II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 187

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7.7.
21. Kontess Midenderani Tientag
Berüiner Tageblat
N l. 1912
weiter, der feit achtzig Jahren
gödie alternder Mägde, deren Sehnsucht nach eigenem Grund und
deiht. Schon oft genug hatte
—Schönherr und Schnitzler.
Boden unerfüllt oder schlecht erfüllt blieb. Auch nicht die Tragödie
„Brüderl kumm“ gezupft, aber
des alternden Bauernsohnes, der das Kronprinzenschicksal erlebt, nie
(Erstaufführung im Lessingtheater.)
ihn wie über den alten Grutz,
ans Zepter zu kommen. Sondern es ist die Komödie der unverwüst¬
Komplikationen aus seiner eigen
Von
lichen Lebenskraft einer erdgeborenen Menschennatur, eines wurzel¬
Grutzalter heraus spielt. Hier in
Paul Schlenther.
starken Naturmenschen. Wohl falle Mitleid auf die engen Herzen und
an einen denkenden Künstler, a#
darbenden Triebe jener heimatlosen Dienstboten. Noch mehr Mit¬
Ein großer Erfolg, wie ihn Karl Schönherrs
Naive, das Animalisch=Begetabi
leid falle auf den schwachen, widerstandslosen Schlemihl von
Glaube und Heimat“
hat, zieht nicht bloß Plagiat¬
versagt ist. Er stand, obwohl
Bauernsohn. Aber sie finden sich alle mehr oder minder tief seufzend
chnüffler und Marodeure nach sich,
sondern zeigt auch
mann mit ihm wirkten, in e
in ihr Schicksal und geben sich mit dem Strohhalm zufrieden, der
er
wirft klarere Lichter
ine erquicklichere Folge;
als
folgten Vorstellung, die des L
ihnen in der Hand bleibt. Zur Furcht um sie ist kein Anlaß. Hannes
isher auf die frühere Tätigkeit desselben Dichters. So ging es einst
wie der Dichtung und des Dicht
wird sich schon begnügen, Trine wird sich schon begnügen, Mena wird
Sudermann; erst als die „Ehre“ heraus war, besann man sich auch
die Darsteller fühlten, desto en
sich oben im Eishof sogar leidlich einnisten. Furcht ist nur dort, wo
ruf seinen innigeren Jugend= und Heimatroman „Frau Sorge". Für
sich bei den vielen hingezerrte#
es dem alten Grutz wirklich ans Leben zu gehen scheint, wo er sich
Schönherr war es die höchste Zeit, daß er endlich allgemeine Be¬
legenen Pausen nicht zurechtfand
selbst schon aufgeben will. Aber aus dieser Furcht wird Freude. als
ichtung fand. Darin viel mehr als in ihr selbst liegt der Wert
und ein Versuch, der Frau #
mit dem jungen Frühjahr nicht bloß der alte Birnbaum im Hofe,
seiner Tragödie vom Kampfe zwischen Heimat und Glauben. Man
Wenn schließlich doch Direktor ###
sondern auch der alte Grutz drinnen in der Kammer neue Lebens¬
hat allmählich dieses eine Werk in demselben Maße überschätzt, wie
konnte, so entsprach dies mehr
keime ansetzt. Die Freude, daß der alte Bauer leben bleibt und gesund
nan frühere unbeachtet ließ und läßt. Wenigstens in Berlin.
Heimat“. Die „Erde“ muß noch
wird, ist um so ungemischter, als er selbst seinen Tod ganz ohne
Das erste Anrecht, rehabilitiert zu werden, gebührte der
Zu den seltenen Vorzügen de
Sentimentalität, wie ein unvermeidliches Geschäft betrachtet. Mit
„Komödie vom Leben“ die sich jetzt auf der Siegesstätte
matische Knappheit, seine gedrun
dem Sargtischler, dem Totengräber verhandelt er, als gelte es eine
jener „Tragödie eines Volkes“ behaupten wollte. In Schön¬
erforderlich. So wurde dem
Bettstelle oder eine Kalkgrube anzuschaffen. Nur die erwerbsgierige
herrs zweiter Heimat Wien hält sich die „Erde“ im Burg¬
sprossen der Salonmensch, dem
Leichenwäscherin hänselt er wie den Tod selber. Sein Herz verschließt
theater schon seit vier Jahren aufrecht. Mit Hilfe einer nahezu voll¬
Natur die Dekadenz gesellt.
sich vor den Menschen, vor dem eigenen Sohne, vor sich selbst. Sein
endeten Darstellung gelang es, die stark angezweifelte „Burgtheater¬
Arthur Schnitzlers
Herz öffnet sich vor aller Kreatur und Begetation seines Erdengutes.
fähigkeit" dieser Bauernkomödie durchzusetzen. „Burgtheaterfähigkeit“
jenen reizenden Komteßchen, um
Seine Saat und seine Ernte, sein Sattelroß und seine Weißbirke liebt
lers und auch Schönherrs nich
er von Herzen; die Menschen um sich her aber vergleicht er mit
Seieter der anensten SAasbract in sener Sonchargen und e.
höheren Ständen eine verschäm
Geiern, Habichten, Uhus, weil er an ihnen Eigenschaften findet, die aus
Dieses Stück aber hatte vor der Feuerprobe nicht nur die Anwälte
verschämte Defloriertheit. Wäh
der vegetierenden Natur zu Spekulationen entarten. Ob er selbst
des Schöngeister= und Komtessenunwesens gegen sich, sondern auch
Offenheit ihre Volkstracht an
zu diesen Raubvögeln gehört, kommt ihm freilich nicht in den Sinn.
seinen Hauptdarsteller, den weithin wirkenden Josef Kainz. „Eine
Keinesfalls hat es seiner Lebenskraft, seiner Körperkraft, seiner
lings trägt, muß eine Komtesse
äußeren und inneren Gesundheit geschadet. Keine Krankheit, sondern
wirklich ein Fall ist, sogar hinte
Kr ererter e ertetelte aul he. 2r
ein Unfall bringt ihn dem Tode nahe. Kein Arzt, keine Medizin
lichkeit verbergen. Weder ihr 2
fahrung, es gibt einen Theaterskandal, wie noch nie. Wenn ich auf der
heilt ihn, sondern sein gesunder Winterschlaf.
wissen etwas. Mitten in einer
Wage steh', brüllt's ganze Publikum.“ Als ich dem Dichter diese
Kürzlich schrieb eine mir unbekannte „Alwine“ an mich, ich möge
Befürchtung übermittelte, antwortete er trocken und ruhig: „Das wäre
Zügel genommen ist, glaubt
doch dafür sorgen, daß unsere Dramatiker „endlich eine gesetzte, männ¬
Unpassioniertheit einer jungen
ja gut. — Ich wünsche mir nichts Besseres; erst wenn die Leute lachen,
liche Richtung einschlügen und uns mit den ewigen lyrischen Traub¬
haben sie das Stück verstanden.“
Aber die Gräfin nahm sich he
rosinen verschonten“. Sie fügte hinzu: „Es wird ja selbst uns Frauen
Balletteuse offen eingeräumt wir
Im Verlaufe der Proben änderte plötzlich auch Kainz seine Mei¬
zuviel.“ Diese Verehrerin bitterer Mandeln sände im alten Grutz ihr
liche Papa um so ängstlicher b#
nung. Nachdem er die einheitlich=eherne Gestalt etwas virtuosenhaft
Ideal.
Umgang dieser Balletteuse genoß
nnanciert und kompliziert mit Sentiments ausgestattet hatte, leuchtete
Wie der alte Grutz alles überlebt, so überlebte er auch seinen so
Verhältnissen bildet sich ein rech
zuletzt, als der Genesende auf der Wage stand, die lichteste. Lebens¬
sehr viel jüngeren berühmten Wiener Darsteller, dem man wohl die
freude: Kainz lachte, wie nur er lachen konnte, das Publikum lachte,
der vom alten Grafen bis zum
der Dichter lachte, wir alle lachten. Nun war es klar, daß dieses
Geliebten des Grafen zum ue
gleiche Zähigkeit zugetraut hätte. Nun spielt ihn dort wie zur köst¬
Stück nicht eine Tragödie ist, sondern eine Komödie. Nicht die Tra- lichsten Selbstperfiflage der fünfundachtzigjährige Bernhard Baumeister und vom Direktor mit mehr a