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lästige geistige Verpflichtungen.
Der sehr verspätete Gedächtnisabend
für Arthur Schnitzler mußte dem Burg¬
theater nämlich erst freundschaftlich abge¬
nötigt werden Dafür hat man 's uns jetzt
gründlich gezeigt. Uns und Arthur Schnitz¬
ler. Zerknirscht verließ man die Auffüh—
rung noch vor Schluß. Besseres und
Würdigeres war nicht zu tun.
Welch eine Aufführung! (Der Demon¬
stration zweiter Teil!) Schon diese Flicken¬
und Fetzen=Inszenierung verriet die lieb¬
lose Hand und überdies eine aufreizende
Gleichgültigkeit. Hofrat Herterich hätte als
Regisseur — obzwar er begreiflicher Weise
vom Kleinkrieg des Burgtheaters genug
hat
— mehr Proben, ein paar Ueber¬
malungen und einige Besetzungsfreiheit
fordern sollen. Der Besetzungsschlendrian,
namentlich bei den kleineren Episoden,
macht nämlich erschreckende Fortschritte.
Auch sieht es, wenn die Freiwilligen
des Erzherzogs Karl dann in friedlicher
Uniform wiederkehren, doch gar zu sehr
nach St. Pölten aus. (Den Vergleich mit
Krems hat mir mein Freund Aslan schon
vor Jahren untersagt.)
Und doch gelang der Beweis daneben.
Der „Medardus“, diese Revue aphoristi¬
scher Erschütterung, ist noch immer jung als
große Theatermagie eines Schicksalsdichters
des Blutes, der Nerven und der hold und
heiß umschatteten Ironie. Nur die listig
sanfte Technik dieser Dämmerszenen scheint
heute ein wenig Rokoko. Hier wäre eine
Regieaufgabe. Ein Temperamentsproblem.
Ein nicht nur technisches Zauberkunststück.
Seelisch nämlich, psychologisch, beinahe;
psychoanalytisch ist nichts moderner als
dies Spiel mit unausgesprochenem Witz
und Wahn des geheimsten Oesterreich. Das
Burgtheater hat aber auch psychologisch
nur die alten, verschlissen wackelnden
Kulissen aufgestellt.
Dabei tragen, obzwar auch die Haupt¬
besetzung schmächtiger, blutdünner gewor¬
den ist, die Schauspieler keine Schuld. Ein
paar Säulen ragen immerhin: Georg
Reimers als alter blinder Herzog Valois,
jeder Zoll starres und stärkstes ancien
regime. Herr Heine als sein Haus= und
Hosarzt voll feinster sarkastischer Salbung.
Herr Hennings als Marquis schmal, aber
straff im Ton, Herr Marr als französischer
Oberst von sonorer Delikatesse, Frau
Medelskys Mutter Klähr, eine Gestalt, die
Saft und Kraft und herzhaft trockene
Tränen zeigt.
Da hat schon manches persönlichstes
Format. Aber es hängt beängstigend im
leeren Raum. Ist zu keinem auch nur be¬
scheiden glänzenden Ensembleton gefügt.
Die grausame legitimistische Erotikerin
Prinzessin Helene etwa spielt jetzt Ebba
Johanssen mit reizvoll fischblütiger, katzen¬
haft unnahbarer Grazie. Aber diese kühle
Flamme lodert einsam.
Vor allem fehlt — dem deutschen
Theater überhaupt — ein junger Hart¬
mann, der endlich den Medardus gestalten
müßte. Herr Lohner, nun schon seit ein¬
einhalb Jahrzehnten eine Hoffnung, flackert,
aber flammt nicht. Er hat schöne und sehr
stille Momente, ein Schwärmerfunkeln im
unermüdlich irrenden Auge. Es reicht bis
zum Werther=Weltschmerz, weiter nicht.
Seltsamen Ratschluß gab die Rolle des
sarkastisch aufrechten Eschenbacher an Herrn
Mayerhofer. Er zieht sich, mit leidlich ver¬
und verwackelt. (Gegenbeispiel: Straßnts
fen ließ.
gigantisch gespenstischer „uralter Herr“.)
Keine Sorge, das Burgtheater wird,
Schnitzler, keineswegs verwöhnt durch würdiger und ehrfurchtsvoller, auf den
Pietätsbeweise, wirds überstehen. Der
„Medardus“ zurückkommen. Oder es wird
„Medardurs“ schor gar. Er ist Arthur nicht mehr das Burgtheater sein.
Schnitzlers „Peer 6ynt“. Das Epos von
Ludwig Ullmann.
lästige geistige Verpflichtungen.
Der sehr verspätete Gedächtnisabend
für Arthur Schnitzler mußte dem Burg¬
theater nämlich erst freundschaftlich abge¬
nötigt werden Dafür hat man 's uns jetzt
gründlich gezeigt. Uns und Arthur Schnitz¬
ler. Zerknirscht verließ man die Auffüh—
rung noch vor Schluß. Besseres und
Würdigeres war nicht zu tun.
Welch eine Aufführung! (Der Demon¬
stration zweiter Teil!) Schon diese Flicken¬
und Fetzen=Inszenierung verriet die lieb¬
lose Hand und überdies eine aufreizende
Gleichgültigkeit. Hofrat Herterich hätte als
Regisseur — obzwar er begreiflicher Weise
vom Kleinkrieg des Burgtheaters genug
hat
— mehr Proben, ein paar Ueber¬
malungen und einige Besetzungsfreiheit
fordern sollen. Der Besetzungsschlendrian,
namentlich bei den kleineren Episoden,
macht nämlich erschreckende Fortschritte.
Auch sieht es, wenn die Freiwilligen
des Erzherzogs Karl dann in friedlicher
Uniform wiederkehren, doch gar zu sehr
nach St. Pölten aus. (Den Vergleich mit
Krems hat mir mein Freund Aslan schon
vor Jahren untersagt.)
Und doch gelang der Beweis daneben.
Der „Medardus“, diese Revue aphoristi¬
scher Erschütterung, ist noch immer jung als
große Theatermagie eines Schicksalsdichters
des Blutes, der Nerven und der hold und
heiß umschatteten Ironie. Nur die listig
sanfte Technik dieser Dämmerszenen scheint
heute ein wenig Rokoko. Hier wäre eine
Regieaufgabe. Ein Temperamentsproblem.
Ein nicht nur technisches Zauberkunststück.
Seelisch nämlich, psychologisch, beinahe;
psychoanalytisch ist nichts moderner als
dies Spiel mit unausgesprochenem Witz
und Wahn des geheimsten Oesterreich. Das
Burgtheater hat aber auch psychologisch
nur die alten, verschlissen wackelnden
Kulissen aufgestellt.
Dabei tragen, obzwar auch die Haupt¬
besetzung schmächtiger, blutdünner gewor¬
den ist, die Schauspieler keine Schuld. Ein
paar Säulen ragen immerhin: Georg
Reimers als alter blinder Herzog Valois,
jeder Zoll starres und stärkstes ancien
regime. Herr Heine als sein Haus= und
Hosarzt voll feinster sarkastischer Salbung.
Herr Hennings als Marquis schmal, aber
straff im Ton, Herr Marr als französischer
Oberst von sonorer Delikatesse, Frau
Medelskys Mutter Klähr, eine Gestalt, die
Saft und Kraft und herzhaft trockene
Tränen zeigt.
Da hat schon manches persönlichstes
Format. Aber es hängt beängstigend im
leeren Raum. Ist zu keinem auch nur be¬
scheiden glänzenden Ensembleton gefügt.
Die grausame legitimistische Erotikerin
Prinzessin Helene etwa spielt jetzt Ebba
Johanssen mit reizvoll fischblütiger, katzen¬
haft unnahbarer Grazie. Aber diese kühle
Flamme lodert einsam.
Vor allem fehlt — dem deutschen
Theater überhaupt — ein junger Hart¬
mann, der endlich den Medardus gestalten
müßte. Herr Lohner, nun schon seit ein¬
einhalb Jahrzehnten eine Hoffnung, flackert,
aber flammt nicht. Er hat schöne und sehr
stille Momente, ein Schwärmerfunkeln im
unermüdlich irrenden Auge. Es reicht bis
zum Werther=Weltschmerz, weiter nicht.
Seltsamen Ratschluß gab die Rolle des
sarkastisch aufrechten Eschenbacher an Herrn
Mayerhofer. Er zieht sich, mit leidlich ver¬
und verwackelt. (Gegenbeispiel: Straßnts
fen ließ.
gigantisch gespenstischer „uralter Herr“.)
Keine Sorge, das Burgtheater wird,
Schnitzler, keineswegs verwöhnt durch würdiger und ehrfurchtsvoller, auf den
Pietätsbeweise, wirds überstehen. Der
„Medardus“ zurückkommen. Oder es wird
„Medardurs“ schor gar. Er ist Arthur nicht mehr das Burgtheater sein.
Schnitzlers „Peer 6ynt“. Das Epos von
Ludwig Ullmann.