II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 177

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Kom
21. #m#esse Mizzi oder der Fanilientan
Ausschnitt aus
Der Tag, Berdh
31 1 1912
dert. Irene Triesch gab die Liebe durch Liebe
vertreibende Komtesse in echtem Schnitzlerstil,
voll leichter Grazie, mit diskreter Cha¬
Theater und Musik.
rakteristik, die nur andeutet und hurtig
über alles Grelle und Scharfe hinweghuscht. Den
J. K. Im Lessing=Theater lernten wir
Fürsten Egon spielte Heinz Monnard mit dem
gestern (Dienstag) einen allerliebsten Einakter
verhaltenen Humor und der leisen Selbst¬
Arthur Schnitzlers kennen, der den Berlinern
ironie, die Schnitzler so trefflich zu Gesicht steht,
seltsamerweise etliche Jahre vorenthalten wurde.
und in der Rolle des kecken Jünglings führte
Komtesse Mizzi oder Der Familen¬
sich Erich Wolter recht glücklich ein. Reicher als
tag“ ist freilich kaum mehr als eine Plauderei,
Graf Pazmandy und Mathilde Sussin als hei¬
aber eine von so geistvoller, unterhaltsamer Art,
ratslustige Lolo verstärkten den freundlichen
daß man getrost gern manchen handlungsschweren
Eindruck des Stückes, dem so lebhafter und ein¬
Mehralter dafür hingeben darf. Die Vorgänge
mütiger Beifall folgte, daß Direktor Brahm an
dieses Stückchens liegen in der Vergangenheit und
Stelle des Autors dankte. Dem graziösen Einakter
sind ziemlich heikler Art. Da ist die liebe Kom¬
aus der vornehmen Welt folgte Karl Schönherrs
tesse Mizzi, des Grafen Arpad Pazmandy einzi¬
dreiaktiges Bauernstück „Erde“ das der Autor
ges Töchterlein, in heimliche Herzensbeziehun¬
etwas anspruchsvoll eine Komödie des Lebens
gen zu dessen besiem Freunde, dem Fürsten Egon
nennt. Was über diese Komödie zu sugen war,
Ravenstein, getreten, die nicht ohne Folgen blie¬
ist nach ihrer Aufführung im seligen Hebbel¬
ben. Und das Ergebnis dieser Beziehungen
Theater ausführlich gesagt worden, und die ge¬
wuchs heran und entwickelte sich zu einem
strige Darstellung hat an dem damaligen Ein¬
prächtigen Jüngling, ohne daß das Geheim¬
druck nichts geändert. Trotzdem Else Lehmann
nis ans Licht kam. Denn der Fürst be¬
die Magd Trine gab und die Figur des hab¬
saß eine Fürstin und scheute den Skandal,
gierigen Weibes, dem jeder Mann recht ist,
und auch als die Betrogene das Zeitliche gesegnet,
der ihr ein „eigenes Stückchen Erde“ bringt mit
konnte der Witwer mit der Mutter seines Kindes
blühendem Leben und elementarer Kraft, mit
nicht zusammenkommen. Komtesse Mizzi aber
jenem galligen Humor erfüllte, den Schönherr der
ward darüber — wenn man so sagen darf —
Figur und dem ganzen Stück verliehen. Eng
zur alten Jungfer, die sich mit der Zeit weidlich
von anderen Männern trösten ließ und anschei¬
nuel Reichers alter Grutz, der sich so meisterlsch
gegen das Sterben wehrt und allen lachenden
nend weder von dem Jugendliebsten noch von
Erben ein Schnippchen schlägt, hätte wohl ein
ihrem Söhnchen etwas wissen wollte. Der Ein¬
wenig urwüchsiger sein können, solange Grutz
akter, den Schnitzler diesem Verhältnis und
sich im Vollbesitz seiner Kräfte fühlt. Dann aber
diesen Verhältnissen abgewann, schildert nun,
wuchs die Gestalt an charakteristischer Kraft und
wie Egon Fürst Ravenstein seinen achtzehnjähri¬
gab ein vollendetes Bild der kernigen Schöpfung
gen Jungen in das Haus seines Freundes Paz¬
des Dichters. In den übrigen Rollen berührten
mandy bringt und die erste Zusammenkunft zwi¬
sich Stieler, Forest, Pauli. Nickelt, Ziener, Mar¬
schen dem prächtigen Jüngling und seiner heim¬
garete Albrecht und Mathilde Sussin aufs beste.
lichen Mama herbeiführt. Es kommt zu keiner¬
Das Zusammenspiel indessen hätte einen etwas
lei Gefühlsausbrüchen, zu keiner Explosion, weder
kräftigeren und flotieren Zug vertragen. Auch
erfährt Mizzis Vater etwas von seiner Verwandt¬
hier konnte Brahm am Schluß für den freund¬
schaft zu dem hübschen Burschen, noch ahnt der
lichen Beifall danken. Der Sieg des Abends aber
junge Herr, daß die schöne Frau, mit der er so
gehörte der Komtesse Migzi“
angeregt plaudert, das gute Recht hätte, ihn mit
mütterlicher Zärtlichkeit abzuvusseln. Komtesse
Mizzi wahrt die Würde und lehnt zunächst den
verspäteten Heiralsantrag des Fürsten ab. Am
Schluß aber fühlt sie sich doch veranlaßt, ihren
allerneuesten Tröster und Galan, einen jugend¬
lichen Herrn Professor, zu verabschieden, und ist
bereit, mit Papa und dem alten und jungen
Fürsten nach Ostende zu reisen, sowie die Ver¬
mählungsfrage in wohlwollende Erwägung zu
a1.
ziehen. Ergänzt wird das kleine Stimmungs¬
bild durch die Tatsache, daß, während Komtesse
Mizzi hier ein eigenartiges Wiedersehen feiert,
ihr Herr Papa Abschied nimmt von seiner lieben
Lolo vom Ballett, die ihm lange Jahre hindurch
liebevoll und hilfreich zur Seite gestanden.
Nun will sie ihm und dem Ballett den Rücken
kehren und einen biederen Fuhrwerksbesitzer ehe¬
lichen, der es ihrem Herzen heftig angetan. So
kommt im Hause des Grafen Pazmandy eine Art
heimlichen Familientages zustande, den Schnitzlen
mit feiner Satire und ungemein liebenswürdigem
Humor in einer Reihe wirksamer Szenen schil¬