II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 11

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20. Zwischenspiel
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Zwischenspiel.
Komödie von Artur Schnitzler.
Uraufführung im Wiener Hofburgtheate
am 12. Oktober 1905.
Am deus Adam und seine Frau Cäcilie sind
Adelsmenschen. Richt mur, weil sie ehrfürchtigen
Sinnes ihren hohen Herrin, der edlen Frau Musita,
deuen, und auf ihrer Stirne das könißliche Diaden
des Genius tragen. Sondern weit sie in alle Be=„ Frau Gäeilie nur ein Spelball gewefen zu sein, ein1 fühlen dieser vornehmen und doch in ihr Sexus gesl paßt
ziehungen des Lebens, auch in jene, die das dunkle
armseliges Mittel ihren Gatten fester an sie zu
fangenen Menschen spricht das tiefste Verständnis,
und in
Unterbewußtsein des Sexus regiert, Wahrheit und
fesseln. Eines solchen Glückes wie das — ihr Gatte
das B
das ein deutscher Dichter der Gegenwart für seine
#reiheit bringen. Ein aufrichtiger Bund ist ihnen die
zu werden — hat er sich ohnehin im stillen immer für
Menschen hatte. Nur ein Dramatiker spricht nicht
zugleich
Ehe, den kein Zwang, nur herzlicher Wille binden soll
unwürdig gehalten. Und die beiden Männer, die ein¬
Wi
daraus. Dabei ist es überaus keltsam, daß auch dieses
Sieben Jahre der Liebe und köstlichen Verstehens
ander fast gemordet hätten, scheiden versöhnt wieder
heimliche, tiefgehende Schauspiel in allem Nebensäch¬
haben sie mit einander verlebt. Nun lockert sich leise
als Freunde von einander. Aber wie die Gatten sich
lichen Schnitzler in vollem Besitze seiner ganz außer¬
das Band. Nicht daß sie aufhörten, einander jene
gegenüber stehen, da tut sich ein Abgrund zwischen
ordentlichen dramatischen Gewalten zeigt. Er läßt
seltenste Hilfe zu bieten, die im gegenseitigen Ver¬
ihnen auf. Cäcilie liebt ihren Gatten, und doch fühlt
eine satirische Nebenfigur nur einige pointierte Sätze
trauen liegt. Aber als Künstler und Menschen sehnen
sie unaufhaltsam sich ihm entgleiten. Nicht nur, weil,
sprechen, und die Leute lachen, ohne sich später dessen
sie sich nach neuen Erlebnissen, dürsten sie nach neuen
wie sie wohl sagt, morgen eine neue Liebelei ihn von
schämen zu müssen. Sein Dialog ist von einer er¬
Abenteuern. Er hat sich in eine gefällige Sängerin
ihr fortführen kann, sondern weil sie heute als andere
staunlichen, gedankenschweren Knappheit. Hohe, ernste
verliebt, sie lockt die naive Verehrung eines jungen
anders liebend und anders geliebt, in seinen Armen
Geheimnisse regen sich unter Schleiern, die der Dichter
Fürsten. Entschlossen macht er die Probe auf das
ruhte, weil sie durch ihren eigenen Mann — nicht
absichtlich über sie breitete. Aber eben diese Absicht ist
Exempel der Aufrichtigkeit. Kein Verschweigen, kein
durch einen Liebhaber, wie die Leute dachten — zur
zu tadeln. Schnitzler kann so viel, daß er, nach echter
Betrug! Sie suchen neue Wege — sollten sie sich
„Gefallenen“ ward. Das hat ihre glimmenden Be¬
Dichter Art, alles dessen müde ist. Was ihm gelang,
gegenseitig verstellen? Das wäre ihrer unwürdig. Sie
gierden zur Flamme angefacht. Ein neues Leben —
hat er damit auch schon überwunden. Er sucht nach
geben sich frei. Aber, meint Amadeus, Freunde blei¬
kein besseres, jedenfalls aber ein bunteres — erwartet
neuen Möglichkeiten für seim Schaffen, sammelt
ben sie deshalb doch. Und ihr Bub ist auch da. So
sie. Die beiden werden sich immer nacheinander sehnen,
Schwierigkeiten, um sie zu bestegen, verknüpft selbst
sollen sie beisammen bleiben und nichts soll anders
und doch nie wieder erleben können, was sie einmal er¬
unentwirrbare Knoten, um sie dann zu entwirren.
sein als das „eine". Eine kleine Veränderung, scheint
lebt haben. So ward, was wie ein heiteres, kleines
Soging er seinen einsamen Weg“ so spielte
es. Eine große, wie sie bald empfinden werden.
Zwischenspiel gedacht war, für diese zwei Menschen
er uns sein „Zwischenspiel“ auf. Aber immer
Denn wie sie sich wiedersehen, er, nachdem sein
zu einem schmerzlichen Finale.
wieder suchen wir den Schnitzler von früher mit seine.
flüchnges Abenteuer vergaukelt, sie, nachdem sie in der
Das ist in Kürze der Inhalt von Artur Schnitzlers
heiteren Verachtung und charmanten Wehmut, den
Ferne an ihres jungen Lieblings Seite Triumphe er¬
neuer Komödie. Sehen wir zu, was für Motive sie
Spieler mit bunten Zufällen, den Gaukler, der so oft
rungen hat — stehen sie sich verändert gegenüber.
anschlägt.
und immer reizvoll dem Verhältnisse von Tod und
Auch jetzt noch die Wahrheit, natürlich! Das sind sie
Da sind zwei Menschen, die einander verstehen bis
Liebe nachspürte. Ist es nur unsere Schuld. daß wir
sich schuldig. So sagt sie ihm denn, daß ein dritter
ins Innerste. Und im Augenblick der größten Ent¬
ihn damals vielleicht weniger achteten, aber sicher mehr
ihr gefährlich werden könnte. Er aber begehrt sie
scheidung ahnt der Mann nichts von den unergründ¬
liebten? Es ist auch die seine. Er zupft die Fäden
wieder, sie, die das Leben fern von ihm, die Leiden¬
lichsten Geheimnissen seiner Frau. Sie sieht durch
so vielfach, daß sich das Gespinst verwirrt. Und doch
schaften der andern für sie, das leise Pochen erwachen¬
ihn, indeß sein Blick stumpf ist. Die Frauallein
— mit aller Feinheit — wird ihm, nie wie Ibsen,
der eigener Begierden seltsam gewandelt hat. Nicht
hat das Genie der Liebe... Da gibt sich
den er einholen will, das Problem zu einer Gestalt,
wieder seine Frau, eine neue Geliebte soll sie ihm sein.
ein Paar die Freiheit, unbegrenzt, schrankenlos. Der
sondern er gestaltet nur ein Problem. Auch im
Sie widersteht ihm nur schwach; wie er sie gewinnt,
Mann macht durch Taten, die Frau durch
„Zwischenspiel“ ist er unser anregendster
fühlt sie wohl dumpf, daß er ihr erster Liebhaber war
Wünsche von ihr Gebrauch ... Da binden sich die
Dramatiker. Aber er könnte — das wissen wir seit
und die Zeit ehrbarer Gewöhnung für sie vorüber sei.
beiden Gatten durch die Wahrheit und werden zu
dem „Schleier der Beatrice“
unser
Mit dem eigenen Manne hat sie zuerst die abschüssige
spät gewahr, daß diese Fessel ihr Glück zerschneidet.
bester Dramatiker sein.
Bahn betreten. Er ahnt es nicht; glaubt er doch wie
Ein kleiner, unbedeutender Betrug, und die Krise
Im Burgtheater war es ein Erfolg — aber
alle Welt, sie hätte sich ihrem jungen Freunde hinge¬
wäre unbeachtet und folgenlos vorüber gegangen. Der
mehr ein Erfolg Schnitzlers als seines Werkes.
geben. Und worüber der Gatte scheinbar so leicht
Fluch der Wahrheit! So selisam ändern uns
Die Gelegenheit war endlich für das Publikum ge¬
hinweg kam, das scheint dem Liebhaber unerträglich.
die Erlebnisse, daß wir nur die Gleichen zu bleiben
kommen, um dem Dichter, den direktoriale Unfähig¬
Das Tier in ihm ist erwacht; der andere muß hinaus
scheinen und uns mit uns selbst betrügen
keit lange Jahre von der Hofbühne ferngehalten hat
aus dieser Welt, die erst wieder licht sein kann, wenn
können ... Die innigste, achtungsvollste Liebe kann
seine Sympathie zu bezligen. Der Beifall galt eher##
der arme Fürst Sigismund von ihm ausgetilgt wurde
von einer Verwirrung des Geschlechtes zer¬
dem Lebenswerk des Dichiers als diesem einzelnen &
aus dem Buche des Lebens. Da öffnet sich die Türe;
stört werden daß nur Trümmer bleiben ... Der
Werke, das mit unheimlicher, nachtwandlerischer E.
vor ihm steht der Jüngling. Bescheiden und liebevoll
Mann glaubt an die Macht der Worte; die Frau ist
Sicherheit, an Abgründen burlesker Komil vorbei, zu g
erbittet er von dem Gatten die Hand der Gattin..
so fein und tief, daß sie erraten werden will ...
nadelspitzen Felsen künstlicher Konflikte sich versteigt. B
Dies unerträgliche Verhältnis muß ein Ende finden.
Diese Motive und noch viele andere, richt weniger
Sicherlich aber begrüßte er auch Herrn Kainz, der 1#
Seine ehrbare Zurückhaltung sehnt sich zu heftig nach
reizvoll und gefährlich, werden angeschlagen. Ihre
von kindlichster Künstlereinfalt, liebenswürdigsteru
der legitimen Freude. Da wird für Amadeus Adams
Fülle deutet zugleich auf die Armut wie auf denMännchenhaftigkeit, lebhaftester Leidenschaft und
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die Welt wieder licht; alles wird wieder sein wie einst,
Reichtum des Werkes. Es ist ein dürftiges schwaches überteugendster Genialität war. Fräulein Witt
glaubt er. Er möchte dem armen guten Jungen am
Stück: aber es überquillt von schöner Dichterweis= spielte die Cäcilie. Mehr ist über sie nicht zu sagen. In.
liebsten um den Hals fallen. Der glaubt freilich für heit, die nicht in Sentenzen abtropft. Aus den Ge¬ Den Fürsten Sigismund verkörperte — das Wort idi