II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 632

22. Denjunge Nedandus
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Nonschen nelblatt, Nie“
vom:
TE. MA 1935

Burgtheater.
Neuinszenierung: „Der junge Medardus“ von
Arthur Schnitzler.
Direktor Röbbeling ergreift jede Gelegenheit, sich
über die Spielplansorgen durch Neuinszenierungen
alter Stücke hinwegzuhelfen. Und so kam jetzt wieder
eine Neuinszenierung von Arthur Schnitzlers
dramatischer Historie „Der junge Medardus“,
übrigens schon von Wildgans geplant, zustande. Als
dieses Werk des Wiener Dichters seinerzeit auf der
Bühne des Burgtheaters erschien, hatte es hauptsäch¬
lich durch eine glänzende Darstellung starken Erfolg.
Seither hat sich der Geschmack des Publikums stark
geändert und mehr dem modernen Gesellschaftsstück
zugewendet, so daß selbst die Werke der großen
Klassiker nur mehr als Schülervorstellungen Erfolg
haben. So vermochte auch das Burgtheater mit der
Neuinszenierung des „Jungen Medardus“ nicht die
erhoffte Wirkung zu erzielen. Ein etwas schütter be¬
setztes Haus folgte ohne tieferes Interesse den Vor¬
gängen auf der Bühne, so sehr sich auch alle an der
Aufführung beteiligten Faktoren um ihre Aufgahen
bemühten. Selbst der Beifall, der sonst in diesem
Haus gern und reichlich gespendet wird, klang dies¬
mal etwas dünn. Es konnte augenscheinlich keine
rechte Stimmung im Haus aufkommen. Lohner
soielte die Titelrolle und gab sich alle Mühe, die
Widersprücze in der Seele des Altwiener Jünglings
auszugleichen. Sehr gut Frau Medelfky als Mutter
Klähr, echtes Altwien, und eine vornehme Herzogin
von Valois Frau Anna Kallina, der ein ebenso
vornehmer Gatte in Georg Reimers zur Seite
stand. Es ist schwer, aus der überlangen Liste der
Darsteller jeden Einzelnen mit seinem Verdienst zu
erwähnen und so sei nur auf die Meisterleistungen
Arndts (Arzt), Maierhofer, Straßni (ur¬
alter Herr), Ebba Johannsen (Helene), Fred
Hennings (an Devrient erinnernd) und Frau
Ortner=Kallina (Agathe) hingewiesen.
Nach der kühlen Aufnahme, die dieser Schnitzler
gestern fand, ist kaum auf einen Gewinn für den
Spielplan zu rechnen. Der Liebe Müh scheint hier
umsonst aufgewendet.
treu—.
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vom:
-B. MAL 1832
Theater, Kunst und Mustl.
„Der junge Medardus.
Neustudierung des Burgtheaters.
Diese „Dramatische Historie“ haben wir stets als
Artur Schnitzlers bedeutsamste Bühnendichtung

geschatzt. Und so# mag ihre Wiedereinstellung
in den
Spielplan, in dem sie seit vielen Jahren fehlte, als die
eigentliche Schnitzler=Gedenkfeier des Burgtheaters gelten.
Für das große Haus, wo der historische Rahmen, den
dieses Drama beansprucht, wirkungsvoll entfaltet werden
kann, erscheint „Der junge Medardus“ eine ebenso gute
Wahl, wie im Akademie=Theater mit seinem schon allzu
seicht verspielten Programm der „Anatol“, der das Wesen
Schnitzlerschen Schaffens gewissermaßen von der anderen
Seite her beleuchtet.
Was für ein großer, fast festlicher Burgtheaterabend
war das doch damals vor mehr als zwei Jahrzehnten,
als „Der junge Medardus“ zum ersten Male in Szene
ging! Er hinterließ einen Eindruck von lange, auch heute
noch nachwirkender Kraft. Woran es wohl liegen mag,
daß die Neustudierung,
in der das Burgtheater jetzt
den „Jugen Medardus“ zeigt, sich daneben flau und
wenig begeisternd ausnimmt? Vielleicht daran, daß
damals, im noch kaiserlichen Oesterreich, von der Uniform,
von der Fassade des Schönbrunner Schlosses, von den
kriegerischen Ereignissen, die den Hintergrund des
Dramas bilden, ein ganz anderer Zauber ausging, als
heute? Oder daran, daß uns die Hochflut historischer
Stücke, die seither über unsere Bühnen ging, ein wenig
müde und abgestumpft gemacht hat? Oder hat uns hin
und wieder eines dieser anderen Stücke gelehrt, denn doch
eine andere Form der dramatischen Geschichtsbetrachtung,
als Schnitzler sie betreibt, zu bevorzugen?
An der Aufführung ist nicht viel auszustellen.
Herterichs Regie folgt der Dichtung mit Treue und
Hingabe, sie zeigt Phantasie und Wärme. Den Medardus
spielt jetzt Herr Lohner. Sein schwärmerischer Ueber¬
schwang hat nur leider manchmal einen herben Klang.
Vor allem aber: Wienerisch kann Herr Lohner eben nicht
sein. Die Helene, einstens die erste große Rolle der
Wohlgemuth, ist jetzt an Frau Johannsen über¬
gegangen. Sie hat nicht ganz das Format dafür. Sie ist
mehr Salondame als Prinzessin. „Spitze Anmut der
Worte“ weiß sie blendend zu betonen, aber große Leiden¬
schaft glaubt man ihr nicht recht. Ein Glanzpunkt der
Aufführung ist Herr Georg Reimers als Herzog
von Valois, erhaben und verehrungswürdig. Frau
Medelsky als Frau Klähr ebenso schön wie Herr
Maierhofer, der überraschenderweise alle komischen
Elemente aus seinem Spiel auszuscheiden versteht,
als Eschenbacher. Ergreifend durch schlichte Innerlich¬
keit Frau Ortner-Kallina als Agathe,
edel Herr Emmerich Reimers als Etzelt. Aus dem
Chor der Wiener ragen die Herren Wawra und
Huber durch scharfe Typengestaltung hervor und Herr
Straßni geistert immer noch, wie vor zwanzig Jahren,
als grandioser uralter Herr über die Basteien. Den.
Marquis von Valois gibt Herr Hennings noble, geist¬
volle Haltung. Eine nicht bloß fleißige, sondern auch
künstlerisch hochwertige Aufführung. Trotzdem: Schwach¬
besuchtes Haus, matte Stimmung.
B.