II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 642

M.
22. Derjungdandus
box 27/3
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9.MAI ISS.
vom:

Theater
Der junge Medardus
Das Burgtheater mobilisierte seine große
Armee, um die Auferstehung der dramatischen
Historie von Arthur Schnitzler pietätvoll
zu seinern, aber
blieb fast unbe¬
lohnt! Wiesos Ist doch dieses Meisterwerk des
Dichters, das die Kriegsnöte und Herzens¬
wirren während der zweiten Wiener Franzosen¬
invasion so großartig schildert, noch unverwelkt
und heute zeitgemäßer denn je.
Herterichs Inszenierung klappte, Künstler
wie Georg Reimers mit dem sozusagen
noblen Schmerz des Herzogs von Valois, die
Medelsky als bürgerlich=heroische Mutter
Klähr, Maierhofer als grundgescheiter und
todgeweihter Eschenbach, Hennings als ga¬
lanter Marquis, Ortner=Kallina als
rührendes Opfer feudalen Hochmuts, Heine
als kluger Doktor Assalagny und Arndt als
farkastisch=wehmütiger Wiener Arzt betreuten
die edle Dichtung, die trotzdem nur spärlichen
Beifall fand.
Wohl ist Alfred Lohner ein noch nicht
fertiger Medardus und Ebba Johannsen
keine dämonische Rächerin, aber in beider
Lieben und Hassen loderte doch auch echtes
Feuer der Leidenschaft, wofür sie mehr Aner¬
kennung verdient hätten, als ihnen zuteil
wurde. Sehr angenehm plauderte Maria
Mayen als Kammermädchen; wie einst im
Mai gespensterte Straßni auf der Bastel als
überlebensalter Adabei; hoheitsvoll schritt Anna
Kallina als Herzogin einher, und ein treuer
Freund war Emmerich Reimers als Etzelt.
Auch Walter Huber, Höbling, Maria
Kramer und andere nahmen sich mit warmem
Eiser der guten Sache an. Das Publikum aber
blieb kühl.
Was war die Ursache dieser seltsamen Hal¬
tung? Vielleicht der Mangel an erforderlichen
Proben? Oder vergaß man, daß der wahre
Held des Dramas der Geist jener Zeit ist, wie
er sich als österreichisches Schicksal im Geiste
des Dichters spiegelte? Oder weil der große
Wind, der laut Versicherung des Wiener Volks¬
mundes Anno Neun gegangen ist, in der Auf¬
führung — symbolisch gemeint — nicht zu
spüren war? Wie dem auch sei, besser einge¬
spielt, wird der junge Medardus wieder seine
alte Lebenskraft erweisen.
1. b.