II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 613

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fung anstrebt. Er hat sich auch bemüht, Napoleons realer Erschei¬
nung, auf die er nicht verzichtet, durch Silhouetten- und Emblem¬
bilder zu einer Symbolexistenz zu verheifen, die von der unsicht¬
baren Allgegenwart des Korsen im Bühnenstück einen Begriff ver¬
mittelt. Dafür bleibt die in viener Luft sich so seltsam mischen¬
de Atmosphäre des legitimistischen Prätendententums zu nebel-
haft. Das Endschicksal des Marquis von Valois ist für den Zu¬
schauer nicht so gleichgültig vie für Prinzesein Heiene
Kertész versteht es, Massenszenen zu meistern und bringt
alle Schlachtenbilder mit nüsternblähendem Elan, der sogar zu
wirklichen Unfällen bei Aufnahnen geführt hat. Dann einen ange¬
staunten Auf bau Alt-Viens, eine aufs glücklichste gefundene Li¬
nie andeutender Stilisierung in den Innenaufnahmen der Valois¬
szenen (Architekten: Berger und J. Borsody, welch letzterer mit
Gustav Ucicky auch für die Photographie zeichnet). Neben ins
Auge gehenden Bildmalereien vie das Due 11 bei Fackelschein, die
Triesartige Friedhofsgruppe, die kleine Bildverdunkelung bei
vor Napoleon sich beugenden Rücken und Eschenbachers Füsilierung
auf hoher Schanze aber auch die geschmacklose Nachbildung des
betenden Franz Josef I., die hofzeremoniel1e Unmöglichkeit der
Ge schenküberreichung beim Cerdle, der reglementsvidrige Diskurs
zwischen Vachposten und Leutnant, die einen Aktschluß zierende,
gerade dem Genie des Gamaschenknopf's gegenüber undenkbare Gsmüt¬
lichkeit des derdisten und die verunglückte Sternennacht, Statt
der überf lüssigen Lannes-Episode vermißt man die Herausarbei-
tung der schlachtenentscheidenden Episode des Regimentes Zach,
die — von Fernkorns Hand - jedes Kind kennt.
Michael Varkonyi als ledardus überzeugt nur in dramat i¬
schen Momenten. Die feinere Psychologie, der hamletische Zug des
Racheverzögerers bleibt in den Titeln stecken, die sich - unter
persönlicher Beteiligung Schnitzlers — mit großer Vortehrfurcht
des Urtextes bedienen. Schade, daß Ferd. Onno über den ledardus
seines Repertoires schon hinausgereift ist; als Marquis war er