II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 578

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22. Denedardus
leicht, ihrer besonnen. Aber was geschehen ist, geschah mitf lich auch, daß die besten Freuden der Kunst uns nicht aus spurlos da jedes Monschenwe
Notwendigkeit.
dem Stofflichen zuströmen. Aber jene Leute, die damals geht, wie man dieser Lands
Mit einer beständigen inneren Gegenwehr habe ich
nicht Vergangenheit noch Geg
so zornig waren, verachte ich längst nicht mehr.
dieses Buch gelesen, mit dem fortwährenden Vorsatz, es
Zeitlosigkeit doppelt erschütte
Es gibt Dinge, die aus Furcht, aus kluger Feigheit¬
wegzulegen. Dennoch habe ich es immer wieder zur Hand
und wandte mich heimwärts.
niemals gesagt werden. Allein ich glaube, es ist trotzdem
Zuletzt quillt dem arb
genommen, und nichts anderes getan, ehe ich damit en
notwendig, sie dann und wann einmal auszusprechen.“
Ende war. Unablässig war ich dabei bemüht, mich diesen
Beschwichtigung doch imme
Dazu gehört dieses: daß man sich mit fortschreitender Reife
anderer Menschen. Welch
Eindrücken zu verschließen, mich gegen sie zu verriegeln,
krassen, schmerzlichen und tragischen Eindrücken gern ent¬
nun auch dieses Buch von S
an meiner Teilnahme nicht rütteln zu lassen. Und immer
zieht. Daß man den Hang an sich entdeckt, den Anblick
man es in sein Gedächtnis
wieder sprengte dies Buch alle Pforten meines Wesens auf.
Da war, auf dem Rückzug von Moskau, ein junger
glücklicher, zuversichtlicher,
strengrenten den senen aente neen erschust
froh und zuversichtlich macht
Trommler. „Er trommelt nur ein Bruchstück von einem
geformt sind, zu verweigern. Wehleidigkeit? Mag sein;
solch eine lebendige, wirken
Marsch. Die Kälte hat die Hälfte der Takte amputiert. Er
obwohl ich meine, daß man diese Scheu, sich hinzugeben,
sehen. Hier sind Ereignisse,
trommelt sich selbst in die Ewigkeit hinein. Schwächer und
nur deshalb hat, weil man jetzt Menschennot und Menschen¬
ist hier eine Dichtung. Hier
schwächer. Zum Schluß berühren die Schlegel nicht mehr
leid besser versteht als vorher, intensiver miterlebt, quälender
funden Und doch ist hier ei
das Fell. Aber die Schläge schnurren noch wie im Krampf
und wirklicher mitempfindet. Können wir es leugnen, daß
tasie. Nachdem ihr euch die
in seinen Fingerspitzen weiter. Er hört es die ganze Zeit
wir alle miteinander, die wir täglich in den Zeitungen
lange von den Schulmeistern
furchtbare Unglücksfälle, entsetzliche Verbrechen, erschütternde
sie staubtrocken und tot davo
E HTAR uherescht.
Dramen lesen, die wir täglich rings um uns her die über¬
heit laßt euch die Weltgesch
Weiterziehenden mit Füßen getreten, wird verschneit und
wältigende Tragödie der Armut sehen, können wir es
großen Männer nun einmal
stirbt. „Der Schnee modelliert ihn aus dem Dasein hinaus.
leugnen, daß wir alle, wenigstens in der Kunst, mit
Ursprünglich ist es ja auchm
Schließlich ist er für die Tausende, die über ihn stampfen,
unserem Mitleiden und mit unserer Rührung sparsamer
der Schulmeister gewesen, das
nur ein Knoten im Schnee, nur ein Buckel auf dem
werden? Manche werden es sogar im Leben. Nichts ist mir
Jahren Herbert Eulenberg mi
Weg.“ Mit solcher Gewalt der Darstellung, mit solcher Un¬
bezeichnender für die Weltfremdheit mancher Dichter, für
bildern“ den Anfang gemacht
mittelbarkeit der sprachlichen Zeichnung erzwingt sich das
ihre innere Leere und für ihren Mangel an eigenen Schick¬
Dialogseiten den Tiroler B
Buch immer wieder den Zugang zu meinem Innern. Ich
salen, an eigenen Erlebnissen, als wenn sie in ihren
ergreifender vor uns erstehen
mag nun wollen oder nicht.
Werken in Tod und Verderben, in Blut und Entsetzen,
Professorenband es vermöcht
Und ich will wahrhaftig lieber nicht. Aber was hilft in Laster und Greuel schwelgen. Wer ohne die tiefste Not¬
sich ihnen an: mit seinem 18
wendigkeit an Jupiters Donner greift, der kennt euch nicht,
es? Als ich noch ein ganz junger Mensch war, hörte ich!
hundertfeier der Schlacht bei
ihr himmlischen Mächte. Wer es aber aus tiefster Notwen¬
manchmal ältere Leute sagen: das Leben ist ohnehin trau¬
wird die Erinnerung an den
digkeit unternimmt, dem kann sich niemand verweigern.
rig genug; ich will von der Kunst erhoben und erfreut
lum alt, noch ein Jahr später
Als ich das Buch von Sophus Michaelis gelesen hatte,
werden. Damals war gerade die Zeit der naturalistischen
Und dann St. Helena. Und
ging ich ins Freie; die paar Schritte, die man von meinem
Proletarierdramen, jene Leute haben sich gegen die düste¬
von Neipperg. Und der Herz
Hause braucht, um in die Felder zu gelangen. Da lag die
ren Eindrücke, die sie davon empfingen, zornig zur Wehr
bewegten Zeiten entgegen. W
weite Landschaft vor mir hingebreitet und gab mir, wie
gesetzt, und ich habe sie als Banausen gründlich verachtet.
.. Da ist es ratsamer
bist
schon oft vorher, auf den ersten Blick gleich Ruhe und
Ich weiß natürlich auch heute noch, daß es Unsinn ist, zu
von euren Dichtern erzählen.
sagen: ich will erhoben und erfreut werden. Weiß natür= Beschwichtigung. Als ich's aber hier draußen bedachte, wie