hat
möchte es abends einmal, wenn die mitleidigen sungen, und es nun mal versöhnt, wenn Spinett
ie ganz besonderen Absichten bei dem Liebesspiel:
Schatten sich auf die Erde senken ganz still und und Geige sich ins Mittel legen. Sie breiten über
nn die Prinzessin ganz die Seine geworden, will
friedlich haben. Da erinnert er sich an Kotzebue die Fröhlichkeit, die uns bezwingt, den Schleier der
hingehen und ihre Schande vor aller Welt aus¬
und seine Pfahlbürgerkomödien, die der liebe Gott wehmütigen Erinnerung und dämpfen unser Lachen
freien. Aber auch dazu bringt er's nicht, teils
il er selbst zu sehr zum Sklaven seiner erotischen von Weimar in seiner großen Güte und Langmutl zu einer Heiterkeit des Herzens, die auch den Tränen
nicht fremd ist.
fühle wird, teils weil er sich von ihr betrogen neben den Werken eines Goethe und Schiller
Weihnachten rückt heran, und mit ihm — kaum
ubt. Denn bald wird ruchbar, daß die stolze duldete, ja sogar zu „Lieblingen des Publikums“
mögen wir's glauben — die Zeit der Kinder¬
werden ließ, und wenn die Kammerspiele des
Elene von Valois als Geliebte Napoleons in
märchenstücke. Wohl uns, wenn ein Dichter, kein
Deutschen Theaters sich und den Schauspielern zur
hönbrunn bei ihm ein= und ausgeht. Nun könnte
schnellfertiger Spekulant und Macher sie uns bringt.
ledardus ja vielleicht auf einem Wege zu seinen Erholung die „Deutschen Kleinstädter“
#den Zielen gelangen, aber kaum daß er die aufführen, so wird der Deutsche von heute, der eine Das erste kam von einem, der sich nicht erst aus¬
keulose erstochen muß er erfahren, daß sie gerade Welt gegen sich in Waffen sieht, für ein Stündchen zuweisen braucht. Wenn wir auch Gustaf as
f dem besten Wege war, den Tyrannen und Biedermeier mit den Biedermeiern, Philister mit] Geijerstam, den vor sechs Jahren verstorbenen
#uber ihres Thrones, eine moderne Judith, in den Philistern. Und er lacht und kreischt wohl gar Schweden, vornehmlich als Kenner, Deuter und
aus vollem Halse, wenn Lucie Höflich, im Gestalter tiefster, in lautloser Stille erbarmungslos
ebesarmen zu erwürgen. So hat er im Gegen¬
übrigen nicht einmal die ergötzlichste unter den dreil geführter Seelenkämpfe schätzen, so wissen wir doch,
l verhindert, was der Zweck und Inhalt seines
„komischen Alten“ zu denen sich nit prächtiger daß es neben dem Meister des zerfasernden Seelen¬
bens sein sollte: Napoleon, dem er Tod und Ver¬
Laune die Schönheiten des Deutscher. Theaters her-Tromans noch einen andern Geijerstam gab, der
rben schwor, lebt durch ihn!... Es heißt zu viel
krlangt, wenn uns nach der Entwirrung solchen In= geben, als Frau Stadt=Akzise=Kassa=Schreiberin leichter den Weg zu der heroischen Epik unsrer Tage
gennetzes zugemutet wird dennoch an den tragiel vor der Frau Unter=Steuer=Einnehmerin, der Fraul gefunden hätte. Es war der Student von Upsala,
en Heroismus dieses Unhelden zu glauben.] Ober=Floßz= und Fischmeisterin, dem Herrn Bau=, der weit draußen in den Schären sein vom Schellen¬
poleon will ihn für die „Rettuntstat“ belohnen Berg= und Weginspektors=Substitut und all den geläute der modernen Großstadt und des Literaten¬
22. Der junge Medandus
Fprinzid der eistheitrichen Reise del der Biocum unse1bie Tillsache, dag deses Eunff Hapiere an Bord hal,
gegeben; es hat darauf verzichtet, bei der Frage der die eine neutrale Bestimmung haben, soll zur Ein¬
Eigenschaft von Schiffen fortan die Person desziehung genügen, wenn das Schiff einen feindlichen
—.—
je hoheren Werte kennt als das liebe Ich, als und ihn auch dann noch in Ehren begnadigen, als! andern Honoratioren Krähwinkels aus schmalzig¬
stische Gelüste und Eitelkeiten. Wenn man ihn er gesteht, wie und aus welchen Gründen sie ge=verquollener Kehle ein sentimentales Lied singt...
schehen. Aber Medardus will keine Gnade. Er] Dann aber gab's uns einen um so kräftigeren Ruck:
ersten Akt so daherkommen sieht, in seiner
Ist das der Sinn und die Aufgabe der Kunst, uns
will den Tod Den nutzlosen Tod vor den Gewehr¬
nucken Uniform, den jungen Herrn Medardus
die Gedanken von dem alles überschattenden Er¬
läufen der Füsiliere. Mehr war ihm nicht be¬
hr, ist man wohl einen Augenblick versucht, an
lebnis dieser Monate mit fader Verzerrung unsrer.
schieden.
or Körner zu denken; aber bald schämt man
Art und Unart hinwegzuscheuchen? Nun und
Gerade diese wehrlose Resignation, die dem
des Vergleiches: von entschlossenem Tatenmut
nimmermehr! Wußten wir es noch nicht, daß
Stücke noch in der vorigen Spielzeit den Ruhm be¬
t gar nichts in diesem Zweifler und Zauderer;
sondrer echtmenschlicher Seelenkenntnis eingebracht dieser Kotzebue nicht wert ist, die Fußspitze auf die
ihn in flackernde Bewegung setzt, ist nicht mehr
Schwelle unfrer Tage zu setzen, so wissen wir es
hätte, macht es jetzt vor dem Richterstuhl einer
eine romantisch erhitzte Ehr= und Abenteuersucht,
jetzt. „In die Ecke, Besen, seid's gewesen!“
starken Wirklichkeit stumpf. Sein Wert scheint uns
von dem Dichter mehr willkürlich als charakter¬
Anders liegt die Sache, wenn das Kleine
nur noch von kulturhistorischer Bedeutung, in die
si und überzeugend mit verwegenen Erfindungen
sich ein feines lyrisches Aroma, wie Lavendelduft Theater unsern guten, braven, Louis Angely
Verwickelungen genährt wird. Das erste ist,
aus alten Familientruhen, mischt. Sehr hübsch sind wieder auferstehen läßt. Sein Name schon ruft
Medardurs sich aus einem Vaterlands¬
namentlich die zarten Bilderbogen in Wasser-tröstliche Erinnerungen wach an die klassischen
steidiger in einen Rächer seiner Schwester ver¬
idelt, die gemeinsam mit dem ihr nicht be-malerei, die das freundnachbarliche Bürgerleben Zeiten des Berliner Volkswitzes, und das „Fest
r Handwerker“ und die „Familie
imten Liebhaber in die Donau gegangen ist. aus dem Wien von 1809 illustrieren: den Ein¬
t diesem Liebhaber hat es eine eigne Bewandt=lheimischen werden sie durch ihre liebevolle, unauf= Rüstig“ führen die biedere Tüchtigkeit nicht bloß
dringliche Echtheit noch mehr entzücken als den in ihren Titeln. Es lebt wirklich etwas von der
: es ist ein Prinz, ein Valois, und er hat eine
Fremden. Aber das sind Friedensschönheiten in guten, gesunden Bürgerkraft in ihnen, die Preußen
hwester, die ganz erfüllt ist von dem königlichen
einem Kriegsstück: sie sind „fehl am Orte“, oder ihre und im Grunde doch auch seine vielgeschmähte Haupt¬
icksal und Beruf ihres entthronten Geschlechts.
stadt an der Spree hat groß und mächtig werden
Zeit soll erst wieder kommen.
hindert sie freilich nicht — wie andre Gegen¬
Doch wie? Sehnt sich die vom Schlachtenlärm lassen und es ist fast mehr als ein hübsches Spiel
so liegen bei Schnitzler auch Stolz und
ermüdete Welt nicht gerade jetzt nach solchen des Zufalls, daß der urwüchsige, kernige Maurer¬
Hamlosigkeit, Eis und Feuer eng beieinander —
Friedensseligkeiten aus den Zeiten, da der Groß=lpolier Kluck im „Fest der Handwerker“ mit seinem
dem jungen Medardus, dem Beleidiger ihres
vater die Großmutter nahm? Manchmal will es so geflügelten „Positus, ick setz den Fall“ just so heißt
olzes, nachdem eine Kugel ihres ehenbürtigen
scheinen. Der Zuschauer des gewaltigen Welt= wie einer unserer populärsten Heerführer im Westen.
Erlobten im Duell ihn nur gestreift hat, in dirnen¬
In beiden Stücken wird gesungen, wird viel ge¬
theaters, das sich Tag um Tag vor uns abspielt,
ter Anwundlung hinzugeben. Medardus hat
möchte es abends einmal, wenn die mitleidigen sungen, und es nun mal versöhnt, wenn Spinett
ie ganz besonderen Absichten bei dem Liebesspiel:
Schatten sich auf die Erde senken ganz still und und Geige sich ins Mittel legen. Sie breiten über
nn die Prinzessin ganz die Seine geworden, will
friedlich haben. Da erinnert er sich an Kotzebue die Fröhlichkeit, die uns bezwingt, den Schleier der
hingehen und ihre Schande vor aller Welt aus¬
und seine Pfahlbürgerkomödien, die der liebe Gott wehmütigen Erinnerung und dämpfen unser Lachen
freien. Aber auch dazu bringt er's nicht, teils
il er selbst zu sehr zum Sklaven seiner erotischen von Weimar in seiner großen Güte und Langmutl zu einer Heiterkeit des Herzens, die auch den Tränen
nicht fremd ist.
fühle wird, teils weil er sich von ihr betrogen neben den Werken eines Goethe und Schiller
Weihnachten rückt heran, und mit ihm — kaum
ubt. Denn bald wird ruchbar, daß die stolze duldete, ja sogar zu „Lieblingen des Publikums“
mögen wir's glauben — die Zeit der Kinder¬
werden ließ, und wenn die Kammerspiele des
Elene von Valois als Geliebte Napoleons in
märchenstücke. Wohl uns, wenn ein Dichter, kein
Deutschen Theaters sich und den Schauspielern zur
hönbrunn bei ihm ein= und ausgeht. Nun könnte
schnellfertiger Spekulant und Macher sie uns bringt.
ledardus ja vielleicht auf einem Wege zu seinen Erholung die „Deutschen Kleinstädter“
#den Zielen gelangen, aber kaum daß er die aufführen, so wird der Deutsche von heute, der eine Das erste kam von einem, der sich nicht erst aus¬
keulose erstochen muß er erfahren, daß sie gerade Welt gegen sich in Waffen sieht, für ein Stündchen zuweisen braucht. Wenn wir auch Gustaf as
f dem besten Wege war, den Tyrannen und Biedermeier mit den Biedermeiern, Philister mit] Geijerstam, den vor sechs Jahren verstorbenen
#uber ihres Thrones, eine moderne Judith, in den Philistern. Und er lacht und kreischt wohl gar Schweden, vornehmlich als Kenner, Deuter und
aus vollem Halse, wenn Lucie Höflich, im Gestalter tiefster, in lautloser Stille erbarmungslos
ebesarmen zu erwürgen. So hat er im Gegen¬
übrigen nicht einmal die ergötzlichste unter den dreil geführter Seelenkämpfe schätzen, so wissen wir doch,
l verhindert, was der Zweck und Inhalt seines
„komischen Alten“ zu denen sich nit prächtiger daß es neben dem Meister des zerfasernden Seelen¬
bens sein sollte: Napoleon, dem er Tod und Ver¬
Laune die Schönheiten des Deutscher. Theaters her-Tromans noch einen andern Geijerstam gab, der
rben schwor, lebt durch ihn!... Es heißt zu viel
krlangt, wenn uns nach der Entwirrung solchen In= geben, als Frau Stadt=Akzise=Kassa=Schreiberin leichter den Weg zu der heroischen Epik unsrer Tage
gennetzes zugemutet wird dennoch an den tragiel vor der Frau Unter=Steuer=Einnehmerin, der Fraul gefunden hätte. Es war der Student von Upsala,
en Heroismus dieses Unhelden zu glauben.] Ober=Floßz= und Fischmeisterin, dem Herrn Bau=, der weit draußen in den Schären sein vom Schellen¬
poleon will ihn für die „Rettuntstat“ belohnen Berg= und Weginspektors=Substitut und all den geläute der modernen Großstadt und des Literaten¬