gem Stimmungsbild zu eröffnen, ließ man
Schnitzlers graziöse Komödie, die so starken und
verdienten Beifall einheimste, daß Brahm für
den Dichter danken durfte, den Vorrang. Und
auf prickelnden Sekt will auch klarstes Quell¬
wasser nicht munden. So fand Schönherrs, mit
dem Volksschillerpreis ausgezeichnetes Werk nicht
den gleichen Erfolg, wie verdientermaßen vor
drei Jahren in dem Theater mit dem entsetzlich
langen Straßennamen, das sich früher besser
Hebbel=Theater nannte.
Und doch war die Veranstaltung interessant
genug, da sie Oesterreichs beide vornehmsten
Dichter, den feinsten Stil= und Stimmungs¬
künstler und den stärksten Dramatiker, mit Wer¬
ken ihrer Eigenart nebeneinanderstellte..
Denn diese kleine Mizzi=Komödie ist so ganz
das Musterbeispiel des Schnitzlerschen Genres.
Seine Menschen gebrauchen keine starken Worte,
es sind Menschen in Moll, und doch enthüllen sie
die Tragik ihres Lebens mit schneidender Ein¬
dringlichkeit. Die Helden dieser dramatischen
Skizze sind nicht mehr jung, aber noch nicht
müde; sie resignieren, aber verabschieden darum
nicht die Freuden dieser Welt. Durch die höchste
Verfeinerung des gesellschaftlichen Lebens bricht
unverfälscht die Natur hervor; Natur trotz aller
schimmernden Geistreichheit und liebessatten Er¬
fahrung.
Der Komtesse Mizzi und dem Fürsten Egon
bedeutet die Liebe die feinste und stärkste, aber
darum auch die flüchtigste Essenz des Lebens.
Vor zwei Jahrzehnten hat das junge Kom¬
teßchen sich dem weit älteren Fürsten,
dem verheirateten Mann, dem Freunde ihres
verwitweten Vaters mit Seele und Körper er¬
geben. In einem verschwiegenen Forsthaus
schenkte sie einem Sohn das Leben, den der Fürst
in Krems erziehen läßt. Mizzis Herr Vater,
Graf Arpad, hat für diese traurige Affäre weder
Gedanken noch Augen gehabt, sein eigener
Liebeshandel mit der feschen Lolo, der Dame
vom Ballett, nahm seine Sinne gar zu stark in
Anspruch.
Dies die Vorgeschichte der Komödie, also eine
dunkle Tragödie. Wohl hat der Fürst nach dem
Tode seiner Frau die Mizzi heiraten wollen,
aber sie hat's abgelehnt, und er hat sich mit
anderen Frauen getröstet, gleichwie auch
5
Mizzi
verschmaht, das Leben einer
Nonne zu
Ihr Gegenwärtiger
führen.
ist ihr Malprofessor. Und nun, nach zwei
Dezennien, ereignet sich im Park der väterlichen
Villa so eine Art Familientag, die Lolo kommt,
um sich von ihren. Grafen Arpad zu verab¬
schieden. Zwanzig Jahre ihres irdischen Daseins
ist sie seine Illegitime gewesen, nun will sie sich
von der Bühne zurückziehen, um die Legitime
seines Fiakers zu werden, was den Grafen einer
leichten Melancholie überliefert. Und Fürst
Egon erscheint mit dem bewußten Sohn, einem
hellen Bürschchen, den er adoptiert und der es
ihm glaubt, die Frucht der Intimität des Fürsten
mit einem Mädchen aus dem Volke zu sein.
Mizzi empfindt für den Sohn nichts mehr,
aber trotzdem wird sie schließlich dem er¬
neuten Werben des Fürsten nachgeben, denn
sie verabschiedet ihren Malprofessor, und Fürst
und Komtesse werden die erotische Unbeständig¬
keit in die Zucht der Ehe nehmen.
Dieses Hin und Her der Gefühle und der
Reden der beiden Aristokraten, die die Höhe des
Lebens schon überschritten, und der beiden
Frauen, die sie gerade erreicht haben, ist mit
vollendeter Grazie und scheinbar spielerischem
und doch tiefem Empfinden wiedergegeben.
Von den Darstellern traf den Stil der
Komödie vollkommen nur Irene Triesch, die
die leichte, lässige Art der kapriziösen Komtesse
mit Glück wiedergab und hie und da den Ton
eines echten Gefühls ganz leise anschlug.
Emanuel Reicher ließ einen Paprika¬
grafen vor uns erstehen, ganz wirksam, aber
gegen den Sinn der Komödie. Fürst Egon,
der Diplomat, war Heinz Monnard, etwas
verwischt durch eine gar zu vornehme Reserviert¬
heit, dafür wußte Erich Walter seinen bur¬
schikosen Adoptivsohn mit glaubhafter, nase¬
weiser Verschmitztheit auszustatten.
In Schönherrs „Erde“ bedeutete Emanuel
Reicher — besser als in Schnitzlers Komödie —
den Höhepunkt einer großzügigen Menschendar¬
stellung. Er gab diesem knorrigen Bauern eine
imponierende Wucht, gemildert durch eine kleine
Dosis humoristischer Teufelei. Gegenüber dieser
Leistung verschwand alles andere, versank selbst
die Magd Trine der Lehmann. Nur der Ober¬
knecht Ernst Neßlers blieb bestehen, der mit
Opferfreudigkeit Akt für Akt ein Dutzend Knödel
und ein halbes Brot verschlang.
Julius Knopf
Schnitzlers graziöse Komödie, die so starken und
verdienten Beifall einheimste, daß Brahm für
den Dichter danken durfte, den Vorrang. Und
auf prickelnden Sekt will auch klarstes Quell¬
wasser nicht munden. So fand Schönherrs, mit
dem Volksschillerpreis ausgezeichnetes Werk nicht
den gleichen Erfolg, wie verdientermaßen vor
drei Jahren in dem Theater mit dem entsetzlich
langen Straßennamen, das sich früher besser
Hebbel=Theater nannte.
Und doch war die Veranstaltung interessant
genug, da sie Oesterreichs beide vornehmsten
Dichter, den feinsten Stil= und Stimmungs¬
künstler und den stärksten Dramatiker, mit Wer¬
ken ihrer Eigenart nebeneinanderstellte..
Denn diese kleine Mizzi=Komödie ist so ganz
das Musterbeispiel des Schnitzlerschen Genres.
Seine Menschen gebrauchen keine starken Worte,
es sind Menschen in Moll, und doch enthüllen sie
die Tragik ihres Lebens mit schneidender Ein¬
dringlichkeit. Die Helden dieser dramatischen
Skizze sind nicht mehr jung, aber noch nicht
müde; sie resignieren, aber verabschieden darum
nicht die Freuden dieser Welt. Durch die höchste
Verfeinerung des gesellschaftlichen Lebens bricht
unverfälscht die Natur hervor; Natur trotz aller
schimmernden Geistreichheit und liebessatten Er¬
fahrung.
Der Komtesse Mizzi und dem Fürsten Egon
bedeutet die Liebe die feinste und stärkste, aber
darum auch die flüchtigste Essenz des Lebens.
Vor zwei Jahrzehnten hat das junge Kom¬
teßchen sich dem weit älteren Fürsten,
dem verheirateten Mann, dem Freunde ihres
verwitweten Vaters mit Seele und Körper er¬
geben. In einem verschwiegenen Forsthaus
schenkte sie einem Sohn das Leben, den der Fürst
in Krems erziehen läßt. Mizzis Herr Vater,
Graf Arpad, hat für diese traurige Affäre weder
Gedanken noch Augen gehabt, sein eigener
Liebeshandel mit der feschen Lolo, der Dame
vom Ballett, nahm seine Sinne gar zu stark in
Anspruch.
Dies die Vorgeschichte der Komödie, also eine
dunkle Tragödie. Wohl hat der Fürst nach dem
Tode seiner Frau die Mizzi heiraten wollen,
aber sie hat's abgelehnt, und er hat sich mit
anderen Frauen getröstet, gleichwie auch
5
Mizzi
verschmaht, das Leben einer
Nonne zu
Ihr Gegenwärtiger
führen.
ist ihr Malprofessor. Und nun, nach zwei
Dezennien, ereignet sich im Park der väterlichen
Villa so eine Art Familientag, die Lolo kommt,
um sich von ihren. Grafen Arpad zu verab¬
schieden. Zwanzig Jahre ihres irdischen Daseins
ist sie seine Illegitime gewesen, nun will sie sich
von der Bühne zurückziehen, um die Legitime
seines Fiakers zu werden, was den Grafen einer
leichten Melancholie überliefert. Und Fürst
Egon erscheint mit dem bewußten Sohn, einem
hellen Bürschchen, den er adoptiert und der es
ihm glaubt, die Frucht der Intimität des Fürsten
mit einem Mädchen aus dem Volke zu sein.
Mizzi empfindt für den Sohn nichts mehr,
aber trotzdem wird sie schließlich dem er¬
neuten Werben des Fürsten nachgeben, denn
sie verabschiedet ihren Malprofessor, und Fürst
und Komtesse werden die erotische Unbeständig¬
keit in die Zucht der Ehe nehmen.
Dieses Hin und Her der Gefühle und der
Reden der beiden Aristokraten, die die Höhe des
Lebens schon überschritten, und der beiden
Frauen, die sie gerade erreicht haben, ist mit
vollendeter Grazie und scheinbar spielerischem
und doch tiefem Empfinden wiedergegeben.
Von den Darstellern traf den Stil der
Komödie vollkommen nur Irene Triesch, die
die leichte, lässige Art der kapriziösen Komtesse
mit Glück wiedergab und hie und da den Ton
eines echten Gefühls ganz leise anschlug.
Emanuel Reicher ließ einen Paprika¬
grafen vor uns erstehen, ganz wirksam, aber
gegen den Sinn der Komödie. Fürst Egon,
der Diplomat, war Heinz Monnard, etwas
verwischt durch eine gar zu vornehme Reserviert¬
heit, dafür wußte Erich Walter seinen bur¬
schikosen Adoptivsohn mit glaubhafter, nase¬
weiser Verschmitztheit auszustatten.
In Schönherrs „Erde“ bedeutete Emanuel
Reicher — besser als in Schnitzlers Komödie —
den Höhepunkt einer großzügigen Menschendar¬
stellung. Er gab diesem knorrigen Bauern eine
imponierende Wucht, gemildert durch eine kleine
Dosis humoristischer Teufelei. Gegenüber dieser
Leistung verschwand alles andere, versank selbst
die Magd Trine der Lehmann. Nur der Ober¬
knecht Ernst Neßlers blieb bestehen, der mit
Opferfreudigkeit Akt für Akt ein Dutzend Knödel
und ein halbes Brot verschlang.
Julius Knopf