II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 181

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21 zPoder denIniientag
Vossische Zeitung, Berhin
zl 1. 1917
quickung, die Schnitzler schon vor mehreren Jahren bereitete, nicht!
öfter verlangt hat. Wie der alte Graf Parumandy von seinem
Tbeater und Musik.
treuen Verhantnis melancholischen Abschied nimmt und wie zu¬
Lessing=Theater.
gleich seine Tochter Mirei den natürlichen Sohn kennen lernt, den
„Comtesse Mizzi.“ Komödie in
Akt von Arthur
ihr der Schwager Fürst Ravenstein vor achtzehn Jahren recht
Schnitzles „Erde“. Eine Komödie des Lebens in 3 Akten von
heimlich schenkte, das ist mit auberardentlicher Feinheit ineinander
Karl Schonherr.
gedreht. Und Schnitzler sorgt vor allem dafür, daß der Faden nicht
Nach dem ersten Stück erschien der Direktor, um im Namen des
zu lang wird. Wir wissen, daß Comtesse Mizzi den reizenden Stu¬
Dichters für einmütig gespendeten Beifall zu danken; nach dem
denten anerkennen wird, wie es ihr erster Geliebter vor ihr getan
zweiten Stück geschah dergleichen nicht. Wenn Herr Brahm daran
hat. Aber er schenkt uns die Sentimentalität der großen Erkennungs¬
lag, sich zweimal dankempfangend zu zeigen, so hatte er die beiden
szene; wir haben nur zu lächeln mit einer ganz kleinen inneren
Werke umstellen müssen. Denn durch Schnitzlers übermütigen,
Rührung, so wie sich der ##lte raf von Herrn Reicher hübsch
außerordentlich witzigen und genau so diskreten wie pikanten
ungarisch gespielt, zwischen seinen Späßen die Augen wischt. Fürst
Einakter wurde das Publikum so verwöhnt, daß ihm hinterher
Ravenstein, sein ehemaliger Schwiegersohn, der es nun zum
nichts mehr munden konnte. Es liegt eine Gerechtigkeit in diesem
zweitenmal werden wird, schien mir nicht blaublütig genug; es ge¬
Verhältnis. Die Wiener sind mit Schnitzler, Hofmannsthal und
lingt Herrn Monnard nicht immer, den Naturburschen in sich
anderen verwandten Talenten gesegnet worden, sie empfingen die
umzubringen. Herr Walter als sein Sohn brachte es trotz jugend¬
glänzenden Geschenke einer dekadenten, oder sagen wir lieber, einer
lichster Natürlichkeit im Aristokratischen weiter. Den eigentlichen
großstädtischen, eleganten, luxuriösen Literatur. Aber sie hatten
Glan zaber empfing die gräfliche Villa, in der die milde Vorurteils¬
auch einmal einen Anzengruber gehabt, und als Schönherr mit
losigkeit wohnt, von Irene Trieschs Mizzi. Sie schien ält¬
seinen Bauern die Poesie von den Tiroler Bergen herunter brachte,
liche Comtesse von großer Gesassenheit und überzeugte doch als
glaubten sie wieder reines Quellwasser zu trinken. Daß Schönherr
Weib, das seine Zeit nicht verloren und sich über die erste Ent¬
kein Sohn und überhaupt kein Verwandter von Anzengruber ist,
täuschung durch manche andere getröstet hat. A. E.
wird man allmählich schon merken, hat man wohl gestern schacn
zu merken begonnen. Und doch ist diese Komödie vom Bauern, der
nicht sterben will, die einzige, in der er dem Meister des Bauern¬¬
dramas nahe kommt, die einzige vor allem, in der seine Magek¬
keit nicht auf innerliche Bedürftigkeit, sondern auf künstlerische
Enthaltsamkeit schließen läßt. Und doch scheint der Humor seines
gesündesten und prallsten Stückes schon zusammenzuschrumpfen, ob¬
gleich ihm gestern viel ansehnlichere Krafte zur Verfugung kanden
als bei der ersten Berliner Aufführung im vergangenen Hebbel¬
Theater. Emanuel Reicher steckte in den alten Teufel, der
nicht abdanken will, die bäuerische Kraft und die volkmäßige
Schelmerei. Wenn dieser Grutz nach den Klängen des Letrkastens
noch einen Schuhplattler versucht, so merkt man, was er kinst als
grüner Bursch auf dem Tanzboden geleistet hat. Mich ha immer
gewundert, warum er sich nicht für die wesensverwandte und an
Kraft ebenbürtige Mena interessiert, besonders gestern,
# Else
Lehmann sie mit einer Taille von monumentaler Kundheit
ausstattete. Sehr interessant geriet Herrn Stieler, der ükerhaupt
mehr, manchmal auch weniger als ein Liebhaber ist, das schwäch¬
liche Schmachtwesen des ältlichen Bauernsohnes. Mit Faulein
Sussin machten sich auch Forest, Ziener, Neßler, Walter ui eine
tüchtige Vorstellung verdient, die aber dem Publikum die Tchtig¬
keit der Komödie nicht ebenso nahe zu legen schien. Und et hat
sich doch für die geringeren Werte von „Glaube und Heimal be¬
geistert.
Der zarte und elegante Schnitzler hat, wie gesagt, den sicheten
Techniker der Szene von vornherein entwaffnet. „Comtesse Mizzi“
gehört zu den großen Kostlichkeiten, und es bleibt oder blieb bis
gestern abend eine große Wunderlichkeit, daß man nach dieser Er¬