Vertreiungen
Chicago, Christiania, Genk, Kopen¬
in Berlin, Budapest,
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Franeisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quclienangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus: IInstriartes Wiene.
Wien
Theaterzeitung.
Deutsches Volkstheater. Artur Schnitzler
erschien gestern mit den zwei Masken, der tragischen
und der heiteren. Zuerst mit dem Schauspiel
„Liebelei“, das nach dreizehnjähriger treu und
redlich erfüllter Dienstzeit vom Burgtheater
gesund entlassen worden ist. Dieses literarische
Wiener Volksstück hat alle seine Nach¬
ahmungen glücklich überlebt. Es läßt seine
Berühmtheit nicht im Stich. Ich sah diesmal
Leute begeistert applaudieren, die bei der Erst¬
aufführung im Burgtheater wütend gezischt haben!
Sie genierten sich nicht, den Erfolg anzubeten, den
sie einst verhindern gewollt! Und wenn nicht alle
Anzeichen trügen, wird das süße Mädel auch im
Volkstheater den Platz behaupten. Anfangs sah
die Sache nicht gut aus. Fräulein Hannemann
war ein allzu ahnungsvoller Engel, Herr Edthofer
mehr Fritzchen als Fritz und Herr Klitsch von
unerlaubter Theatral k. Der sonst so sympathische
Liebhaber spielte nämlich die kleine Rolle des
betrogenen Ehemannes, der unerbittlich wie das
Schicksal eingreift, mit rollenden Augen,
lächerlichen Posen und pantomimischen Anfällen.
O, daß ihm niemand zeigen konnte, wie einfach und
groß Mitterwurzer diese Episode dargestellt! Fräulein
Waldow gab als Schlager Mizzi wieder eine
artige Talentprobe, aber sie war nicht ausgelassen
genug. Als ginge, wenn man s# sagen darf, das
Burgtheater als Gespen#t um, mit so vornehmer
Zurückhaltung wichen
Volks ümlichkeit aus.
Im zweiten Akt
Besserung ein. Hier
war Herr Kutick
im Burgtheater den
Liebhaber ge pielt,
Vaterrolle des Hans
Weiring eine angenehme Ueberraschung. So schlicht,
gemütstief und kernecht sah ich ihn noch nie. Auch
Herr Kramer, der Freund, bot eine lehens¬
volle Gestalt. Im dritten Akt gelar, der große
Wurf. Im Buratheater troff der Schluß von
Sentimentalität, im Volkstheater kam die ganze
Tragik des Falles eruptiv zum Ausdruck, be¬
sson## in der Darstellung des Fräuleins Hanne¬
mann, die in ihrem Liebesschmerz so hinreißende
Töne anschlug, daß das ganze Haus in einen Sturm
von Beifall ausbrach. War bis dahin das Mädel
aus dem Volke lediglich ein Mädchen aus dem
Volkstheater, so vergoldete jetzt Fräulein Hannemann
die ganze Gestalt im Feuer ihrer Leidenschaft. Artur
Schnitzler wurde wiederholt vor die Rampe gerufen.
Ich möchte ihn über den grünen Klee von ganz Oester¬
reich loben für die Komödie „Komtesse Mizzi,
oder: Der Familientag“, die den heiteren
Ausklang der Vorstellung bildete. Mir hat diese
Satire bereits in der ersten Lesung ein köstliches
Vergnügen bereitet. Als sie in der „Neuen Presse“
erschien, schimpften die Leute über die Frechheit des
dramatischen Reigens. Vielleicht waren es wieder
dieselben Leute, die gestern stürmisch applaudierten.
Konsequenz ist ja nicht Sache des Publikums.
Es gibt ein Lustspiel, das sehr berühmt ist,
das Lustspiel, das wir erwarten. Schnitzler könnte es
schreiben. Ja, die gestrige Komödie bedeutet bereits
eine Abschlagszahlung. Handlung, Figuren und
Dialog sind die Gebilde eines Meisters, der den
scharfen Blick hat für die komischen Schwächen der
Menschen, ohne sie zu verzerren. Und wie fein
manierlich weiß er die kleinen Pikanterien und Frivoli¬
täten zu übertünchen, so daß sie nicht verletzend wirken.
Man befindet sich in der Gesellschaft eines Mannes
von Welt, dem zu sagen gegeben, was wir errötend
gerne hören. So versetzte denn die Geschichte der
männererhaltenden Komtesse Mizzi und ihrer allum¬
fassenden Liebe das Publikum in die heiterste Laune,
zumal die Herren Thaller, Kramer, Edt¬
hofer und Klitsch, sowie die Damen
Ga afrés und Glöckner wahre Glanzleistungen
boton. Und wieder wurde Schnitzler stürmisch ge¬
rufen, der uns di mal lachend beweist, daß auch
in Liebeslachen Blaublut kein besonderer Saft ist.
Telephon 12801.
6
S MRT TErSnn
94
G l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
G hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New York,
# Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Onellenangabe ohne Gewähr,)
4
in Ausschnitaus: Wishor 1
vem:
Theater, Bunst und Tikeratur.
Deutsches Volkstheater. Als Novität erschien
heute das Deutsche Volktheater in Artur
„Liebelei“. Das Schauspiel ist über dreizehn Jahre alt.
Die neuen Träger des Stückes, darunter Edthofer
und Kramer, blieben ihm erst fremd, waren befangen,
schüchtern, von behutsamer Lustigkeit. Fräulein Hanne¬
mann als Christine tastete, suchte. Nur Fräulein
Waldow, die Schlager=Mitzi, traf beherzt den Ortston,
der im übrigen gar nicht oder ängstlich angeschlagen wurde.
Man glaubte ein leises Stimmen von Instrumenten zu
vernehmen. Herr Kutschera als Musikus war freilich
sofort eingestimmt. Bei der Wendung zur Tragik schwenkte
aber das Ensemble, heftig mitgerissen, zu dem volkstüm¬
lichen Charakter des Schauspieles hin. So wirkte die
„Liebelei“ auf dem Boden des Volkstheaters als packendes
Volksstück. Kutschere, echt und wahr schon in der
111
äußeren Erscheinung, erschanerte die Gemüter, Fräulein
Hannemann brachte im letzten Akte die Innerlichkeit
ihres Wesens zutage und ließ die aufgesparten Gefühle
hervorbrechen. Das Publikum war gerührt, ergriffen und
bereitete den Darstellern und dem Dichter durch viele
stürmische Hervorrufe einen starken Erfolg, der dem
Abende die Lebendigkeit einer Uraufführung gab und auch
im Volkstheater sicherlich lange nachhalten wird. — Dem
uns wohlvertrauten Stücke folgte ein neuer Einakter
Artur Schnitzlers: „Komtese Mitzi, oder: „Der Familien¬
tag“. Die dramatischen Satiriker beschäftigen die Bühne
jetzt eifrig mit Komtessen, denen Verführer aller Art zur
Mutterschaft verhelfen. Auch Schnitzlers „Komtesse Mitzi“.
spinnt diese Weise fort. Als drastische Folge einer vorüber¬
gehenden Verbindung der Komtesse mit einem Fürsten
wird ein keckes Söhnchen vorgeführt. Es gibt noch andre
trotische Verwicklungen in der gräflichen Familie, der
Familientag bringt aber durch allerlei Heirat die wirren
Verhältnisse in legitime Ordnung. Schnitzlers viel¬
gerühmte Tugend besteht darin, die Untugend in meister¬
licher, knapper Form darzustellen. Diesmal war er von
seinen guten ästhetischen Geistern verlassen. Wieder¬
holungen, merkbare Rückungen, künstliche Ansätze ziehen
in meist greller Deutlichkeit das Stück in die Länge. Stellt
Schnitzler gern gewa#te Dinge auf die Schneide, so ist die
Schneide im „Familientag“ recht breit, nicht fein genug
zugeschliffen, so daß man nicht mehr mit Grazie balanciert,
sondern sich allzu behaglich darüber dehnt. Die Herren
Thaller, Edthofer, Kramer, Lackner und
Kklitsch, die Damen Galafrés und Glöckner
waren zu guter Wirkung vereinigt und nützten die heiteren
Situationen der Komödie weidlich aus.
Rob. II.
Chicago, Christiania, Genk, Kopen¬
in Berlin, Budapest,
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Franeisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quclienangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus: IInstriartes Wiene.
Wien
Theaterzeitung.
Deutsches Volkstheater. Artur Schnitzler
erschien gestern mit den zwei Masken, der tragischen
und der heiteren. Zuerst mit dem Schauspiel
„Liebelei“, das nach dreizehnjähriger treu und
redlich erfüllter Dienstzeit vom Burgtheater
gesund entlassen worden ist. Dieses literarische
Wiener Volksstück hat alle seine Nach¬
ahmungen glücklich überlebt. Es läßt seine
Berühmtheit nicht im Stich. Ich sah diesmal
Leute begeistert applaudieren, die bei der Erst¬
aufführung im Burgtheater wütend gezischt haben!
Sie genierten sich nicht, den Erfolg anzubeten, den
sie einst verhindern gewollt! Und wenn nicht alle
Anzeichen trügen, wird das süße Mädel auch im
Volkstheater den Platz behaupten. Anfangs sah
die Sache nicht gut aus. Fräulein Hannemann
war ein allzu ahnungsvoller Engel, Herr Edthofer
mehr Fritzchen als Fritz und Herr Klitsch von
unerlaubter Theatral k. Der sonst so sympathische
Liebhaber spielte nämlich die kleine Rolle des
betrogenen Ehemannes, der unerbittlich wie das
Schicksal eingreift, mit rollenden Augen,
lächerlichen Posen und pantomimischen Anfällen.
O, daß ihm niemand zeigen konnte, wie einfach und
groß Mitterwurzer diese Episode dargestellt! Fräulein
Waldow gab als Schlager Mizzi wieder eine
artige Talentprobe, aber sie war nicht ausgelassen
genug. Als ginge, wenn man s# sagen darf, das
Burgtheater als Gespen#t um, mit so vornehmer
Zurückhaltung wichen
Volks ümlichkeit aus.
Im zweiten Akt
Besserung ein. Hier
war Herr Kutick
im Burgtheater den
Liebhaber ge pielt,
Vaterrolle des Hans
Weiring eine angenehme Ueberraschung. So schlicht,
gemütstief und kernecht sah ich ihn noch nie. Auch
Herr Kramer, der Freund, bot eine lehens¬
volle Gestalt. Im dritten Akt gelar, der große
Wurf. Im Buratheater troff der Schluß von
Sentimentalität, im Volkstheater kam die ganze
Tragik des Falles eruptiv zum Ausdruck, be¬
sson## in der Darstellung des Fräuleins Hanne¬
mann, die in ihrem Liebesschmerz so hinreißende
Töne anschlug, daß das ganze Haus in einen Sturm
von Beifall ausbrach. War bis dahin das Mädel
aus dem Volke lediglich ein Mädchen aus dem
Volkstheater, so vergoldete jetzt Fräulein Hannemann
die ganze Gestalt im Feuer ihrer Leidenschaft. Artur
Schnitzler wurde wiederholt vor die Rampe gerufen.
Ich möchte ihn über den grünen Klee von ganz Oester¬
reich loben für die Komödie „Komtesse Mizzi,
oder: Der Familientag“, die den heiteren
Ausklang der Vorstellung bildete. Mir hat diese
Satire bereits in der ersten Lesung ein köstliches
Vergnügen bereitet. Als sie in der „Neuen Presse“
erschien, schimpften die Leute über die Frechheit des
dramatischen Reigens. Vielleicht waren es wieder
dieselben Leute, die gestern stürmisch applaudierten.
Konsequenz ist ja nicht Sache des Publikums.
Es gibt ein Lustspiel, das sehr berühmt ist,
das Lustspiel, das wir erwarten. Schnitzler könnte es
schreiben. Ja, die gestrige Komödie bedeutet bereits
eine Abschlagszahlung. Handlung, Figuren und
Dialog sind die Gebilde eines Meisters, der den
scharfen Blick hat für die komischen Schwächen der
Menschen, ohne sie zu verzerren. Und wie fein
manierlich weiß er die kleinen Pikanterien und Frivoli¬
täten zu übertünchen, so daß sie nicht verletzend wirken.
Man befindet sich in der Gesellschaft eines Mannes
von Welt, dem zu sagen gegeben, was wir errötend
gerne hören. So versetzte denn die Geschichte der
männererhaltenden Komtesse Mizzi und ihrer allum¬
fassenden Liebe das Publikum in die heiterste Laune,
zumal die Herren Thaller, Kramer, Edt¬
hofer und Klitsch, sowie die Damen
Ga afrés und Glöckner wahre Glanzleistungen
boton. Und wieder wurde Schnitzler stürmisch ge¬
rufen, der uns di mal lachend beweist, daß auch
in Liebeslachen Blaublut kein besonderer Saft ist.
Telephon 12801.
6
S MRT TErSnn
94
G l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
G hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New York,
# Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Onellenangabe ohne Gewähr,)
4
in Ausschnitaus: Wishor 1
vem:
Theater, Bunst und Tikeratur.
Deutsches Volkstheater. Als Novität erschien
heute das Deutsche Volktheater in Artur
„Liebelei“. Das Schauspiel ist über dreizehn Jahre alt.
Die neuen Träger des Stückes, darunter Edthofer
und Kramer, blieben ihm erst fremd, waren befangen,
schüchtern, von behutsamer Lustigkeit. Fräulein Hanne¬
mann als Christine tastete, suchte. Nur Fräulein
Waldow, die Schlager=Mitzi, traf beherzt den Ortston,
der im übrigen gar nicht oder ängstlich angeschlagen wurde.
Man glaubte ein leises Stimmen von Instrumenten zu
vernehmen. Herr Kutschera als Musikus war freilich
sofort eingestimmt. Bei der Wendung zur Tragik schwenkte
aber das Ensemble, heftig mitgerissen, zu dem volkstüm¬
lichen Charakter des Schauspieles hin. So wirkte die
„Liebelei“ auf dem Boden des Volkstheaters als packendes
Volksstück. Kutschere, echt und wahr schon in der
111
äußeren Erscheinung, erschanerte die Gemüter, Fräulein
Hannemann brachte im letzten Akte die Innerlichkeit
ihres Wesens zutage und ließ die aufgesparten Gefühle
hervorbrechen. Das Publikum war gerührt, ergriffen und
bereitete den Darstellern und dem Dichter durch viele
stürmische Hervorrufe einen starken Erfolg, der dem
Abende die Lebendigkeit einer Uraufführung gab und auch
im Volkstheater sicherlich lange nachhalten wird. — Dem
uns wohlvertrauten Stücke folgte ein neuer Einakter
Artur Schnitzlers: „Komtese Mitzi, oder: „Der Familien¬
tag“. Die dramatischen Satiriker beschäftigen die Bühne
jetzt eifrig mit Komtessen, denen Verführer aller Art zur
Mutterschaft verhelfen. Auch Schnitzlers „Komtesse Mitzi“.
spinnt diese Weise fort. Als drastische Folge einer vorüber¬
gehenden Verbindung der Komtesse mit einem Fürsten
wird ein keckes Söhnchen vorgeführt. Es gibt noch andre
trotische Verwicklungen in der gräflichen Familie, der
Familientag bringt aber durch allerlei Heirat die wirren
Verhältnisse in legitime Ordnung. Schnitzlers viel¬
gerühmte Tugend besteht darin, die Untugend in meister¬
licher, knapper Form darzustellen. Diesmal war er von
seinen guten ästhetischen Geistern verlassen. Wieder¬
holungen, merkbare Rückungen, künstliche Ansätze ziehen
in meist greller Deutlichkeit das Stück in die Länge. Stellt
Schnitzler gern gewa#te Dinge auf die Schneide, so ist die
Schneide im „Familientag“ recht breit, nicht fein genug
zugeschliffen, so daß man nicht mehr mit Grazie balanciert,
sondern sich allzu behaglich darüber dehnt. Die Herren
Thaller, Edthofer, Kramer, Lackner und
Kklitsch, die Damen Galafrés und Glöckner
waren zu guter Wirkung vereinigt und nützten die heiteren
Situationen der Komödie weidlich aus.
Rob. II.