II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 616

22. Denjunge Medandus
Großer Erfolg von Schnitzlers
„Medardus“=Film im
Auslande.
Der Sascha=Film „Der junge
Medardus“ von Arthur Schnitzler hat
in fast allen großen Städten des Auslandes
einen sehr bedeutenden Erfolg errungen, ganz
besonders in London, wo kürzlich im Opera¬
House, das seit 1½ Jahren ein Riesenkino
mit einem Fassungsraum für 3000 Personen
besitzt, die Pressevorführung stattfand. Die
Londoner Kritik rühmt dieses hervorragende
österreichische Erzeugnis der Sascha=Filmgesell¬
schaft und die glänzende Regie von Michael
Kertesz. Auch ein zweiter Großfilm der
Sascha, „Sodom und Gomorrha, der
gleichfalls von Michael Kertesz inszeniert ist,
läuft seit drei Wochen ununterbrochen im
Londoner Music=Hall.
Dr. Max Goldschmict
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N 4
Husschnitt aus:
Hannoverscher Courier
2 5 Jan 1925
Dem Schnshlerschen Roman „Der junge Me¬
dardus“ ist auch eine filmische Bearbeitung zuteil geworden,
und zwar hat das historische Milieu dieser, in Napoleons
Dunstkreis sich begebenden, Tragödie einen Großfilm ersten
Ranges bedingt. Quantitativ zum mindesten scheint die Auf¬
gabe, Napoleon im Mittelpunkt seiner Macht und seiner
Siege zu gestalten, gelungen, während es mehr oder weniger
problematisches Bemühen bleibt, das rein Menschliche im Schick¬
sal des jungen, franzosenfeindlichen Studenten Medardus Klähr
neben der fast erdrückenden Wucht napoleonischer Subjekts¬
sphäre aufzuzeigen. Es ist immer nur ein Versuch, und
in seiner mehr oder weniger gelungenen Ausführung immer nur !
ein Verdienst der Schauspieler, wenn hier eine menschlich=er¬
schütternde Fabel in den Nahmen einer, vom heutigen Stand¬
punkt aus als starres, autoritäres Gebilde gesehenen Historie
gestellt wird, in der Napoleon nicht viel mehr als statistische
Funktionen zu erfüllen hat. Daß die schauspielerische und
damit die filmpsychologische Aufgabe verhältnismäßig gut ge¬
löst wurde, liegt zu größtem Teile gewiß im künstlerischen
Format der Hauptdarsteller, Gräfin Agnes Ester¬
hazy als Prinzessin Helene von Valois und Michael Var¬
kony als Medardus Kähr begründet, zum andern aber, und
das ist außerordentlich interessant, — weil dieser Wert einem
Unwert gegenübersteht, und das ist die Gestalt Napoleons, die
von Michael Xantes in Maske und Spiel nicht glücklich
porträtiert war. Die Regieführung unter Michael Ker¬
tecz gehört einer älteren barocken Technit an, die sich allen¬
falls mit napoleonischem Stil rechtfertigen ließe, im ganzen
aber einer modernen Einstellung nicht recht entspricht, da wir
gelernt haben, geschichtliche Begebenheiten in zeitperspektivis
schem Sinne zu sehen.
„ „„
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(6 V.075 „Der junge Medardus.“ I“ (41
*
u. 2. Kurfürstendamm. Pan¬
Wer will es leugnen, daß Schnitzlers selten gespieltes Schauspiel
„Der junge Medardus“ Stoff für einen wirksamen Film abgibt?
Ladislaus Vajda hat sich daran gemacht, die romantische Liebes¬
geschichte Napoleons aus dem Werk des geistreichen Dichters heraus¬
zuschälen und, vermengt mit historischen Begegebenheiten, ein Manu¬
skript zu schaffen, wie es der Film verlangt. Und doch bleibt es ein
Experiment. Schnitzlers überlegene Kunst der Dramengestaltung nun
zu der primitiven Verquickung von brutaler Politik und zärlicher
Empfindsamkeit umzuformen. Das patriotische Werk des Wiener
Dichters spielt zur Zeit der Bedrängung seiner Vaterstandt durch
Napoleon. Wie der Friede zwischen Paris und Wien .1806 zustande
gekommen, welche Verdienste darum dem jungen Medardus gebühren.
berichtet das Drama, das zu einem Heldenstück geworden ist, zu einem
Heldenstück, wie es ein ähnliches Schnitzler nachdem nimmer ge¬
schrieben.
Wer will es leugnen, daß die Persönlichkeit Napoleons, der leib¬
haftig mitagiert, eine pikante Anziehungskraft auf das Publikum
besitzt? Nun wird er gar in seinen intimsten Liebesangelegenheiten
kompromittiert, ein Unterfangen, das seines Erfolges steis gewiß ist.
Die schöne Gräfin Esterhazy verkörpert die einzige be¬
deutende Frauengestalt mit so viel frischer Natürlichkeit und so
fvischem Temperament, daß ihr gar ein Napoleon nicht zu wider¬
stehen vermag. Den heldenhaften Medardus spielt Michael Nor¬
kony mit dem Fanatismus, der solchen Draufgängern innewohnt.
Michael Szantho sucht den napoleonischen Gesichtsausdruck
wiederzuspiegeln. So weich allerdings dürfte Bonaparte nimmer
gewesen sein. Man möchte ihm sonst seine Taten beinahe nicht
glauben.
Wer will es leugnen, daß Michael Kertesz weiß, wie die
Zuschauer beim Anblick von Heer und Fahnen in Enthusiasmus aus¬
brechen. Im U. T. Kurfürstendamm läuft zwar der Film vom Re¬
gierungsantritt Hindenburgs. Daß die Gemüter, auf die patriotische
Walze eingespielt, nun auch bei einer historischen Parade der Oester¬
reicher Beifall spenden — wer will es etwa leugnen?
H. A.
Der junge Medardug,
Im A. T. Kurfürstendamm.# 13
Anklänge an Arthur Schnitzler. Aber nicht
viel mehr als das. Denn der junge Medardus
wird in seinem neuen Habitus zum typischen
„Filmhelden“ gestempelt, wie ihn sich Schnitz¬
ler, als er 1910 sein historisches Drama schrieb,
sicher nicht vorgestellt hat. unklar in seinem
Wollen, schwankend, ohne Linie und Kraft. Der
Filmbearbeiter, Ladislaus Vayda, hat aber
nicht nur den Medardus, sondern auch die
Charakterzüge der übrigen Figuren vollends
verwischt, indem er sie dem Film dienstbar zu
machen versuchte Durchwegs Geschöpfe, die
nicht Fleisch, nicht Fisch sind.
Eine Liebesgeschichte, mit Napoleon im
Hintergrund. Ein wenig kompliziert und un¬
klar in den Motiven.
Was aber den Film dennoch sehenswert
macht, sind die vielen lebhaft bewegten Szenen¬
bilder aus der „Schlacht bei Aspern“. Packende
Kavallerie=Attacken, von starkem Temperament
getragene Sturmangriffe, Kampf und Abwehr
in wirkungsvollem Wechsel. In diesen Szenen
erscheint auch der sichtlich große Kostenaufwand,
mit dem dieser Film hergestellt wurde, nicht
nutzlos vertan. Schade nur, daß Photographie
und Beleuchtung ebenfalls nicht den Ansprüchen
genügen, die der Kinobesucher von 1925 an
beide zu stellen gewohnt ist.
Gräfin Agnes Esterhazy fesselt durch ihr
hübsches Profil, das ebenso wie der nicht un¬
sympathische Kopf ihrs Partners Parkony
immer und immer wieder in Großaufnahme auf
der Leinwand erscheint. Daß hierbei, ganz sinn¬
widrig, fast ausnahmslos — natürlich der besse¬
ren „Wirkung“ halber — ein glatter schwarzer
Hintergrund genommen wird, wenn auch die
Szene in einem Zimmer mit heller Wand, vor
einem Leuchter oder gar im Freien spielt, scheint
nur den Regisseur nicht gestört zu haben.
Immerhin folgte das Publikum den mit ver¬
schwenderischen Mitteln ausgestatteten Szenen,
die in der Wagschale der Entscheidung für den
Erfolg den Ausschlag gaben.
Dr. Kurt Mühsam.
3. 5. am tittag. „