box 25/1
20. Zuischensniel
Telephon 12801.
93
„UBSENVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohns Gewähr.)
Ausschnitt aus
Neue Freie Presse, Wien
vom:
BENS
Theater= und Kunstnachrichten.
Wien, 12. Oktober.
[Burgtheater.] Arthur Schnitzler, wer er
lange Zeit von der Hofbühne ferngehalten wurde, ist heute
wieder mit einem neuen Stück dort erschienen, einer „Ko¬
mödie“ in drei Akten: „Zwischenspiel“. Sie behandelt
das alte Thema von der schiffbruchigen Ehe in einer eigen¬
artigen, aber halsbrecherisch gewagten Weise. Die Ehegatten
trennen sich im ersten Akt — „einverständlich“, wie die Ju¬
risten sagen — doch indem sie auseinandergeyen, bleiben sie
erst recht beieinander. Der gemeinschaftliche Haushalt wird
fortgeführt, nur soll jeder ## vollkemmene Bewegungsfrei¬
heit genießen. Der Mann macht von diesem Rechte aus¬
giebig Gebrauch, die Frau nur scheinbar, und am Ende des
zweiten Akts, in einem Augenbiicke der wiederaufflammenden
Liebe, kommen beide wieder ehelich zusammen. Es ist sozu¬
sagen ihre zweite Hochzeit. Und nachdem sie sich also wieder¬
Der
gefunden, trennen sie sich abermals im dritten Akt.
des
Scheidungsgrund bleibt zum Teil das Geheimnis
Dichters. Man errät nur, daß die Frau sich entschieden wei¬
gert, mit dem Manne, dem sie sich soeben hingegeben, weiter¬
zuleben. Es war nur ein Zwischenspiel gewesen, ihre ganze
Ehe nur ein Intermezzo. Kaum ist jedoch der Gatte end¬
giltig fortgegangen, so bricht die Frau weinend zusammen,
ohne Zweifel, weil sie ihn sich zurückwünscht. Ein eniges
Lösen, Binden, Wiederlösen, aus dem man wirklich nicht recht
klug wird. Ein Ibsen=Problem im Grunde, aber schrecklich
verkünstelt und hineingepflanzt in einen psychologischen Irr¬
garten, wo die Menschen auf dem Kopf zu tanzen scheinen.
Der Dichter hat ungemein viel Kunst an dieses Bauwerk ver¬
schwendet, darunter allerfeinste Kunst. Er bleibt durchwegs
interessant, und sein Dialog blitzt von Geist. Das genügte
zur Rettung des Stückes. Schon nach dem ersten Akt 5
der Regisseur erscheinen, um den „Dank Arthur Schnitzlers“
auszusprechen, und dieser selbst wurde im Verlaufe des Abends
vielfach hervorgerufen. Die Darstellung war ersten Ranges.
Wir wollen nur Herrn Kainz nennen, welcher die lebens¬
gefährliche Rolle des Ehemannes mit magistrater Einfachheit
durchführte, und für heute uns darauf beschränken, seine
die Damen
untereinander gleichwertigen Mitdarsteller
Witt, Kallina und Haeberle, sowie die Herren
Treßler und Korff.— alle miteinander in einem Atem
zu loven.
Telephon 128°1.
—
„OSSENVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitts
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin. Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Fräncisco. Stockholm, St. Petersburg.
(Ouclienangabe ehne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
KTördtenhöett, Wien
vom:
T
4
1
Theater und Kunst.
(Burgtheater.) Dem Frieden von Portsmouth, der diesen
Sommer zwischen Direktor Schlenther und Artur Schnitzler geschlossen
worden, verdankte man gestern einen genußreichen Abend. Es gelangte
Schnitzlers dreiaktige Komödie „Zwischenspiel“ zur ersten Auf¬
führung. Ein reizendes Stück, das nur am Schlusse schlechterdings¬
nicht weiß, wo es hinaus will. Eine feingesponnene Sache, die dann
nicht recht an die Sonnen kommt. Der große Erfolg des Abends,
der nach dem zweiten Akte in vielen Hervorrufen des Dichters
gipfelte, schlug zuletzt in Widerspruch um. Mit wenigen Feder¬
strichen wäre da eine befriedigende Variante herzustellen. Das Thema
der Komödie schwankt graziös auf haarscharfer Schneide entlang.
Zwei Eheleute, der Komponist Amadeus und die Sängerin Cäcilie,
haben sich nicht Treue, sondern Wahrheit geschworen. Alles wollen
sie einander sagen, auch das Unsagbare. Dieses stellt sich nach sieben
Jahren in der Form zweier fataler Neigungen ein. Er steigt in das
Netz einer Gräfin, sie wird von einem jungen Fürsten umworben.
Sie nehmen also die eingestandene Sachlage, wie sie ist, sie werden
sich nicht mehr angehören. Allein unbewußt macht sich doch geltend,
was abhanden gekommen schien. Sie lieben sich im Grunde und er
ist sogar schrecklich eifersüchtig. Daraus folgt eine Reihe eigentümlich
schiefer oder anregend verworrener Situationen, in deren Führung
Schnitzler ebenso viel dialektischen Geist als poetische Feinheit be¬
kundet. Auch episodische Einfalle schlugen mitunter förmlich ein. Am
Schlusse des zweiten Aktes erobert der Gatte seine Gattin noch ein
letztes Mal (Herr Kainz bewunderungswürdig); die Hauptszene
des Stückes. Leider betrachtet die Gattin dieses an sich doch eher er¬
freuliche Vorkommnis später so lange mit der analytischen Lupe, bis
sie es für einen nicht wieder gutzumachenden Fehltritt hält. Sie gehen
auseinander, trotz alles Zuredens der Zuschauer. Die Darstellung ist
vorzüglich. Herr Kainz (Amadeus), der fast den ganzen Abend auf
der Bühne ist, übertrifft sich selbst. So hat noch kein deutscher
Schauspieler gespielt. Fräulein Witt (Cäcilie) ist interessant und
gewandt. Frau Kallina als gefährliche Gräfin tut dasselbe. Herr
Korff spielt den jungen Fürsten in charakteristisch feinen öster¬
reichischen Farben, die sehr anerkannt wurden. Herr Treßler und
Frau Haeberle bringen die Noten der Herzlichkeit. Auch eine
Kinderrolle (O. Eisner) fand viel Anklang. Die Novität wird
jedenfalls ziehen. Das Haus war gestern geradezu überfüllt; man
merkt das an dem Gedränge in den Logen. Wie gesagt, vielleicht
h.
läßt der Schluß mit sich reden.
20. Zuischensniel
Telephon 12801.
93
„UBSENVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohns Gewähr.)
Ausschnitt aus
Neue Freie Presse, Wien
vom:
BENS
Theater= und Kunstnachrichten.
Wien, 12. Oktober.
[Burgtheater.] Arthur Schnitzler, wer er
lange Zeit von der Hofbühne ferngehalten wurde, ist heute
wieder mit einem neuen Stück dort erschienen, einer „Ko¬
mödie“ in drei Akten: „Zwischenspiel“. Sie behandelt
das alte Thema von der schiffbruchigen Ehe in einer eigen¬
artigen, aber halsbrecherisch gewagten Weise. Die Ehegatten
trennen sich im ersten Akt — „einverständlich“, wie die Ju¬
risten sagen — doch indem sie auseinandergeyen, bleiben sie
erst recht beieinander. Der gemeinschaftliche Haushalt wird
fortgeführt, nur soll jeder ## vollkemmene Bewegungsfrei¬
heit genießen. Der Mann macht von diesem Rechte aus¬
giebig Gebrauch, die Frau nur scheinbar, und am Ende des
zweiten Akts, in einem Augenbiicke der wiederaufflammenden
Liebe, kommen beide wieder ehelich zusammen. Es ist sozu¬
sagen ihre zweite Hochzeit. Und nachdem sie sich also wieder¬
Der
gefunden, trennen sie sich abermals im dritten Akt.
des
Scheidungsgrund bleibt zum Teil das Geheimnis
Dichters. Man errät nur, daß die Frau sich entschieden wei¬
gert, mit dem Manne, dem sie sich soeben hingegeben, weiter¬
zuleben. Es war nur ein Zwischenspiel gewesen, ihre ganze
Ehe nur ein Intermezzo. Kaum ist jedoch der Gatte end¬
giltig fortgegangen, so bricht die Frau weinend zusammen,
ohne Zweifel, weil sie ihn sich zurückwünscht. Ein eniges
Lösen, Binden, Wiederlösen, aus dem man wirklich nicht recht
klug wird. Ein Ibsen=Problem im Grunde, aber schrecklich
verkünstelt und hineingepflanzt in einen psychologischen Irr¬
garten, wo die Menschen auf dem Kopf zu tanzen scheinen.
Der Dichter hat ungemein viel Kunst an dieses Bauwerk ver¬
schwendet, darunter allerfeinste Kunst. Er bleibt durchwegs
interessant, und sein Dialog blitzt von Geist. Das genügte
zur Rettung des Stückes. Schon nach dem ersten Akt 5
der Regisseur erscheinen, um den „Dank Arthur Schnitzlers“
auszusprechen, und dieser selbst wurde im Verlaufe des Abends
vielfach hervorgerufen. Die Darstellung war ersten Ranges.
Wir wollen nur Herrn Kainz nennen, welcher die lebens¬
gefährliche Rolle des Ehemannes mit magistrater Einfachheit
durchführte, und für heute uns darauf beschränken, seine
die Damen
untereinander gleichwertigen Mitdarsteller
Witt, Kallina und Haeberle, sowie die Herren
Treßler und Korff.— alle miteinander in einem Atem
zu loven.
Telephon 128°1.
—
„OSSENVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitts
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin. Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Fräncisco. Stockholm, St. Petersburg.
(Ouclienangabe ehne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
KTördtenhöett, Wien
vom:
T
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Theater und Kunst.
(Burgtheater.) Dem Frieden von Portsmouth, der diesen
Sommer zwischen Direktor Schlenther und Artur Schnitzler geschlossen
worden, verdankte man gestern einen genußreichen Abend. Es gelangte
Schnitzlers dreiaktige Komödie „Zwischenspiel“ zur ersten Auf¬
führung. Ein reizendes Stück, das nur am Schlusse schlechterdings¬
nicht weiß, wo es hinaus will. Eine feingesponnene Sache, die dann
nicht recht an die Sonnen kommt. Der große Erfolg des Abends,
der nach dem zweiten Akte in vielen Hervorrufen des Dichters
gipfelte, schlug zuletzt in Widerspruch um. Mit wenigen Feder¬
strichen wäre da eine befriedigende Variante herzustellen. Das Thema
der Komödie schwankt graziös auf haarscharfer Schneide entlang.
Zwei Eheleute, der Komponist Amadeus und die Sängerin Cäcilie,
haben sich nicht Treue, sondern Wahrheit geschworen. Alles wollen
sie einander sagen, auch das Unsagbare. Dieses stellt sich nach sieben
Jahren in der Form zweier fataler Neigungen ein. Er steigt in das
Netz einer Gräfin, sie wird von einem jungen Fürsten umworben.
Sie nehmen also die eingestandene Sachlage, wie sie ist, sie werden
sich nicht mehr angehören. Allein unbewußt macht sich doch geltend,
was abhanden gekommen schien. Sie lieben sich im Grunde und er
ist sogar schrecklich eifersüchtig. Daraus folgt eine Reihe eigentümlich
schiefer oder anregend verworrener Situationen, in deren Führung
Schnitzler ebenso viel dialektischen Geist als poetische Feinheit be¬
kundet. Auch episodische Einfalle schlugen mitunter förmlich ein. Am
Schlusse des zweiten Aktes erobert der Gatte seine Gattin noch ein
letztes Mal (Herr Kainz bewunderungswürdig); die Hauptszene
des Stückes. Leider betrachtet die Gattin dieses an sich doch eher er¬
freuliche Vorkommnis später so lange mit der analytischen Lupe, bis
sie es für einen nicht wieder gutzumachenden Fehltritt hält. Sie gehen
auseinander, trotz alles Zuredens der Zuschauer. Die Darstellung ist
vorzüglich. Herr Kainz (Amadeus), der fast den ganzen Abend auf
der Bühne ist, übertrifft sich selbst. So hat noch kein deutscher
Schauspieler gespielt. Fräulein Witt (Cäcilie) ist interessant und
gewandt. Frau Kallina als gefährliche Gräfin tut dasselbe. Herr
Korff spielt den jungen Fürsten in charakteristisch feinen öster¬
reichischen Farben, die sehr anerkannt wurden. Herr Treßler und
Frau Haeberle bringen die Noten der Herzlichkeit. Auch eine
Kinderrolle (O. Eisner) fand viel Anklang. Die Novität wird
jedenfalls ziehen. Das Haus war gestern geradezu überfüllt; man
merkt das an dem Gedränge in den Logen. Wie gesagt, vielleicht
h.
läßt der Schluß mit sich reden.