TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Diestunde, Wien
-8. WAl 1932
vom:
Wieder: „Der junge
über die Bühne, Herr Arndt spielt die tra-Tlich und schön eine wirkliche Valols ge¬
Nedardus.
gische Szene des Arztes delikat, und Mariawesen ist. Bei Frau Johannsen bleibt alles
Im Burgtheater
Kramer zeigt ein reizendes Wiener Jung-im Damenhaften. Aber verbürgerlicht. Stolz
mädchenprofil, ein richtiges Gesichterl.
und unnahbar. Aber nicht mehr in diesen
Es sollte eine Schnitzler-Feier werden, es
Bei den Valois ist vieles beim alten ge-Graden. Frau Johannsen ist vielleicht
blieb bei einer-Seintezter-Reprise. Kaum
blieben. Gott sei Dank ist Georg Reimers! moderner. Aber zu der Helene von Schnitz¬
Neustudierung bis auf ein paar Rollen, die
noch immer der blinde Herzog, auch ohne
ler gehört das adelige Blut. Das ist nicht
neue Gesichter jüngerer Menschen trugen.
Augenlicht ein König seiner Familie und
zu spielen. Die Wohlgemuth war das Denk¬
Wer weiß, ob es überhaupt Zweck gehabt
Fred Hennings, der Marquis von Valois hat
mal der Helene von Valois.
hätte, mit den alten Medardus-Dekorationen
die Noblesse des Exterieurs und die sprach¬
Hofrat Herterich hatte bei Medardus
etwas schauspielerisch Neues zu unter¬
liche Distinktion der Gestalt. Auch den
nachgesehen. Das kleine Wirtshaus an der
nehmen oder den Medardus in eine frische
Doktor Assalagny hat Albert Heine behal¬
Donau war lebendiges Burgtheater, aber
Umgebung zu stellen. Denn wahrscheinlich iten. So ist auch die meisterliche Type ge¬
Burgtheater. Temperierter Jugendlärm.
kann man gerade diesen Schnitzler nur so
blieben. Die Nerina parliert Marie Maven
Während es auf der Bastei und in Schön¬
spielen, wie er ehemals in besseren Burg¬
mit leicht französischem Akzent und Ebbal brunn noch gemächlicher zuging als früher
theaterzeiten gespielt wurde, dieses wiene¬
Johannsen spielt die Helene aus dem Be- einmal. Keine Schnitzler-Feier. Schnitzler¬
rische Dichteraquarell verträgt keine kräf¬
sitz Else Wohlgemuths, die hochherrschaft- Reprise.
Siegfried Geyer.
tigeren Farben, die Tragikomödie des
—
—
rebellischen Asthetentums geht sanft-herbst¬
lich einher. Anatols Großvater zieht in den
Krieg. Dabei muß man es schon lassen.
Arthur Schnitzlers Kanonen gehen nicht
ernsthaft los, unwirklich pappendeckelfest!
stehen sie auf der Bastei, aber seiner Men¬
schen Herzen geben unentwegt Salutschüsse
ab und das Schicksal salutiert.
Liebelei in ernsten Zeiten, die den Tod
in Permanenz erklären, sinnloses, dummes
Zufallssterben von der Tiefengrazie Schnitz¬
lerischer Dialoge umsponnen. Wienertum
vielerlei Schattierung wird von Figurinen
der Vergangenheit umkleidet, Hysterie mit
Märtyreranmut und Gesinnung, helden¬
mütiges Wiener Gewerbe, Aristokraten¬
stolz, der noch im Hinsinken Haltung und
Noblesse wahrt, Unwirklichkeit schöner
Dämmerungen um geschichtliche Daten. Wie
weit, wie weit ist das alles.
ussenensemhle Sokoloft!
Kaukasien-Bar, I., Dorothoerg. 14.
Diese respektvollen Jahreszahlen, von
einem Dichter diktiert, gemütlich ver¬
tratschte Lokalfarbe, aufgescheuchte Wiener
Menschen, die sich versammeln, disputieren,
erstaunt sind, zuschauen wollen, egal, ob es
die Leich’ von einem General ist oder die
einer Epoche! Nachträgerisch, gutmütig,
musikalisch, Revolutionäre des Gefühls, so
marschieren spazierengehend die Medardus¬
Wiener heute vorüber, und ihr Held, der
nie einer war, Medardus Klähr, wird auch
durch den österreichisch-zarten und liebwer¬
ten Alfred Lohner keiner. Ein junger Mann
aus guter Familie, verzärtelt und verspielt,
durch Krieg, Liebe und Politik in die Ver¬
wegenheit eines Abenteuers getrieben und
schön in der Verantwortung einer Idee, die
im Grunde nichts war als ein Rausch. Herr
Lohner spielt das ohns Flamme, aber in
anständigem Gefühlston. Und um Lotte
Medelskys Buchhändlerswitwe Klähr ist
hohes Muttertum einer Wiener Frau, der der
Himmel allerhand beschert und aufzulösen
gibt. Und in Herrn Maierhofers Eschenbacher
wohnt die Ehrenhaftigkeit einer gutbürger¬
lichen Existenz, der brave Österreichertrotz,
der im Ernstfall nicht anders kann. So
zeichnet auch Emmerich Reimers den Etzel
mit sanfter Besessenheit des Intellektuellen,
und Walter Hubers Wachshuber trägt die
wienerischen Farben vom Gschaftelhuber¬
tum, Intrige und Rederei. Die Bürger und
Soldaten können sich sehen lassen. Herr
Straßni als der Neunzigjährige spenstert
Ausschnitt aus:
Diestunde, Wien
-8. WAl 1932
vom:
Wieder: „Der junge
über die Bühne, Herr Arndt spielt die tra-Tlich und schön eine wirkliche Valols ge¬
Nedardus.
gische Szene des Arztes delikat, und Mariawesen ist. Bei Frau Johannsen bleibt alles
Im Burgtheater
Kramer zeigt ein reizendes Wiener Jung-im Damenhaften. Aber verbürgerlicht. Stolz
mädchenprofil, ein richtiges Gesichterl.
und unnahbar. Aber nicht mehr in diesen
Es sollte eine Schnitzler-Feier werden, es
Bei den Valois ist vieles beim alten ge-Graden. Frau Johannsen ist vielleicht
blieb bei einer-Seintezter-Reprise. Kaum
blieben. Gott sei Dank ist Georg Reimers! moderner. Aber zu der Helene von Schnitz¬
Neustudierung bis auf ein paar Rollen, die
noch immer der blinde Herzog, auch ohne
ler gehört das adelige Blut. Das ist nicht
neue Gesichter jüngerer Menschen trugen.
Augenlicht ein König seiner Familie und
zu spielen. Die Wohlgemuth war das Denk¬
Wer weiß, ob es überhaupt Zweck gehabt
Fred Hennings, der Marquis von Valois hat
mal der Helene von Valois.
hätte, mit den alten Medardus-Dekorationen
die Noblesse des Exterieurs und die sprach¬
Hofrat Herterich hatte bei Medardus
etwas schauspielerisch Neues zu unter¬
liche Distinktion der Gestalt. Auch den
nachgesehen. Das kleine Wirtshaus an der
nehmen oder den Medardus in eine frische
Doktor Assalagny hat Albert Heine behal¬
Donau war lebendiges Burgtheater, aber
Umgebung zu stellen. Denn wahrscheinlich iten. So ist auch die meisterliche Type ge¬
Burgtheater. Temperierter Jugendlärm.
kann man gerade diesen Schnitzler nur so
blieben. Die Nerina parliert Marie Maven
Während es auf der Bastei und in Schön¬
spielen, wie er ehemals in besseren Burg¬
mit leicht französischem Akzent und Ebbal brunn noch gemächlicher zuging als früher
theaterzeiten gespielt wurde, dieses wiene¬
Johannsen spielt die Helene aus dem Be- einmal. Keine Schnitzler-Feier. Schnitzler¬
rische Dichteraquarell verträgt keine kräf¬
sitz Else Wohlgemuths, die hochherrschaft- Reprise.
Siegfried Geyer.
tigeren Farben, die Tragikomödie des
—
—
rebellischen Asthetentums geht sanft-herbst¬
lich einher. Anatols Großvater zieht in den
Krieg. Dabei muß man es schon lassen.
Arthur Schnitzlers Kanonen gehen nicht
ernsthaft los, unwirklich pappendeckelfest!
stehen sie auf der Bastei, aber seiner Men¬
schen Herzen geben unentwegt Salutschüsse
ab und das Schicksal salutiert.
Liebelei in ernsten Zeiten, die den Tod
in Permanenz erklären, sinnloses, dummes
Zufallssterben von der Tiefengrazie Schnitz¬
lerischer Dialoge umsponnen. Wienertum
vielerlei Schattierung wird von Figurinen
der Vergangenheit umkleidet, Hysterie mit
Märtyreranmut und Gesinnung, helden¬
mütiges Wiener Gewerbe, Aristokraten¬
stolz, der noch im Hinsinken Haltung und
Noblesse wahrt, Unwirklichkeit schöner
Dämmerungen um geschichtliche Daten. Wie
weit, wie weit ist das alles.
ussenensemhle Sokoloft!
Kaukasien-Bar, I., Dorothoerg. 14.
Diese respektvollen Jahreszahlen, von
einem Dichter diktiert, gemütlich ver¬
tratschte Lokalfarbe, aufgescheuchte Wiener
Menschen, die sich versammeln, disputieren,
erstaunt sind, zuschauen wollen, egal, ob es
die Leich’ von einem General ist oder die
einer Epoche! Nachträgerisch, gutmütig,
musikalisch, Revolutionäre des Gefühls, so
marschieren spazierengehend die Medardus¬
Wiener heute vorüber, und ihr Held, der
nie einer war, Medardus Klähr, wird auch
durch den österreichisch-zarten und liebwer¬
ten Alfred Lohner keiner. Ein junger Mann
aus guter Familie, verzärtelt und verspielt,
durch Krieg, Liebe und Politik in die Ver¬
wegenheit eines Abenteuers getrieben und
schön in der Verantwortung einer Idee, die
im Grunde nichts war als ein Rausch. Herr
Lohner spielt das ohns Flamme, aber in
anständigem Gefühlston. Und um Lotte
Medelskys Buchhändlerswitwe Klähr ist
hohes Muttertum einer Wiener Frau, der der
Himmel allerhand beschert und aufzulösen
gibt. Und in Herrn Maierhofers Eschenbacher
wohnt die Ehrenhaftigkeit einer gutbürger¬
lichen Existenz, der brave Österreichertrotz,
der im Ernstfall nicht anders kann. So
zeichnet auch Emmerich Reimers den Etzel
mit sanfter Besessenheit des Intellektuellen,
und Walter Hubers Wachshuber trägt die
wienerischen Farben vom Gschaftelhuber¬
tum, Intrige und Rederei. Die Bürger und
Soldaten können sich sehen lassen. Herr
Straßni als der Neunzigjährige spenstert