II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 620

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22. Derjunge Redands
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vom:
-8.NAl 1932

als Heldentum aus, und der zuerst von vaterländischem
„Der junge Medarduse
Eifer Beseelte wird endlich ganz von seinen Trieben
verschlungen. Tragisch=ironisch die Auflösung, da Me¬
Neu einstudiert im Burgtheater
dardus Napoleon ermorden möchte und die Geliebte
Die dramatische Historie Artur Schnitzlers aus
niedersticht. Sie aber, kalt, hart und doch von seiner
dem Wien von 1809 rollt eine Fülle von Menschen
Glut besiegt, kennt ihn in dem vornehmen Kreis ihres
und Schicksalen auf, wie sie nicht oft in einem
Hauses nicht, und das war der Höhepunkt von Ebbal
Theaterstück zu finden ist, mit großer Kunst werden
Johannsens Darstellung, da sie ihn, in dessen Armen
die privaten Leidenschaften des Bürgersohnes Medardus
sie gelegen, mit bannenden Blicken lähmt, entwaffnet,
Klähr in die welthistorischen Geschehnisse hineinver¬
hinauszwingt. Nicht Neigungen beherrschen sie, son¬
sponnen. Es ist reizvoll und dichterisch fein, wie eigent¬
dern Macht begehrt sie, hochmütig duckt sie den Ge¬
lich Napoleon im Mittelpunkt steht, aber niemals sicht¬
liebten und schreit ihm doch heischend ihre Liebe ins
bar wird, wie alles zu ihm hinströmt und manches
Gesicht. Man glaubt Frau Johannsen die Prinzessin
von ihm bewegt wird. Die höchste Leistung bei der
(die früher Else, Wohlgemuth gegeben hat), und sie
gänzlich erneuten Vorstellung bietet Lotte Medelsky,
sricht auch die Monologe, die merkwürdigerweise in
die Mutter des Medardus und der Agathe, die sich
diesem Stück nicht selten sind, mit einer selbstverständ¬
von stillem Dulden allmählich bis zum höchsten tragi¬
lichen Sicherheit. Tief menschlich, von ihrem Schmerz
schen Ausbruch steigert. Gleich neben ihr ist Elisabeth
ergriffen Anna Kallina als Herzogin. Prachtvoll
Ortner=Kallina als Agathe zu nennen, nur eine
der blinde Herzog Georg Reimers, wahrhaft ein
kleine Rolle, denn sie geht schon am Ende des ersten
König im Exil, der von seinen Träumen lebt. Feiner
Bildes mit ihrem Geliebten, dem Prinzen von Valois
und französischer als bei den meisten Franzosen wird
(den Karl Eidlitz mit Anmut und elegischer Ver¬
in seinem Hause konversiert, aber es ist eine (vermut¬
liebtheit darstellt) ins Wasser, aber in dieser einen ihr
lich schon öfter bemerkte) historische Unmöglichkeit, daß
gehörigen Szene findet Frau Ortner ganz innige Töne
die Valois gegen Napoleon Ränke schmieden, sie sind
der Liebe und der Todesentschlossenheit.
schon 1672 ausgestorben.
Den Medardus gab zum erstenmal Alfred Lohner,
Auf dem Theaterzettel stehen sechsundsiebzig Namen,
die Rolle ist in ihrer jugendlichen Chaotik nicht leicht
man kann nicht allen Mitwirkenden gerecht werden.
herauszubringen. Lohner hatte manchen starken, auf¬
Eine schöne, hilfsbereite Freundesgestalt der lahme Etzelt
brausenden, scharf losfahrenden und wieder liebens¬
des Herrn Emmerich Reimers, eine gute Episode der
würdigen Moment, daneben freilich Konventionelles,
verbitterte Arzt Arndts, ein phrasenloser, heimattreuer
ganz zu überzeugen vermochte er nicht. Dazu kommt
Wiener Bürger Maierhofer, Wawra eine unermüdliche
noch, daß auch nicht eine Spur der Wiener Sprache
männliche Bezirkstratschen, Straßni der Dreiund¬
in seinem Munde wohnt, während alles rundherum
neunzigjährige, Maria Kramer, das einfach=kindliche
doch wenigstens in Anklängen den Ort festhält. Das
Mädchen, Blankg Glossy die neugierige Frau, die über¬
Seelische, das zwischen ihm und der Prinzessin schwebt,
all dabei sein muß, Huber der wetterwendische
ist Haßliebe, von beiden Seiten Liebe und von beiden
Denunziant. Auf der anderen Seite das nette Kammer¬
Seiten Haß. Er möchte sie, die seine Schwester in den
mädchen der Frau Mayen, der vornehme Marquis des
Tod getrieben hat, der öffentlichen Schande preisgeben Herrn Hennings, der skeptische Arzt Heines, Höbling,
und wird doch von einer wilden Eifersucht besessen, ein napoleonischer General in guter Haltung. Die Bilder:
da sie sich am Tag ihrer ersten Liebesbegegnung mitGeylings sind von früher her bekannt, am hübschesten!
einem anderen verlobt. Es ist ein reiches, echt schnitz= das Barockschlössel, in dem die Valois hausen, und
lerisches seelisches Gewirre. Was Medardus tut, wird die Schönbrunner Hoffassade. Herterich führte die
von den Seinigen falsch gedeutet, Rache legen sie ihm komplizierte Regie. Das Publikum wollte nicht warm
werden, alles wirkte ein bißchen langatmig und er¬
müdend. Man hat die Historien satt.
E. L.
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