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Ein Brief, der nie ankam.
Der letzte Kaiser von Oesterreich an Artur
Schnitzler.
Unter den Dokumenten der ehemaligen kaiserlichen
Kabinettskanzlei wurde folgender Brief des Kaisers
Karl an Artur Schnitzler gefunden, der jetzt von
Oskar Brill in einer New=Yorker Zeitschrift veröffent¬
licht wird:
Lieber Dr. Schnitzler!
Bei Uebernahme der Regierung ist es Mein Wunsch
und Meine Pflicht, Mir nicht nur die Mithilse der militäri¬
schen, bureaukratischen und kirchlichen Führer im Staate,
sondern auch die der geistigen Führer zu sichern. Welcher
Geist wäre da mehr repräsentativ als der literarische? Ist
er denn nicht der Urgeist, welcher alle Künste und
Wissenschaften beherrscht? Und wer ist im heutigen Oester¬
reich ein besserer Repräsentant des literarischen Geistes
als gerade Sie?
Seit Grillparzer hat kein Kunstwerk die Seele des
Oesterreichertums so treu wiedergegeben, wie es in Ihrem
„Jungen Medardus“ geschieht. Wunderbar vollendet wird
in diesem Werk der wahre Zustand des damaligen Oester¬
reich zum Ausdruck gebracht. Gerade jetzt, da unser Land
ebenso wie im Jahre 1809 vom Krieg umtost ist, können
wir dies am beßten ermessen. Wie stark haben damals
Meine treuen Wiener Napoleon verehrt; welche Freuden¬
feste haben Sie ihm dargebracht! Wären ihre Enkel anders,
wenn was der Allmächtige verhüten möge — der Feind
jetzt wieder in die Mauern unserer Stadt eindränge?
Wahrlich, das ist sicher nicht die einzige hervorstechende
Eigenschaft des Oesterreichers, obwohl die Welt (und leidar
sogar unsere teuren Verbündeten) diese Eigenschaft als die
einzige charakteristische für Oesterreich ansieht. Aber ebenso
wie alle anderen guten Bürger des Landes wissen Sie —
und Sie besser als andere —, daß Oesterreich große Pro¬
bleme der Menschlichkeit zu erfüllen hat, daß es aber auch
stets darauf bedacht sein soll, seine Ehre und Selbstachtung
zu wahren. Selbstachtung war ja auch das Ziel Ihres
eigenen Weges, der Sie befreit und aus dem nihilistisch¬
chaotischen Ghetto herausgeführt hat. Welcher wahrhaft
große Künstler kann auch Nihilist sein?
So hatten Sie einen doppelten Kampf zu kämpfen:
mit dem Mangel an Würde und Stolz bei Ihrer öster¬
reichischen Umgebung und mit dem Mangel an Respekt
Ihrer jüdischen Umgebung. Ihr Weg war sicher schwer
und gerade darum sind Sie mit sehnsüchtigem Spott und
spöttischer Sehnsucht allen denjenigen begegnet, denen der
Kampf in der Gesellschaft leichter fiel. Waren sie denn
im Grunde genommen nicht in Ihren — Meinen „Leut¬
nant Gustl“ verliebt? Damals war man der Ansicht, Sie
wären nicht würdig, österreichischer Offizier zu sein. Aber
Meine innerste, feste Ueberzeugung sagt Mir, daß der
„Lentnant Gustl“ sich eher Meinen Namen von seiner
Kappe reißen ließe, als Sie Ihr österreichisches Staats¬
gefüht aus dem Herzen.
Oder vielleicht gar das Weltgefühl? Sie lieben
vielleicht den Staat, aber nicht seine Regierung. Es wäre
aber bestimmt übertrieben, zu sagen, daß Sie die Regierung
hassen. Vielleicht paßt Ihnen die politische Maschine als
solche nicht, oder vielleicht ist sie Ihnen bloß gleichgültig.
Aber Ich glaube kaum, daß Ihre Gleichgültigkeit sich
selbst in dem unwahrscheinlichen Fall ändern würde, wenn
die Räder der politischen Maschine von einer republi¬
kanischen Kraft getrieben werden würden. Denn die Zeit
des Ueberganges würde Ihnen soviel Beispiele der „Iden¬
tität der Gegensätze“ geben, Ihnen soviel Gemeinheit
zeigen — daß sogar das „Heldentum“ Ihres „Fink und
Fliederbusch“ daneben verblassen würde.
Nein, von Ihnen kann man nicht sagen, daß Sie
politisch nicht sicher sind — Sie sind aber sicher nicht
politisch. Sie sind vielleicht nur ein Aesthet, aber Sie
sind sicher ein Aesthet mit Gewissen. Darum hat die
Zenfur nicht klug daran getan, Ihren „Professor Bern¬
hardi“ zu verbieten, und ebenso wenig klug hat jene Zensur
gehandelt, die Ihren „Reigen“ verboten hat — jene so
rein und mutig erfaßten erotischen Bilder. Dieselbe Zeusur
hat leider zur selben Zeit die flache und schmutzige Ope¬
rette sich austoben lassen, welche auch Mir zuwider und
ekelhast ist.
—
Wer hat ein stärkeres Bedürfnis nach Ordnung un
Festigkeit, nach dem Schutz der Gesetze, der äußeren Form
als gerade, wer der künstlerischen Form dient? Er mehr
als andere begreift die Macht, nach welcher jeder Staa¬
strebt, ebenso wie jeder einzelne darnach strebt, seine
eigene Würde zu erhalten.
So möge es denn der Wille des Allmächtigen sein,
daß die Macht, um welche für uns jetzt Meine braven
Soldaten kämpfen, daß diese Macht Uns erhalten bleibe,
daß die Sonne des Sieges, welche Uns bei Gorlice leuchtete,
auch weiterhin Unseren Weg erhelle, bis zu einem guten,
glücklichen Ende des Krieges.
Ich verleihe Ihnen das Großkreuz des Leopold¬
Ordens mit Nachsicht der Taxe.
Gegeben zu Wien am 24. November 1916.
Karl.
Dieser Brief, den Oskar Brill zitiert, wurde natürlich
nie abgesendet. Sein Inhalt ist von einer Naivität, die
schwer übertroffen werden kann. Seine Wiedergabe er¬
folgt, weil er einiges Licht darauf wirft, wie verschroben
sich im Kopfe Karls des Letzten und seiner Umgebung das
jüdische Problem spiegelte, das Problem jener Gemein¬
schaft, welche eine der wenigen staatsbejahenden
im alten Oesterreich war, und weil darin auch trefflich
die „Verdächtigkeit“ literarischen Schaffens in den Augen
der herrschenden Kräfte des alten Oesterreich zutage tritt#
Ein großes Honorar.
Schnitzlers Der arme Medardus“
hat unt perDtreilion Schlenther eine Reihe
von Aufführungen erlebt und dann sein Archivgrad
gefunden. Mit Unrecht; dench es schlagen aus der
Esse des Werkes Flammen von Poesie und dien
stellung im Burgtheater bot manches Scha#stück Nun
feiert „Der aime Medarous“ seine A##eung —
im Kino! Man hat dem Dich## Honorar von
shunderttansend g##en für den Füm
geboten. So viel Geh####Tantiemen hat Schnitzlet.
im Durgtheater kommen.
Das #####klager im Burgtheater“
M7 Geschichte in zwei Kapiteln.
#: Verdhahuhof. Eine Künstlerin
—
Ein Brief, der nie ankam.
Der letzte Kaiser von Oesterreich an Artur
Schnitzler.
Unter den Dokumenten der ehemaligen kaiserlichen
Kabinettskanzlei wurde folgender Brief des Kaisers
Karl an Artur Schnitzler gefunden, der jetzt von
Oskar Brill in einer New=Yorker Zeitschrift veröffent¬
licht wird:
Lieber Dr. Schnitzler!
Bei Uebernahme der Regierung ist es Mein Wunsch
und Meine Pflicht, Mir nicht nur die Mithilse der militäri¬
schen, bureaukratischen und kirchlichen Führer im Staate,
sondern auch die der geistigen Führer zu sichern. Welcher
Geist wäre da mehr repräsentativ als der literarische? Ist
er denn nicht der Urgeist, welcher alle Künste und
Wissenschaften beherrscht? Und wer ist im heutigen Oester¬
reich ein besserer Repräsentant des literarischen Geistes
als gerade Sie?
Seit Grillparzer hat kein Kunstwerk die Seele des
Oesterreichertums so treu wiedergegeben, wie es in Ihrem
„Jungen Medardus“ geschieht. Wunderbar vollendet wird
in diesem Werk der wahre Zustand des damaligen Oester¬
reich zum Ausdruck gebracht. Gerade jetzt, da unser Land
ebenso wie im Jahre 1809 vom Krieg umtost ist, können
wir dies am beßten ermessen. Wie stark haben damals
Meine treuen Wiener Napoleon verehrt; welche Freuden¬
feste haben Sie ihm dargebracht! Wären ihre Enkel anders,
wenn was der Allmächtige verhüten möge — der Feind
jetzt wieder in die Mauern unserer Stadt eindränge?
Wahrlich, das ist sicher nicht die einzige hervorstechende
Eigenschaft des Oesterreichers, obwohl die Welt (und leidar
sogar unsere teuren Verbündeten) diese Eigenschaft als die
einzige charakteristische für Oesterreich ansieht. Aber ebenso
wie alle anderen guten Bürger des Landes wissen Sie —
und Sie besser als andere —, daß Oesterreich große Pro¬
bleme der Menschlichkeit zu erfüllen hat, daß es aber auch
stets darauf bedacht sein soll, seine Ehre und Selbstachtung
zu wahren. Selbstachtung war ja auch das Ziel Ihres
eigenen Weges, der Sie befreit und aus dem nihilistisch¬
chaotischen Ghetto herausgeführt hat. Welcher wahrhaft
große Künstler kann auch Nihilist sein?
So hatten Sie einen doppelten Kampf zu kämpfen:
mit dem Mangel an Würde und Stolz bei Ihrer öster¬
reichischen Umgebung und mit dem Mangel an Respekt
Ihrer jüdischen Umgebung. Ihr Weg war sicher schwer
und gerade darum sind Sie mit sehnsüchtigem Spott und
spöttischer Sehnsucht allen denjenigen begegnet, denen der
Kampf in der Gesellschaft leichter fiel. Waren sie denn
im Grunde genommen nicht in Ihren — Meinen „Leut¬
nant Gustl“ verliebt? Damals war man der Ansicht, Sie
wären nicht würdig, österreichischer Offizier zu sein. Aber
Meine innerste, feste Ueberzeugung sagt Mir, daß der
„Lentnant Gustl“ sich eher Meinen Namen von seiner
Kappe reißen ließe, als Sie Ihr österreichisches Staats¬
gefüht aus dem Herzen.
Oder vielleicht gar das Weltgefühl? Sie lieben
vielleicht den Staat, aber nicht seine Regierung. Es wäre
aber bestimmt übertrieben, zu sagen, daß Sie die Regierung
hassen. Vielleicht paßt Ihnen die politische Maschine als
solche nicht, oder vielleicht ist sie Ihnen bloß gleichgültig.
Aber Ich glaube kaum, daß Ihre Gleichgültigkeit sich
selbst in dem unwahrscheinlichen Fall ändern würde, wenn
die Räder der politischen Maschine von einer republi¬
kanischen Kraft getrieben werden würden. Denn die Zeit
des Ueberganges würde Ihnen soviel Beispiele der „Iden¬
tität der Gegensätze“ geben, Ihnen soviel Gemeinheit
zeigen — daß sogar das „Heldentum“ Ihres „Fink und
Fliederbusch“ daneben verblassen würde.
Nein, von Ihnen kann man nicht sagen, daß Sie
politisch nicht sicher sind — Sie sind aber sicher nicht
politisch. Sie sind vielleicht nur ein Aesthet, aber Sie
sind sicher ein Aesthet mit Gewissen. Darum hat die
Zenfur nicht klug daran getan, Ihren „Professor Bern¬
hardi“ zu verbieten, und ebenso wenig klug hat jene Zensur
gehandelt, die Ihren „Reigen“ verboten hat — jene so
rein und mutig erfaßten erotischen Bilder. Dieselbe Zeusur
hat leider zur selben Zeit die flache und schmutzige Ope¬
rette sich austoben lassen, welche auch Mir zuwider und
ekelhast ist.
—
Wer hat ein stärkeres Bedürfnis nach Ordnung un
Festigkeit, nach dem Schutz der Gesetze, der äußeren Form
als gerade, wer der künstlerischen Form dient? Er mehr
als andere begreift die Macht, nach welcher jeder Staa¬
strebt, ebenso wie jeder einzelne darnach strebt, seine
eigene Würde zu erhalten.
So möge es denn der Wille des Allmächtigen sein,
daß die Macht, um welche für uns jetzt Meine braven
Soldaten kämpfen, daß diese Macht Uns erhalten bleibe,
daß die Sonne des Sieges, welche Uns bei Gorlice leuchtete,
auch weiterhin Unseren Weg erhelle, bis zu einem guten,
glücklichen Ende des Krieges.
Ich verleihe Ihnen das Großkreuz des Leopold¬
Ordens mit Nachsicht der Taxe.
Gegeben zu Wien am 24. November 1916.
Karl.
Dieser Brief, den Oskar Brill zitiert, wurde natürlich
nie abgesendet. Sein Inhalt ist von einer Naivität, die
schwer übertroffen werden kann. Seine Wiedergabe er¬
folgt, weil er einiges Licht darauf wirft, wie verschroben
sich im Kopfe Karls des Letzten und seiner Umgebung das
jüdische Problem spiegelte, das Problem jener Gemein¬
schaft, welche eine der wenigen staatsbejahenden
im alten Oesterreich war, und weil darin auch trefflich
die „Verdächtigkeit“ literarischen Schaffens in den Augen
der herrschenden Kräfte des alten Oesterreich zutage tritt#
Ein großes Honorar.
Schnitzlers Der arme Medardus“
hat unt perDtreilion Schlenther eine Reihe
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gefunden. Mit Unrecht; dench es schlagen aus der
Esse des Werkes Flammen von Poesie und dien
stellung im Burgtheater bot manches Scha#stück Nun
feiert „Der aime Medarous“ seine A##eung —
im Kino! Man hat dem Dich## Honorar von
shunderttansend g##en für den Füm
geboten. So viel Geh####Tantiemen hat Schnitzlet.
im Durgtheater kommen.
Das #####klager im Burgtheater“
M7 Geschichte in zwei Kapiteln.
#: Verdhahuhof. Eine Künstlerin
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