Am letzten Dienstag fand im Burgtheater der erste
Fremierenahend statt. Zwei Werke französischer Antoren gingen
n Szeue: „Der Schleier des Glücks“ von Clemenceau und
„Das Rätsel“ von Hervien. Mein Kollege mit dem kritischen
Richtschwert hat den Einakter und Zweiakter vorgenommen.
Was mich an dieser Stelle ve#mlaßt, eine Angelegenheit des
Theaters zu diskutieren, ist der sonderbare Ukas der Hof¬
###eaterbebörde, der am Tage nach den genannten Erstauffüh¬
#ingen in die Deffentlichkeit hinausdrang. Für außer¬
Jedentliche Vorsteillungen in den Hoftheatern sollen
##uftig#le Sitzkategorien eine Preiserhöhung erfahren,
#### auch die Gateriesitze, an die bisher der Großsäckelbewahrer
richt rührte. Diese Entscheidung wirhelte im Publikum Staub
auf und die Tagespresse übte Kritik an der Ordre aus der
Kabinettskanzlei des Freiherrn von Plappart. Ich werde des¬
Palb hier die andenoeitig vorgebrachten Argumente gegen diese
„Verteuerung des Kunstgenusses“ nicht wiederholen, schon*
deshalb nicht, weil ich die meisten Premierenveranstaltnagen
des Herrn Direktors Schleuther nicht als erlesene Kunst¬
zenüsse zu erkennen vermag. Ich bin von der gegenwärtigen
Leitung des Burgtheaters gegen Ueberraschungen abgestumpft
worden und deshalb setzte mich auch der „Friede“ nicht in
Erstaunen, den Direktor Schleuther mit Arthur Schnitzler
und der ganzen, lange schnoddrig behandelten „Heimatskunst“
abzuschließen für gut befand. Einigermaßen verwundert bin
ich doch. Der Direktor des Burgtheaters überläßt der Gene¬
ralintendanz der Hoftheater die Entscheidung über die Klassi¬
sikation der Novitäten und des ganzen Repertoires. So
wie es Droschken „erster" und „zweiter Güte“ gibt, sollten
künftig „außerordentliche" und „gewöhnliche“ Vorstellungen
ristieren und der Theaterzettel wird das p. t Publikum
von dieser hochobrigkeitlichen Aichung eines Po### werkes in
Kenntnis setzen. Eine neue Bevormundung in Geschmack¬
sachen und literarischen Dingen. Ich bin sehr neugierig, welche
Note Schleuthers Busenfreund Gerhard Hauptmann von der
behördlichen Punzierungsstation der Dichter bekommen wird.
Der Autor der „Rose Bernd“ ist bei der löblichen Sitten¬
kommission schlecht angeschrieben, die möglicherweise Gustav
Davis, Schönthan, Mosere tutti quanti höher bewertet als
die Stürmer und Dränger, die Probleme auf die Bühne
bringen, gefährlich für Komtessenohren oder unangenehm für
Exzellenznerven. Schon am letzten Dienstag merkte man den
intendanzlichen Stempel. Clemenceau und Hervien wurden zu
gewöhnlichen Preisen aufgeführt. Ich greife dem Kritiker der
„Montags=Revne“ nicht vor, doch darin glaube ich der Zustim¬
mung meines Kollegen sicher zu sein, wenn ich der Hoftheater¬
behörde das Recht abspreche, Unterscheidungen zwischen den Dich¬
tein, die ihre Werke dem Burgtheater übergeben, vorzunehmen
und vor der Premiere ein Urteil gewissermaßen vor den Augen
der Wiener auf dem Theaterzettel zu affichieren. Darin liegt
eine Ungehörigkeit, eine Anmaßung, zu deren Abwehr Direktor
Schleuther in allererster Reihen berufen gewesen wäre.
In der Hofoper soll dasselbe Verfahren zur Anwendung
kommen. Dort liegen jedoch die Sachen anders, dort waltet
eine Persönlichkeit ihres Amtes, die jede Einmischung zurück¬
weist und die bis hoch hinauf den Mut findet, ihre Ueber¬
zeugung zu vertreten. Mahler würde es nicht dulden, daß
man beispielsweise „Salome“ von Richard Strauß als ge¬
wöhnliche Premiere ankündigt, während das Tanzpoëm eines
Prinzen von Preußen, das heuer seine Erstaufführung er¬
leben soll, als „außerordentliche" Vorstellung sigualisiert wird.
Wozu also der ganze unnötige Spektakel? Um eine
fiskalische Maßregel zu mastieren. Die oft besprochene Frage
des Rückersatzes von Geld ei Ersatzvorstellungen drängte zur
Lösung und weil die Säckelwarte in den Hoftheatern nicht
länger das häßliche System zu verteidigen vermochten, hiengen
sie der Sache einen Schleier um. Bei Abänderung einer
außerordentlichen, verteuerten Vorstellung wird der Billet¬
preis retourniert, auch den Galleriebesuchern, die bisher diese
„Wohltat“ nicht genossen. An gewöhnlichen Abenden haben
die sanften Wiener nach wie vor zu zahlen und zu schweigen,
selbst dann, wenn statt „Fiesco“ von Schiller der „Wirr¬
warr“ von Kotzebue eingeschoben, oder wenn statt „Tann¬
häuser“ der „Trompeter von Säkkingen“ gegeben wird. Ein
Hoch solcher ausgleichenden Gerechtigkeit! Die Hoftheater¬
behörde ist in einem Irrtum befangen, wenn sie glaubt, man
wird diese verhüllte Frozzelei sich gefallen lassen. Mag der
Verfasser des neuesten Ukases wo immer zu suchen sein, er
ist sicherlich ein — außerordentlicher Spaßmacher. Denn
man hat über seine Einteilung der Vorstellungen herzlich
gelacht.
AAD
—
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest. Chicago, Christiania. Genf, Koperhagen,
Lendon, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Qualisnangabe ohne Gewähr.)
onfer,
Sonn v Ponlags
Ausschnitt aus:
vom:
305-
Arger pibt es überhaupt viel im Theaterlihen.
Da sitzt Direktor Weisse in seiner Kanzlei im
Deutschen Volkstheater und sinnt und sinnt,
wie er seiner Bühne interessante Schriftsteller zuführen
könnte, zum Beispiel Arthur Schnitzler. Seitdem
Weisse die Direktionskanzlei auf dem Weghubervark
bezogen hatte, kannte er keinen größeren Ehrgeiz, als
gerade diesen Dichter an das Volkstheater zu fesseln.
Das sollte vor Allem dadurch geschehen, daß man die
älteren Stücke Schnitzlers annahm und einstudierte.
Von „Freiwild“ bis zum „Grünen Kakadn“ gab man
alle Schnitzler=Stücke. Den „Schleier der Beatrice“
konnte das Volkstheater nicht aufführen, da dieses
Stück des Dichters Anforderungen an die Darstel¬
lungskräfte stellt, die selbst das Burgtheater nur mit!
schwerster Mühe hätte erfüllen können, wenn es gewollt
hätte. Aber das Burgtheater und Schnitzler waren
eben wegen dieses Stückes vor Jahren schon auf
einander böse geworden, und sie blieben es auch die 1###
ganzen Jahre her. Damit rechnete eben Direktorsk
Weisse. Da Schnitzler mit dem Hofinstitut durchsk
unüberbrückbare Differenzen entzweit war, konnte er#
auch mit einem neuen Stück nicht zum Franzensringse
kommen. Und der Weg zum Weghuberpark lag so
nahe. Mit besonderem Eifer schickte sich Herr Weisse?
an die Vorbereitung des „grünen Kakadn“, welches
Stück auch jetzt im Volkstheater geprobt wird. Mitten
ldrinnen aber — die Rollen zum „Grünen Kakadu“
waren längst ausgeteilt erfährt der Direktor des d
Volkstheaters aus den Zeitungen, daß das d#
neueste in diesen Tagen vollendete Stück Schnitzlersje
(„Zwischenspiel“ betitelt) von der Direktion des ...
Burgtheaters angenommen worden sei. Arthurst
Schnitzler und der Franzensring waren mittlerweile!?
unverhofft und ungeahnt miteinander wieder „gutle
geworden.
Herr Weisse besaß den Takt, den eben in Vor=Ih¬
bereitung befindlichen „Kakadu“ nicht wieder abzu¬
setzen. Das Stück wird nächste Woche aufgeführt
aber Herr Weisse ärgert sich.
Fremierenahend statt. Zwei Werke französischer Antoren gingen
n Szeue: „Der Schleier des Glücks“ von Clemenceau und
„Das Rätsel“ von Hervien. Mein Kollege mit dem kritischen
Richtschwert hat den Einakter und Zweiakter vorgenommen.
Was mich an dieser Stelle ve#mlaßt, eine Angelegenheit des
Theaters zu diskutieren, ist der sonderbare Ukas der Hof¬
###eaterbebörde, der am Tage nach den genannten Erstauffüh¬
#ingen in die Deffentlichkeit hinausdrang. Für außer¬
Jedentliche Vorsteillungen in den Hoftheatern sollen
##uftig#le Sitzkategorien eine Preiserhöhung erfahren,
#### auch die Gateriesitze, an die bisher der Großsäckelbewahrer
richt rührte. Diese Entscheidung wirhelte im Publikum Staub
auf und die Tagespresse übte Kritik an der Ordre aus der
Kabinettskanzlei des Freiherrn von Plappart. Ich werde des¬
Palb hier die andenoeitig vorgebrachten Argumente gegen diese
„Verteuerung des Kunstgenusses“ nicht wiederholen, schon*
deshalb nicht, weil ich die meisten Premierenveranstaltnagen
des Herrn Direktors Schleuther nicht als erlesene Kunst¬
zenüsse zu erkennen vermag. Ich bin von der gegenwärtigen
Leitung des Burgtheaters gegen Ueberraschungen abgestumpft
worden und deshalb setzte mich auch der „Friede“ nicht in
Erstaunen, den Direktor Schleuther mit Arthur Schnitzler
und der ganzen, lange schnoddrig behandelten „Heimatskunst“
abzuschließen für gut befand. Einigermaßen verwundert bin
ich doch. Der Direktor des Burgtheaters überläßt der Gene¬
ralintendanz der Hoftheater die Entscheidung über die Klassi¬
sikation der Novitäten und des ganzen Repertoires. So
wie es Droschken „erster" und „zweiter Güte“ gibt, sollten
künftig „außerordentliche" und „gewöhnliche“ Vorstellungen
ristieren und der Theaterzettel wird das p. t Publikum
von dieser hochobrigkeitlichen Aichung eines Po### werkes in
Kenntnis setzen. Eine neue Bevormundung in Geschmack¬
sachen und literarischen Dingen. Ich bin sehr neugierig, welche
Note Schleuthers Busenfreund Gerhard Hauptmann von der
behördlichen Punzierungsstation der Dichter bekommen wird.
Der Autor der „Rose Bernd“ ist bei der löblichen Sitten¬
kommission schlecht angeschrieben, die möglicherweise Gustav
Davis, Schönthan, Mosere tutti quanti höher bewertet als
die Stürmer und Dränger, die Probleme auf die Bühne
bringen, gefährlich für Komtessenohren oder unangenehm für
Exzellenznerven. Schon am letzten Dienstag merkte man den
intendanzlichen Stempel. Clemenceau und Hervien wurden zu
gewöhnlichen Preisen aufgeführt. Ich greife dem Kritiker der
„Montags=Revne“ nicht vor, doch darin glaube ich der Zustim¬
mung meines Kollegen sicher zu sein, wenn ich der Hoftheater¬
behörde das Recht abspreche, Unterscheidungen zwischen den Dich¬
tein, die ihre Werke dem Burgtheater übergeben, vorzunehmen
und vor der Premiere ein Urteil gewissermaßen vor den Augen
der Wiener auf dem Theaterzettel zu affichieren. Darin liegt
eine Ungehörigkeit, eine Anmaßung, zu deren Abwehr Direktor
Schleuther in allererster Reihen berufen gewesen wäre.
In der Hofoper soll dasselbe Verfahren zur Anwendung
kommen. Dort liegen jedoch die Sachen anders, dort waltet
eine Persönlichkeit ihres Amtes, die jede Einmischung zurück¬
weist und die bis hoch hinauf den Mut findet, ihre Ueber¬
zeugung zu vertreten. Mahler würde es nicht dulden, daß
man beispielsweise „Salome“ von Richard Strauß als ge¬
wöhnliche Premiere ankündigt, während das Tanzpoëm eines
Prinzen von Preußen, das heuer seine Erstaufführung er¬
leben soll, als „außerordentliche" Vorstellung sigualisiert wird.
Wozu also der ganze unnötige Spektakel? Um eine
fiskalische Maßregel zu mastieren. Die oft besprochene Frage
des Rückersatzes von Geld ei Ersatzvorstellungen drängte zur
Lösung und weil die Säckelwarte in den Hoftheatern nicht
länger das häßliche System zu verteidigen vermochten, hiengen
sie der Sache einen Schleier um. Bei Abänderung einer
außerordentlichen, verteuerten Vorstellung wird der Billet¬
preis retourniert, auch den Galleriebesuchern, die bisher diese
„Wohltat“ nicht genossen. An gewöhnlichen Abenden haben
die sanften Wiener nach wie vor zu zahlen und zu schweigen,
selbst dann, wenn statt „Fiesco“ von Schiller der „Wirr¬
warr“ von Kotzebue eingeschoben, oder wenn statt „Tann¬
häuser“ der „Trompeter von Säkkingen“ gegeben wird. Ein
Hoch solcher ausgleichenden Gerechtigkeit! Die Hoftheater¬
behörde ist in einem Irrtum befangen, wenn sie glaubt, man
wird diese verhüllte Frozzelei sich gefallen lassen. Mag der
Verfasser des neuesten Ukases wo immer zu suchen sein, er
ist sicherlich ein — außerordentlicher Spaßmacher. Denn
man hat über seine Einteilung der Vorstellungen herzlich
gelacht.
AAD
—
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest. Chicago, Christiania. Genf, Koperhagen,
Lendon, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Qualisnangabe ohne Gewähr.)
onfer,
Sonn v Ponlags
Ausschnitt aus:
vom:
305-
Arger pibt es überhaupt viel im Theaterlihen.
Da sitzt Direktor Weisse in seiner Kanzlei im
Deutschen Volkstheater und sinnt und sinnt,
wie er seiner Bühne interessante Schriftsteller zuführen
könnte, zum Beispiel Arthur Schnitzler. Seitdem
Weisse die Direktionskanzlei auf dem Weghubervark
bezogen hatte, kannte er keinen größeren Ehrgeiz, als
gerade diesen Dichter an das Volkstheater zu fesseln.
Das sollte vor Allem dadurch geschehen, daß man die
älteren Stücke Schnitzlers annahm und einstudierte.
Von „Freiwild“ bis zum „Grünen Kakadn“ gab man
alle Schnitzler=Stücke. Den „Schleier der Beatrice“
konnte das Volkstheater nicht aufführen, da dieses
Stück des Dichters Anforderungen an die Darstel¬
lungskräfte stellt, die selbst das Burgtheater nur mit!
schwerster Mühe hätte erfüllen können, wenn es gewollt
hätte. Aber das Burgtheater und Schnitzler waren
eben wegen dieses Stückes vor Jahren schon auf
einander böse geworden, und sie blieben es auch die 1###
ganzen Jahre her. Damit rechnete eben Direktorsk
Weisse. Da Schnitzler mit dem Hofinstitut durchsk
unüberbrückbare Differenzen entzweit war, konnte er#
auch mit einem neuen Stück nicht zum Franzensringse
kommen. Und der Weg zum Weghuberpark lag so
nahe. Mit besonderem Eifer schickte sich Herr Weisse?
an die Vorbereitung des „grünen Kakadn“, welches
Stück auch jetzt im Volkstheater geprobt wird. Mitten
ldrinnen aber — die Rollen zum „Grünen Kakadu“
waren längst ausgeteilt erfährt der Direktor des d
Volkstheaters aus den Zeitungen, daß das d#
neueste in diesen Tagen vollendete Stück Schnitzlersje
(„Zwischenspiel“ betitelt) von der Direktion des ...
Burgtheaters angenommen worden sei. Arthurst
Schnitzler und der Franzensring waren mittlerweile!?
unverhofft und ungeahnt miteinander wieder „gutle
geworden.
Herr Weisse besaß den Takt, den eben in Vor=Ih¬
bereitung befindlichen „Kakadu“ nicht wieder abzu¬
setzen. Das Stück wird nächste Woche aufgeführt
aber Herr Weisse ärgert sich.