II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 20

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21. Kont#e Mizzjoder der FaniTienfag
#.
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genk, Kopen¬
hagen. London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-To.k.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
Quelienangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
7 1. 1909
Wiener Allgeineie 2#
vom
——
—.—

Restaurant Hotel de France
Neu eröffnet! Wien, I. Schottenring 3. Neu eröffnet:
Original Pilsner Urquell.
Theater. Kunst und Literatur.
Wien, 7. Jänner.
(Deutsches Volkstheater.) „Liebelei“
Telephon 12.801.
von Artur Schnitler
Es ist interessant zu prüfen,
welchen Quakitälen dieses kleine Drama seinen lange blühenden
Reiz dankt. Dem Zauber wienerischer Neuromantik gewiß
„OBSERVER“
nicht. Auch nicht der Luft, die von den Hängen des Kahlen¬
berges usw. Das Schlampig=Liebenswürdige, die Mischung von
I österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Rührseligkeit, Leichtsinn, Jargon, Zartheit, Wehmut und Cy¬
Wien, I., Concordiaplatz 4.
nismus schmeckt lau und abgestanden. Kurz, das Wienerische
ist's nicht, worin die „Liebelei“ sich so gut konservierte. Was sie
Vertretungen
wirkungsvoll erhielt, sind ihre literarischen, dramatischen, technischen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genl, Kopen¬
Qualitäten: die Einfachheit und Knappheit des Vorgangs;
hagen. London, Modrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork,
die Geradlinigkeit des Dialogs, die nur selten zu lyrischem Ge¬
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
schnörkel sich verkräuselt; die hellen, lebhaften Kontraste von
(Ouelienangabe ohne Gewühr).
Dur und Moll; die zarten und bescheidenen Farben des auf¬
Ausschnitt aus:
gerollten Lebensbildes. Jede einzelne Figur löst sich klar vom
DIE POST, BERLIN
gemeinsamen Hintergrund. Eine volle Plastik gelingt nicht,
vom:
wohl aber ebenso zarte wie scharfe Reliefs. Alle Talente der
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Schnitzlerschen Leichtigkeit sind in diesem populärsten
7- J81.1909
Produkt seiner Literatur lebendig. Ein unspürbarer Finger
schlingt den dramatischen Faden. Alles vollzieht sich leise,

unroh, in Anmut und Dämmerlicht. Das unerbittliche Schicksal
+ „Komteß Mizzi oder der Familientäg“ rthur
selbst kommt auf Zehenspitzen und drosselt seine Opfer gewisser¬
[Schnitzlexs neue einaktige Komödie hatte bei der Ulaufführung
maßen mit einer „leichten Hand“. Auch das Schwarz in diesem
ertschen Volkstheater, wie uns aus Wien berich¬
Drama scheint noch wie ein konzentriertestes Blau. Solchen
tet wird, einen äußeren Erfolg. Das Stück schließt sich dem
literarisch=eigenartigen Tugenden verdankt die „Liebelei“ ihre
Inhalt nach gewissermaßen an „Liebelei“ an, das auch vorher
Dauerwirkung, nicht ihrer süßen Empfindsamkeit und ihrem
in Szene ging. Nach Schnitzlers Typen sind die Mitglieder der
hohen österreichischen Aristokratie eine moralisch recht##rlumpte
holden Wienertum. Im Deutschen Volkstheater gelangen
Gesellschaft, und man kann wohl zur Ehre derselben annehmen,
gerade die schwereren, dunkleren Teile des Spiels vortrefflich.
daß der Autor diese Kreise sehr wenig kennt und nur Geschöpfe
Die Lustigkeit des ersten Aktes geriet matt; der mürrische Frohsinn
seiner Phantasie vorführt. Denn dieser Graf Arpad Pazmandy,
des Fräulein Waldow reichte nicht aus, das melancholische
Nah¬
der seine frühere langjährige Geliebte, eine ehemalige berühmte
Zwielicht aufzuhellen, das gleich anfangs über der Darstellung
Ballerina, seiner Tochter, Komteß Mizzi, zuführt, ist ebenso
lastete. Es schien, als ob Alle schon von Ahnungen heim¬
wenig wahrscheinlich, wie letztere selbst, die einen illegitimen
gesucht würden und sie vor einander zu verbergen trachteten.
siebzehnjährigen Sohn hat, der mit seinem Vater gleichfalls zu
Im zweiten Akt war Herr Kutschera sehr gut und einfach
diesem eigenartigen „Familientag“ erscheint. Da sind die Kadel¬
als zärtlicher Vater mit Zweifeln an den eudämonistischen Werten
burgschen Familientagsmitglieder doch noch lebenswahrer. Ge¬
der Tugend. Vielleicht ein bißchen zu groß, zu würdig, zu
spielt wurde ganz gut, besonders von Fräulein Galafrés und
stilisiert in der Gebärde für ein doch immerhin kleinbürgerliches
den Herren Thaller und Kramer.
Musikerlein. Herr Edthofer hatte innige, warme Momente
neben ein paar leer=theatralischen. Sehr fein ließ er's durch¬
schimmern, wie seinem innersten Ahnen der Abschied vom Mädel
auch der Abschiedvom Leben sei.] Herr Kramer spielte den Theodor
bescheidentlich in die zweite Linie. Alles Lob aber für Fräu¬
lein Hannemann, die Ekstase der Herzensnot mit einer so
schönen, übermächtigen, tränenlosen Energie spielte, deren
Verzweiflung einen solchen Glanz der Echtheit trug, daß den
Zuschauern die Augen übergingen. — „Komtesse Mizzi“
oder „Der Familientag“ eine? Komödie in einem
Akt von Artur Schnitzler. Ich weiß nicht, warum die
Wiener Dramatik jüngster Zeit mit einem so hitzig=heiteren,
grimmig=überlegenen Impetus die Aristokraten angeht. Ist es
so wichtig, so zeitgemäß? Locken dort Menschheitsprobleme in
besonderer Reinheit und Schärfe zu dramatischer Erörterung? Ist eine
Tyrannis zu sprengen, ein Götze zu stürzen, eine falsche Größe
zu reduzieren? Oder soll das kühne Dogma verkündet werden,
daß das Sexualleben auch in gräflichen Schlössern vor allem
eine physiologische und erst in weiterer Beziehung eine ethische
Angelegenheit ist? Wenn noch ein originelles Resultat bei
dieser satirischen Betrachtung adeliger Geschlechtsfunktionen
herauskäme, eigenartig gesehene und erkannte Menschen, eine
Welt des merkwürdigen Zwanges und der merkwürdigen Frei¬
heiten. Aber was boten die zwei Komödien aus aristokratischem
Milieu, die in jüngster Zeit gespielt wurden, die „Komtesse!