II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 176

box 26/3
Mi
7
ontesS
21. Msjoder der Fani lientag
Ausschaitt aus
Volezeitung, Beri
31 1. 1912
Margarete Albrecht als Totenweibel, Carl Forest als
„Ein Schnitzler-Schönberr-Abend
Eishofbäuerlein, und ebenso waren die scharf gezeichneten Knecht¬
im Lelsing-Cheater.
typen mit Bruno Ziener, Ernst Neßler und Erich Wal¬
ter gut besetzt. Stieß sich auch eine kleine Minderheit an einigen
V Mit einem Ausschnitt aus dem Leben in hochfeudalen Kreisen,
krassen Stellen des Stückes, so war doch die Aufnahme, die das saft¬
in denen laxe Moral heimisch ist, begann der Abend; die einaktige
und kraftvolle Bauerndrama in seiner glänzenden Wiedergabe fand,
Komödie „Komtesse Mizzi“ oder „Der Familientag“
eine so beifällige, daß auch hier Direktor Brahm im Namen des
von Arthur Schnitzler leitete ihn ein, ein trotz des langatmigen
abwesenden Dichters danken konnte. — Alles in allem: ein inter¬
Titels kurzweiliges Stücklein. Von zndlung ist kaum eine Spur vor¬
essanter Abend.
handen; es findet sich im Garten vor der gräflichen Villa eine An¬
8-271
zahl Personen zusammen, die sich zum Teil bis dahin überhaupt noch
nicht gekannt hat, und doch bildet sie gewissermaßen einen „Familien¬
tag“. Da begrüßt Komtesse Mizzi die langjährige Geliebte ihres Vaters,
da wird der Komtesse Mizzi in der Person eines liebenswürdig
frechen Jünglings ihr eigener, natürlich illegitimer Sohn vorgestelst,
723
den sie seit seiner Geburt nicht wieder gesehen; da plänkelt Komtesse
Mizzi in geistreichem Plauderton mit dem Vater dieses Sohnes, und
da verabschiedet Komtesse Mizzi den Gelehrten, der sich zuletzt ihrer
Dr. Max Goldschmidt
Gunst erfreut hat, und trägt ihm Grüße an Frau und Kinder auf.
62 Bureau für S
Kurz, es geschieht eigentlich nichts, und doch amüsiert man sich dabei.
Schnitzlersche dramatische Freimalerei, unterstützt von der reifen Dar¬
Zeitungsausschnitte
stellungskunst Brahmscher Truppen mit Irene Triesch als
Beziia N. 24
scharmanter Komtesse Mizzi an der Spitze. Emanuel Reicherf

Talephen Inl, som.
Heinz Monnard, Mathilde Sussin und Erich Waltet
vervollständigten das trefliche Ensemble. Direktor Dr. Brahm konnts
zum Schluß an Stelle des abwesenden Dichters für den starken Bei¬
Ausschmitt ans
fall danken.
Danach als interessanter Kontrast ein herbes Stück Bauernleben:
Karl Schönherrs Komödie „Erde“, die von ihren Auf¬
Veriner Horzenronene
führungen im Hebbeltheater her noch in guter Erinnerung steht.
Auch hier fand der Autor in der Darstellung glücklichste Unterstützung.
Den alten Grutz spielte Emanuel Reicher; ein prächtiger
knorriger Bauer, den selbst der Hufschlag seines Pferdes nicht unter
zr 1. 1912
die Erde bringt. Die vollsaftige Figur der Wirtschafterin Mena
fand in Else Lehmann eine glänzende Vertreterin; großartig
war ihr Mienenspiel, als sie ihre Spekulation auf den Grutzhof
„Komtesse mizzi“ im Lessing=Theatek.
scheitern sieht und sich entschließt, um ihren brennenden Wunsch nach
einem Stück eigener Erde zu erfüllen, dem Eishofbäuerlein hinauf
Arthur Schnitzlers liebenswürdige Komödie „Komtesse
zur jähen Wand als Weib zu folgen. Kurt Stieler spielte den
Mizzi“ oder „Der Familientag“ wurde gestern im Lessing¬
resignierten Bauernsohn, der ein Knecht bleibt sein Leber
Theater von dem vollen Hause mit Feinschmeckerstimmung und leh¬
lang, weil die Erde den zähen Vater Jahr um
haftem Beifall ausgenommen, für den Direktor Brahm im Namest
Jahr noch trägt, mit
des Autors dankte. Die Komödie, welche sich durch geistreiche Cha¬
starker Eindringlichkeit.
Treff
vokterisierung und feine Pointen auszeichnet, wurde voller Laune gen
liche Leistungen boten Mathilde Sussin als Magd Trine
spielt. Emanuel Reicher gab den Grafen Arpad Pazmandy, der
eben den schmerzlichen Abschied von seinem achtzehn Jahre währenden
Verhältnis Lolo (Mathilde Sussin) trübselig gefeiert hat, mit
herzhaftem Humor, und es war von unwiderstehlich komischer Wir
kung, wie der alte Graf bemüht ist, diese verhältnismäßige Affärei
vor seiner Tochter Mizzi (Irene Triesch) zu verheimlichen, währ
rend dieser unschuldsvolle Engel bereits inkognito Mutter eines stram¬
men Abiturienten (Erich Walter) ist. Und der Humor davon ist
daß der Vater besagten ausgewachsenen Babys des Grafen bester
Freund, Fürst Ravenstein (Heinz Monnard) ist. Es war von
wirksamer Komik, als der Fürst den Sohn der Mutter als fremden
jungen Mann zur selben Zeit zuführt, wo Lolo dem alten Grafen die
Abschiedsvisite abstattet, während das Fräulein Mutter, Mizzi, ihren
Musiklehrer“ (Kurt Stieler) den Laufpaß gibt. Und hier kamf
das entzückend feine scharmante Spiel von Irene Triesch zur voller
Wirkung, die an Monnard einen trefflichen Partner hatte. Es war
ein weiter Weg von Schnitzler zu Karl Schönherr, dessen schon;
auf einer anderen hiesigen Bühne aufgeführte dreiaktige Komödie des
Lebens „Erde“ den Abend beschloß. Die gehaltvolle, packende Tragi¬
komödie mit ihrer kräftigen Charakterzeichnung wurde wirksam zur
Geltung gebracht. Emanuel Reicher gab den alten Grutz mit
packender, erschütternder Realistik, und Else Lehmann verkör¬
perte die Mena mit ihrem urwüchsigen fortreißenden Temperament.
Von den anderen Darstellern sind vor allem Mathilde Sussin
als Trine, Carl Forest als Eishofbäuerlein, Kurt Stieler als
Hannes, Paul Pauli als Totengräber, Margarets
Albrecht als Totenweibele nd Gustav Rickelt als Arzt her¬
vorzuheben. Das preisgekrör e Werk wurde mit starkem Beifall auß
genommen.
B. P