II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 188

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21. Kontesse Mizz1oder der Fani Lientag
weiter, der feit achtzig Jahren in der Burgtheaterlust grußisch ge¬ Dieses heikle Kreuz= und Querstücklein wurde meisterhaft ge¬
sucht nach eigenem Grund und
deiht. Schon oft genug hatte ihn ein gewisser Jemand mit seinem spielt. Was in der „Erde“ ganz fehlte, war hier mit feinster Fein¬
blieb. Auch nicht die Tragödie
„Brüderl kumm“ gezupft, aber der Zupfer hatte so wenig Macht über heit dat das Unausgesprochene, das Verborgene in den Vorgängen.
Kronprinzenschicksal erlebt, nie
ist die Komödie der unverwüst= ihn wie über den alten Grutz, den er gewiß ohne alle Nuancen und Frau Triesch zeigte als Komtesse Mizzi, wie man ein tragisches
Komplikationen aus seiner eigenen Grutznatur und aus seinem eigenen Schicksal mit Ironie überwindet, wie aus Leiden Humor wächst.
n Menschennatur, eines wurzel¬
Grutzalter heraus spielt. Hier im Lessingtheater ist die Aufgabe wieder Oft, besonders im Verhältnis zum großgewordenen Sohne, hat sie
Mitleid auf die engen Herzen und
an einen denkenden Künstler, an Herrn Reicher gefallen, dem das das Gegenteil von dem zu sagen, was sie fühlt; wie sich das bei
Dienstboten. Noch mehr Mit¬
Naive, das Animalisch=Begetabilische, das Erd- und Lebensfreudige Frau Triesch andeutete, war hohe Kunst. Sehr echt neben ihr war
iderstandslosen Schlemihl von
versagt ist. Er stand, obwohl so starke Kräfte wie Frau Else Leh= Herr Monnard als österreichisches Herrenhausmitglied, das nie
mehr oder minder tief seufzend
mann mit ihm wirkten, in einer unfertigen, von Mißgeschick ver= redet. Auch Herr Reicher als alter Graf stand hier wieder einmal
dem Strohhalm zufrieden, der
folgten Vorstellung, die des Lessingtheaters ebenso unwürdig war seinen Mann, und Herr Walter als junger liebenswürdiger
ht um sie ist kein Anlaß. Hannes
wie der Dichtung und des Dichters. Je befangener und fremder sich Frechdachs erregte viele Heiterkeit. Dem Schnitzler gab man, was
sich schon begnügen, Mena wird
die Darsteller fühlten, desto entfremdeter wurde das Publikum, das des Schnitzlers ist. Dem Schönherr leider nicht.
misten. Furcht ist nur dort, wo
sich bei den vielen hingezerrten, ungefüllten und ungefühlten, ver¬
en zu gehen scheint, wo er sich
legenen Pausen nicht zurechtfand. Manchmal trat sogar Unruhe ein.
sdieser Furcht wird Freude, als
und ein Versuch, der Frau Lehmann zu applaudieren, mißlang.
ß der alte Birnbaum im Hofe,
Wenn schließlich doch Direktor Brahm für genügenden Beifall danken
in in der Kammer neue Lebens¬
konnte, so entsprach dies mehr der Erinnerung an „Glaube und
te Bauer leben bleibt und gesund
Heimat". Die „Erde“ muß noch erst verstanden werden.
selbst seinen Tod ganz ohne
Zu den seltenen Vorzügen des Stückes gehört auch seine epigram¬
liches Geschäft betrachtet. Mit
matische Knappheit, seine gedrungene Kürze. Ein Zusatzstückchen wird
verhandelt er, als gelte es eine
erforderlich. So wurde dem Tiroler der Wiener, dem Bauern¬
haffen. Nur die erwerbsgierige
sprossen der Salonmensch, dem Primitiven das Raffinement, der
od selber. Sein Herz verschließt
Natur die Dekadenz gesellt.
en Sohne, vor sich selbst. Sein
Arthur Schnitzlers „Komtesse Mizzi“ gehört nicht zu
id Begetation seines Erdengutes.
jenen reizenden Komteßchen, um derentwillen manches Stück Schnitz¬
ttelroß und seine Weißbirke liebt
lers und auch Schönherrs nicht „burgtheaterfähig“ ist. Wie es in
sich her aber vergleicht er mit
höheren Ständen eine verschämte Armut gibt, so gibt es auch eine
hnen Eigenschaften findet, die aus
verschämte Defloriertheit. Während die Spreewäldlerin mit stolzer
tionen entarten. Ob er selbst
Offenheit ihre Volkstracht an die Wiege des großstädtischen Säug¬
ihm freilich nicht in den Sinn.
lings trägt, muß eine Komtesse Mizzi den gleichen Fall, der bei ihr.
ft, seiner Körperkraft, seiner
hadet. Keine Krankheit, sondern
wirklich ein Fall ist, sogar hinter dem Scheine werdender Altjüngfer¬
lichkeit verbergen. Weder ihr Vater noch ihr achtzehnjähriger Sohn
ahe. Kein Arzt, keine Medizin
wissen etwas. Mitten in einer Umgebung, wo jeder Passion jeder
nterschlaf.
nte „Alwine“ an mich, ich möge
Zügel genommen ist, glaubt man an die Gezügeltheit, an die
Unpassioniertheit einer jungen Dame, bloß weil sie Gräfin ist.
tiker „endlich eine gesetzte, männ¬
nit den ewigen lyrischen Traub¬
Aber die Gräfin nahm sich heimlich dieselbe Freiheit, die der
Balletteuse offen eingeräumt wird, vor deren Umgang jene der gräf¬
: „Es wird ja selbst uns Frauen
standeln fände im alten Grutz ihr
liche Papa um so ängstlicher behütete, je intimer erselbst den
Umgang dieser Balletteuse genoß. Zwischen allen stillen und lauten
t, so überlebte er auch seinen so Verhältnissen bildet sich ein rechter, echter Schnitzlerscher „Reigen“,
der vom alten Grafen bis zum feschen Wiener Fiaker, von der alten
r Darsteller, dem man wohl die
un spielt ihn dort wie zur löst= Geliebten des Grafen zum unehelichen Sohn seiner Tochtor führt
htzigjährige Bernhard Baumeister und vom Direktor mit mehr als gewohntem Geiste geführt wird.