eere
fähig wäre.
Daß das Stück in Wien spielt, —
im Wien des Jahres 1809, — ist für
das Gesagte keine zureichende Er¬
klärung. Die Mehrzahl der Dramen
Schnitzlers hat Wien zum Ort der
Handlung und sind doch nicht alle in
Wien bodenständig geworden; ja, einige
(„Der einsame Weg“, „Zwischenspiel“.
„Professor Bernhardi“) haben draußen
im Reich die größere Zugkraft er¬
wiesen. Ist ja überhaupt ein Großteil
der dramatischen Kunstwerke unserer
Literatur eindeutig lokalisiert, ohne da¬
bei in seiner allgemeinsten Publikums¬
wirkung beengt zu sein. „Glaube und
Rundschau
„spezifisch österreichisch“ ist — wann
Heimat“ hat wohl an der Elbe nicht
könnten wir darin bessere Einsicht ge¬
weniger zu erschüttern vermocht als am
winnen, als in dieser prüfsteinharten
Inn.
Zeit. Der letztbezeichnete Typus des
Nein. Wenn „Der junge Medar¬
Österreichertums wird in Schnitzlers
dus“ dem geistigen Bestand Wiens
Stück durch Eschenbacher vorgestellt,
heute inniger verbunden ist als sein
dem jungen Medardus gegenübergestellt.
Schöpfer selbst, und wenn dieses Ver¬
Medardus lebt, wie er ist, er stirbt wie
hältnis in der Literaturgeschichte viel¬
Eschenbacher.
leicht nicht seinesgleichen hat, so ist dies
Oheim und Reffe verbildlichen also
an anderem gelegen. Einmal daran,
die beiden Gefühlsgegensätze, die im
daß Wien nicht bloß der Schauplatz des
Österreichertum enthalten sind. Den
Stückes ist, — wie in anderen Hervor¬
Gegensatz reicher zu gestalten, ander¬
bringungen Schnitzlers —, sondern sein
seits bis zu einem gewissen Grad zu ver¬
Held; zum zweiten daran, daß das
bergen, hat der Dichter ihnen in schier
Stück durch eine unvergleichliche Burg¬
verschwenderischer Fülle Episodenfiguren
theateraufführung, die an Vollkommen¬
beigesellt, die mit den knappsten Mitteln
heit eher zu= als abnimmt, lebendig ge¬
aufs glücklichste differenziert sind, Fi¬
halten wird: ein vergängliches, aber
guren, die auf verschiedenen Höhen der
immer wieder sichtbares Wahrzeichen
sozialen Stufenleiter stehen, wodurch
der Stadt.
die künstlerische Abbreviatur des
Wienertums nahezu allseitig wird.
Wien ist der Held des Spieles.
Und nun ist von einem besonders
Natürlich kann diese Gleichung nur
wichtigen Kunstgriff des Autors zu
auf symbolische Weise Ausdruck finden,
reden: damit dieser ganze wienerische
indem das Abstraktum durch eine
Kompler, in betonter Weise als
Summe von Konkreta ersetzt, Wien in
wienerisch empfunden werde, ist er in
den Wienern abgespiegelt wird. Den
Berührung gebracht mit dem ganz und
jungen Medardus Klähr allein als den
gar wesensfremden, erotischen, völlig
Repräsentanten des „Spezifisch¬
frei erfundenen Erilshof des Herzogs
Wienerischen", (das mit dem „Spezi¬
von Valois. Ich halte es übrigens
fisch=Österreichischen“ nahezu kongruent
für wahrscheinlich, daß im künstlerischen
ist,) anzusehen, wäre gefehlt. Die Ge¬
Entstehungsprozeß der Dichtung Ge¬
stalt seines Oheims Jakob Eschenbacher
stalt und Schicksal der Helene von
hat in der gedanklichen Konstruktion
Valois — Gestalt und Schicksal einer
des Dramas einen ebenbürtig be¬
Frau, die hechmütigen Sinnes ver¬
deutungsvollen Platz angewiesen. Die
meint, die Allherrscherin „Geschlechts¬
Persönlichkeit des Medardus Klähr
liebe“ könne ohne weiteres in den
wurde von Mar Kalbeck, dem hervor¬
Dienst des Willens gestellt werden —,
ragenden Wiener Kunstrichter, dahin
früher feststanden und verdichtet
formuliert, daß er ihn den wienerischen
waren als Gestalt und Schicksal des
Hamlet nannte. Aber die Hamlet¬
männlichen Gegenspielers. Als er daran
natur ist nicht inhaltsgleich mit dem
ging, diesen zu bilden, mag Arthur
Wienertum, dem Österreichertum. Sie
Schnitzler, der repräsentative Schrift¬
ist nur eine, freilich prominente Spiel¬
steller Österreichs, sich seiner Aufgabe
art davon. Aber daß, zieht man diesen
(seiner selbstdiktierten Aufgabe) erinnert
Posten ab, noch ein gut Stück pracht¬
haben, Österreich eine repräsentative
voll aufrechter, obschon an chronischer
Dichtung zu schulden. Er hat also
laborierender
Selbstunterschätzung
Männlichkeit übrigbleibt, die ebenfalls bei dem künstlerischen Unternehmen,
125
fähig wäre.
Daß das Stück in Wien spielt, —
im Wien des Jahres 1809, — ist für
das Gesagte keine zureichende Er¬
klärung. Die Mehrzahl der Dramen
Schnitzlers hat Wien zum Ort der
Handlung und sind doch nicht alle in
Wien bodenständig geworden; ja, einige
(„Der einsame Weg“, „Zwischenspiel“.
„Professor Bernhardi“) haben draußen
im Reich die größere Zugkraft er¬
wiesen. Ist ja überhaupt ein Großteil
der dramatischen Kunstwerke unserer
Literatur eindeutig lokalisiert, ohne da¬
bei in seiner allgemeinsten Publikums¬
wirkung beengt zu sein. „Glaube und
Rundschau
„spezifisch österreichisch“ ist — wann
Heimat“ hat wohl an der Elbe nicht
könnten wir darin bessere Einsicht ge¬
weniger zu erschüttern vermocht als am
winnen, als in dieser prüfsteinharten
Inn.
Zeit. Der letztbezeichnete Typus des
Nein. Wenn „Der junge Medar¬
Österreichertums wird in Schnitzlers
dus“ dem geistigen Bestand Wiens
Stück durch Eschenbacher vorgestellt,
heute inniger verbunden ist als sein
dem jungen Medardus gegenübergestellt.
Schöpfer selbst, und wenn dieses Ver¬
Medardus lebt, wie er ist, er stirbt wie
hältnis in der Literaturgeschichte viel¬
Eschenbacher.
leicht nicht seinesgleichen hat, so ist dies
Oheim und Reffe verbildlichen also
an anderem gelegen. Einmal daran,
die beiden Gefühlsgegensätze, die im
daß Wien nicht bloß der Schauplatz des
Österreichertum enthalten sind. Den
Stückes ist, — wie in anderen Hervor¬
Gegensatz reicher zu gestalten, ander¬
bringungen Schnitzlers —, sondern sein
seits bis zu einem gewissen Grad zu ver¬
Held; zum zweiten daran, daß das
bergen, hat der Dichter ihnen in schier
Stück durch eine unvergleichliche Burg¬
verschwenderischer Fülle Episodenfiguren
theateraufführung, die an Vollkommen¬
beigesellt, die mit den knappsten Mitteln
heit eher zu= als abnimmt, lebendig ge¬
aufs glücklichste differenziert sind, Fi¬
halten wird: ein vergängliches, aber
guren, die auf verschiedenen Höhen der
immer wieder sichtbares Wahrzeichen
sozialen Stufenleiter stehen, wodurch
der Stadt.
die künstlerische Abbreviatur des
Wienertums nahezu allseitig wird.
Wien ist der Held des Spieles.
Und nun ist von einem besonders
Natürlich kann diese Gleichung nur
wichtigen Kunstgriff des Autors zu
auf symbolische Weise Ausdruck finden,
reden: damit dieser ganze wienerische
indem das Abstraktum durch eine
Kompler, in betonter Weise als
Summe von Konkreta ersetzt, Wien in
wienerisch empfunden werde, ist er in
den Wienern abgespiegelt wird. Den
Berührung gebracht mit dem ganz und
jungen Medardus Klähr allein als den
gar wesensfremden, erotischen, völlig
Repräsentanten des „Spezifisch¬
frei erfundenen Erilshof des Herzogs
Wienerischen", (das mit dem „Spezi¬
von Valois. Ich halte es übrigens
fisch=Österreichischen“ nahezu kongruent
für wahrscheinlich, daß im künstlerischen
ist,) anzusehen, wäre gefehlt. Die Ge¬
Entstehungsprozeß der Dichtung Ge¬
stalt seines Oheims Jakob Eschenbacher
stalt und Schicksal der Helene von
hat in der gedanklichen Konstruktion
Valois — Gestalt und Schicksal einer
des Dramas einen ebenbürtig be¬
Frau, die hechmütigen Sinnes ver¬
deutungsvollen Platz angewiesen. Die
meint, die Allherrscherin „Geschlechts¬
Persönlichkeit des Medardus Klähr
liebe“ könne ohne weiteres in den
wurde von Mar Kalbeck, dem hervor¬
Dienst des Willens gestellt werden —,
ragenden Wiener Kunstrichter, dahin
früher feststanden und verdichtet
formuliert, daß er ihn den wienerischen
waren als Gestalt und Schicksal des
Hamlet nannte. Aber die Hamlet¬
männlichen Gegenspielers. Als er daran
natur ist nicht inhaltsgleich mit dem
ging, diesen zu bilden, mag Arthur
Wienertum, dem Österreichertum. Sie
Schnitzler, der repräsentative Schrift¬
ist nur eine, freilich prominente Spiel¬
steller Österreichs, sich seiner Aufgabe
art davon. Aber daß, zieht man diesen
(seiner selbstdiktierten Aufgabe) erinnert
Posten ab, noch ein gut Stück pracht¬
haben, Österreich eine repräsentative
voll aufrechter, obschon an chronischer
Dichtung zu schulden. Er hat also
laborierender
Selbstunterschätzung
Männlichkeit übrigbleibt, die ebenfalls bei dem künstlerischen Unternehmen,
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