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21. Kontes1oderder Fani Lientag
Verstandes, dessen Seelenkenntnis
Flamme und geben vorläufig mehr
man bewundern kann, dessen auf¬
Qualm als Licht und Wärme; un¬
bauende Überzeugungs= und Ge¬
verkennbar aber und Respekt ge¬
staltungskraft aber von Szene zu
bietend ist das heiße Verlangen all
Szene mehr in sich zusammen¬
dieser Gedenkfeiern, durch die jähen
schmilzt. Eine andre Darstellerin,
Wandlungen und Verzerrungen des
etwa die Bertens in jüngern Jah¬
flackernden Genies hindurch zu dem
ren, hätte diese an Heldin und
Aufrechten und Dauernden zu ge¬
Drama gleich gefährlich nagende
langen, das man hinter ihnen ahnt.
Zersetzung vielleicht zu dämpfen ver¬
Allerlei Anzeichen sprechen dafür,
mocht — Irene Triesch, die sich das
daß er jetzt selbst nach einem Anker¬
Theater an der Königgrätzer Straße
platz sucht, wo seine Schiffe Ruhe
für die Titelrolle vom Lessingthea¬
und seine Leidenschaften Besänfti¬
ter geholt hatte — ein jammervoller
gung finden. Mit ihm sucht die
Zustand, diese ewige plundrige
deutsche Bühne, und noch einmal,
Schauspielerborgerei! — tat aus
wie schon vor einem Jahrzehnt, naht
ihrer zerfasernden Intelligenz her¬
sie sich seinen historischen Heimat¬
aus alles, um die „große schlimme
dramen, in der Hoffnung, in diesem
Christine“ in dem kleinen hysterisch
Bezirke ein Stück Gottesfrieden nach
unartigen Christel untergehen zu
all dem Lärm und Kampf zu ent¬
lassen.
decken. Doch ihre Hoffnung wird
Der Rest dieser Wochen war Ko¬
nur halb erfüllt. Auch die „Köni¬
mödie, Lustspiel und Schwank. Rein¬
gin Christine", dieses um 1904
hardt feierte seine Heimrehr vom
entstandene Drama, das fünfte in
Londoner Weihnachtsmarkt mit der
der Reihe der acht historischen
Aufführung der strahlend heiteren
Schauspiele, ist nicht mehr als ein
Liebeskomödie „Viel Lärm um
schwächliches Gemisch kleinlich zer¬
nichts“ und putzte diesen Stern
fasernder Seelenanalyse und vage
der höchsten Höhe so blank, wie er
schweifender Mystik, die ihre Halt¬
sich dem elisabethischen England am
losigkeit vergebens hinter dem täu¬
ersten Tag gezeigt haben mag,
schenden Programmwort von dem
hängte aber doch auch wieder aller¬
„bewußten Willen in der Weltge¬
lei schnörkelhafte, sich selbst parodie¬
schichte“ zu verbergen sucht. Von
rende Klunker dran — zum Glück
dem Rückgrat der Geschichte, das
nicht entfernt in der halsbrecheri¬
diesem reichbelaubten, kühn empor¬
schen Manegemanier, die einst das
strebenden, aber unaufhörlich
Zwillingsstück dieser Liebes=, Ver¬
schwankenden Schaft einer durch und
leumdungs= und Eifersuchtskomö¬
durch triebhaften Begabung zum
die, die „Zähmung der Widerspen¬
Segen hätte werden können, spürt
stigen“, beinahe für den Zirkus reif
man nur in den beiden ersten Akten
gemacht hätte.
etwas, in denen die Zeit nach Gustav
Im Lessingtheater gab es einen
Adolfs Tode kräftig umrissen und
neuen Sniklerschen Einakter
der verhängnisvolle Gegensatz zwi¬
„Komtesse Mizzi“, die geistreich
schen dem soliden, gründlichen
schillernde, halb strafende, halb strei¬
Schweden Oxenstjernas und dem luf¬
chelnde Frotzelung einer „unbege¬
tigen, unterhöhlten und angefresse¬
benen“ leise angefaulten österreichi¬
nen Schweden Christinens farbig
schen Aristokratin, die sich über alles
illustriert wird. Nachher verkrümelt
Familienhafte wunder wie erhaben
und zerstäubt alles unter den Boh¬
rern und Feilen eines auflösenden dünkt, dann aber auf ihre späten
391
2 Märdbest bis
Kad
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Flamme und geben vorläufig mehr
man bewundern kann, dessen auf¬
Qualm als Licht und Wärme; un¬
bauende Überzeugungs= und Ge¬
verkennbar aber und Respekt ge¬
staltungskraft aber von Szene zu
bietend ist das heiße Verlangen all
Szene mehr in sich zusammen¬
dieser Gedenkfeiern, durch die jähen
schmilzt. Eine andre Darstellerin,
Wandlungen und Verzerrungen des
etwa die Bertens in jüngern Jah¬
flackernden Genies hindurch zu dem
ren, hätte diese an Heldin und
Aufrechten und Dauernden zu ge¬
Drama gleich gefährlich nagende
langen, das man hinter ihnen ahnt.
Zersetzung vielleicht zu dämpfen ver¬
Allerlei Anzeichen sprechen dafür,
mocht — Irene Triesch, die sich das
daß er jetzt selbst nach einem Anker¬
Theater an der Königgrätzer Straße
platz sucht, wo seine Schiffe Ruhe
für die Titelrolle vom Lessingthea¬
und seine Leidenschaften Besänfti¬
ter geholt hatte — ein jammervoller
gung finden. Mit ihm sucht die
Zustand, diese ewige plundrige
deutsche Bühne, und noch einmal,
Schauspielerborgerei! — tat aus
wie schon vor einem Jahrzehnt, naht
ihrer zerfasernden Intelligenz her¬
sie sich seinen historischen Heimat¬
aus alles, um die „große schlimme
dramen, in der Hoffnung, in diesem
Christine“ in dem kleinen hysterisch
Bezirke ein Stück Gottesfrieden nach
unartigen Christel untergehen zu
all dem Lärm und Kampf zu ent¬
lassen.
decken. Doch ihre Hoffnung wird
Der Rest dieser Wochen war Ko¬
nur halb erfüllt. Auch die „Köni¬
mödie, Lustspiel und Schwank. Rein¬
gin Christine", dieses um 1904
hardt feierte seine Heimrehr vom
entstandene Drama, das fünfte in
Londoner Weihnachtsmarkt mit der
der Reihe der acht historischen
Aufführung der strahlend heiteren
Schauspiele, ist nicht mehr als ein
Liebeskomödie „Viel Lärm um
schwächliches Gemisch kleinlich zer¬
nichts“ und putzte diesen Stern
fasernder Seelenanalyse und vage
der höchsten Höhe so blank, wie er
schweifender Mystik, die ihre Halt¬
sich dem elisabethischen England am
losigkeit vergebens hinter dem täu¬
ersten Tag gezeigt haben mag,
schenden Programmwort von dem
hängte aber doch auch wieder aller¬
„bewußten Willen in der Weltge¬
lei schnörkelhafte, sich selbst parodie¬
schichte“ zu verbergen sucht. Von
rende Klunker dran — zum Glück
dem Rückgrat der Geschichte, das
nicht entfernt in der halsbrecheri¬
diesem reichbelaubten, kühn empor¬
schen Manegemanier, die einst das
strebenden, aber unaufhörlich
Zwillingsstück dieser Liebes=, Ver¬
schwankenden Schaft einer durch und
leumdungs= und Eifersuchtskomö¬
durch triebhaften Begabung zum
die, die „Zähmung der Widerspen¬
Segen hätte werden können, spürt
stigen“, beinahe für den Zirkus reif
man nur in den beiden ersten Akten
gemacht hätte.
etwas, in denen die Zeit nach Gustav
Im Lessingtheater gab es einen
Adolfs Tode kräftig umrissen und
neuen Sniklerschen Einakter
der verhängnisvolle Gegensatz zwi¬
„Komtesse Mizzi“, die geistreich
schen dem soliden, gründlichen
schillernde, halb strafende, halb strei¬
Schweden Oxenstjernas und dem luf¬
chelnde Frotzelung einer „unbege¬
tigen, unterhöhlten und angefresse¬
benen“ leise angefaulten österreichi¬
nen Schweden Christinens farbig
schen Aristokratin, die sich über alles
illustriert wird. Nachher verkrümelt
Familienhafte wunder wie erhaben
und zerstäubt alles unter den Boh¬
rern und Feilen eines auflösenden dünkt, dann aber auf ihre späten
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