eigentlich ohnehin kein Mensch geglaubt hatte. Der Kapell¬
meister Amadeus Adams (Herr Kainz) und seine an
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20. Zuischenspiel
derselben Opernbühne wirkende Frau Cäcilie (Fräulein
Witt) haben sich ihr Zusammenleben ganz
eigenartig eingerichtet, so daß dasselbe das strikte Gegenteil
eines „Ehekäfigs“ ist. Sie haben einander gegenseitig unbe¬
dingte und vollständige Aufrichtigkeit zur Pflicht gemacht
und gleichzeitig haben sie offenbar auch stillschweigend
einen geheimen Vertrag geschlossen, der ihnen Freiheit in
esich als
jeder Beziehung garantiert. Und da
Wahrheitsfanatiker nichts verschweigen können,
weit, daß sie
sind sie denn eines Tages
so
sich nach siebenjähriger Ehe, der auch ein Söhnchen ent¬
sprossen ist, das Geständnis machen, daß ihr Verhältnis zu
Zweien auf dem besten Wege ist ein Viereck zu werden.
„Ihn“ hat eine Sängerin der Oper (Frau Kallina)
in ihre Netze gezogen und „sie“ glaubt ihrer Neigung für
den jungen Fürsten Sigismund Lohsenstein (Herr Korfs)
nicht länger widerstehen zu können. Das peinliche
Gefühl, welches das gegenseitige Geständnis trotz
allem und allem anfänglich hervorruft, ist bald
überwunden und beiden ist zumute, als ob ihnen ein Stein
vom Herzen gefallen wäre. Und als dann gar erst noch der
Kapellmeister den Vorschlag macht, daß ja „trotzdem“ alles
wie bisher zwischen ihnen bleiben könnte — natürlich bis
auf das „eine“ — daß sie die gemeinschaftliche Wohnung,
die gemeinschaftliche Arbeit nicht aufzugeben brauchten und
sich beide am Besitze ihres Kindes erfreuen könnten, kommen
die Leutchen in eine kreuzfidele Stimmung, ja, es macht
den Eindruck, als ob sie es bereuen würden, nicht schon
längst so klug gewesen zu sein, als sie es von nun an sein
wollen.
Natürlich zeigt es sich schon im zweiten Akte, daß
eine „Freundschaft“ zwischen Mann und Frau, wie sie sich
der Kapellmeister und seine Frau gedacht hatten, praktisch
ein Ding der Unmöglichkeit ist. Amadeus Adams findet,
als seine Frau von einer Tournee schöner als je zurückkehrt,
daß es nicht die Freundin, sondern das Weib war,
dem sein Herz beim Wiedersehen stürmisch entgegenpochte,
und eifersüchtiger als früher forscht er nach allen Einzel¬
heiten ihrer Erlebnisse da draußen in der Welt. Und
schließlich kommt er zur Ueberzeugung, daß er die, die ihm
zur Kameradin hätte werden sollen, mehr liebt als je
zuvor. Und da vollzieht sich in ihm etwas ganz Eigen¬
tümliches. Das Verhältnis seiner Gattin zu dem
Fürsten, das er bisher geduldet hatte, erscheint ihm plötzlich
unsittlich und an seine Ehre greifend und indem er von
den selbst aufgegebenen Gattenrechten wieder Besitz ergreift,
faßt er den Entschluß, den Fürsten vor seine Pistole zu
sordern. Doch dieser kommt ihm zuvor. In einer vom
Anfange bis zum Ende parodistisch wirkenden Szene
erscheint Fürst Sigismund, um beim Kapellmeister
sum die Hand seiner Frau zu werben, da er der alle mehr
oder weniger kompromittierenden Situation ein Ende
machen will. Die Gutmütigkeit des jungen Mannes ent¬
Theater, Kunst und Literatur.
waffnet den zornigen Kapellmeister und als er schließlich
erfährt, daß sich zwischen dem Fürsten und Cäcilie bisher
dun u
„Zwischenspiel.“
„nichts“ ereignet habe, ist der gute Amadeus der Glücklichste der
(Komödie in drei Alten von Arthur Schnitzler.
Sterblichen.
Zum erstenmal aufgeführt im Hofburgtheater am
Der Beweis, daß es zwischen den Geschlechtern
12. Oktober.)
nur Liebe und keine Freundschaft geben könne, wäre also
Gestern hat das Publikum, zum größten Teile wohl
erbracht: Quod erat demonstrandum. Aber ein derartiger
auch das, das in Herrn Dr. Artur Schnitzler den größten
Abschluß des Dramas wäre dem „Modernen“ Schnitzler,
lebenden deutschen Dramatiker zu sehen gewohnt ist, mit
der übrigens seinen Helden einen völlig unmodernen
sehr gemischten Gefühlen dem Heimweg aus dem Burg¬
Monolog halten läßt und zu Rührmitteln Zuflucht nimmt,
theater angetreten. Auch diejenigen, welche die dreiaktige
die der dramatische Kodex unserer „Neuen“ strengstens ver¬
Komödie „Zwischenspiel“ für eine der glänzendsten Talent¬
pönt, doch gar zu hausbacken erschienen. Er machte sich
proben des Autors erklären werden, dürften gestern das
daher ein Extravergnügen daraus, auch noch diejenigen,
Gefühl nicht losgeworden sein, daß man sich einen läppischen
die sich über das „Ende gut, alles gut“ gefreut hätten,
Scherz mit ihnen erlaubte, daß man sie ganz einfach in
aufsitzen zu lassen. Als nämlich der Kapellmeister seine
unverschämter Weise gefoppt hat. In einem der Wiener
Frau reuig und liebevoll, als ob sich gar nichts ereignet
Varietes produziert sich gegenwärtig ein Mann, der wunder¬
hätte, in die Arme schließen will, könt ihm ein entschiedenes
hübsche Seifenblasen hervorruft, dann mit denselben äußerst
„Nein“ entgegen. Cäcilie kann jetzt nämlich nicht mehr für
geschickt jongliert, um schließlich dem bunten Gaukelspiele
sich bürgen. Bisher hat sie, trotzdem sie es so bequem gehabt
durch ein leichtes Pusten ein plötzliches Ende zu bereiten.
hätte, zu fallen, allen Versuchungen widerstanden, in Zu¬
Ganz ähnlich hat es Schnitzler gemacht. Immer wieder
kunft aber wird sie es, dessen ist sie sich bewußt, nicht mehr
glauben wir, daß sich nun doch endlich eine ernsthafte
können. Und
so gehen denn die beiden schließlich
Handlung aus den endlosen Dialogen entwickeln werde, doch noch auseinander.
Es
wir sehen auch bereits hier und dort ernste Konflikte sich
Lob der Dar¬
kann
als das höchste
bilden, aber im letzten Augenblicke ist es immer wieder
dasselbe nicht
stellung des Stückes gelten, daß
nichts. Und so folgt Szene auf Szene, Akt auf Akt, der
ausgelacht und ausgepfiffen wurde. Manchmal war
Vorhang fällt zum letztenmal und die Leute sehen sich
sehr kritische.
die Situation ohnehin schon eine
gegenseitig an und wollen es doch nicht zugeben, daß man
Das Publikum des Burgtheaters hält aber auf Disziplin und
lustig gemacht hat.
sie
sich über
Es ist dann waren ja auch so viele da, auf die sich Herr Schnitzler
eigentümlicher Trick, auf den der
ein ganz
unter allen Umständen verlassen konnte. Fräulein Witt
6
diesmal verfallen.
des
„Reigens“
„Dichter“
vermochte der Gestalt, die sie schuf, sogar einen Schimmer
ist. Er hält die anderen und sich selbst durch drei Stunden
von Wahrheit zu verleihen, Herr Kainz bemühte sich in
zum besten und verlangt dann von uns, daß man das
derselben Richtung. Auch alle anderen waren brav und
als ein Theaterstück ansehe. Und niemand Geringerer als
tüchtig, insbesondere Frau Kallina und die Herren
das Wiener Hofburgtheater gibt sich dazu her, für derartige
Korff und Treßler. Zum Schlusse klang das Zischen
1—
dramatische Clownspässe die Manege zu sein. Wir haben uns
schon ziemlich energisch.
meister Amadeus Adams (Herr Kainz) und seine an
box 25/1
20. Zuischenspiel
derselben Opernbühne wirkende Frau Cäcilie (Fräulein
Witt) haben sich ihr Zusammenleben ganz
eigenartig eingerichtet, so daß dasselbe das strikte Gegenteil
eines „Ehekäfigs“ ist. Sie haben einander gegenseitig unbe¬
dingte und vollständige Aufrichtigkeit zur Pflicht gemacht
und gleichzeitig haben sie offenbar auch stillschweigend
einen geheimen Vertrag geschlossen, der ihnen Freiheit in
esich als
jeder Beziehung garantiert. Und da
Wahrheitsfanatiker nichts verschweigen können,
weit, daß sie
sind sie denn eines Tages
so
sich nach siebenjähriger Ehe, der auch ein Söhnchen ent¬
sprossen ist, das Geständnis machen, daß ihr Verhältnis zu
Zweien auf dem besten Wege ist ein Viereck zu werden.
„Ihn“ hat eine Sängerin der Oper (Frau Kallina)
in ihre Netze gezogen und „sie“ glaubt ihrer Neigung für
den jungen Fürsten Sigismund Lohsenstein (Herr Korfs)
nicht länger widerstehen zu können. Das peinliche
Gefühl, welches das gegenseitige Geständnis trotz
allem und allem anfänglich hervorruft, ist bald
überwunden und beiden ist zumute, als ob ihnen ein Stein
vom Herzen gefallen wäre. Und als dann gar erst noch der
Kapellmeister den Vorschlag macht, daß ja „trotzdem“ alles
wie bisher zwischen ihnen bleiben könnte — natürlich bis
auf das „eine“ — daß sie die gemeinschaftliche Wohnung,
die gemeinschaftliche Arbeit nicht aufzugeben brauchten und
sich beide am Besitze ihres Kindes erfreuen könnten, kommen
die Leutchen in eine kreuzfidele Stimmung, ja, es macht
den Eindruck, als ob sie es bereuen würden, nicht schon
längst so klug gewesen zu sein, als sie es von nun an sein
wollen.
Natürlich zeigt es sich schon im zweiten Akte, daß
eine „Freundschaft“ zwischen Mann und Frau, wie sie sich
der Kapellmeister und seine Frau gedacht hatten, praktisch
ein Ding der Unmöglichkeit ist. Amadeus Adams findet,
als seine Frau von einer Tournee schöner als je zurückkehrt,
daß es nicht die Freundin, sondern das Weib war,
dem sein Herz beim Wiedersehen stürmisch entgegenpochte,
und eifersüchtiger als früher forscht er nach allen Einzel¬
heiten ihrer Erlebnisse da draußen in der Welt. Und
schließlich kommt er zur Ueberzeugung, daß er die, die ihm
zur Kameradin hätte werden sollen, mehr liebt als je
zuvor. Und da vollzieht sich in ihm etwas ganz Eigen¬
tümliches. Das Verhältnis seiner Gattin zu dem
Fürsten, das er bisher geduldet hatte, erscheint ihm plötzlich
unsittlich und an seine Ehre greifend und indem er von
den selbst aufgegebenen Gattenrechten wieder Besitz ergreift,
faßt er den Entschluß, den Fürsten vor seine Pistole zu
sordern. Doch dieser kommt ihm zuvor. In einer vom
Anfange bis zum Ende parodistisch wirkenden Szene
erscheint Fürst Sigismund, um beim Kapellmeister
sum die Hand seiner Frau zu werben, da er der alle mehr
oder weniger kompromittierenden Situation ein Ende
machen will. Die Gutmütigkeit des jungen Mannes ent¬
Theater, Kunst und Literatur.
waffnet den zornigen Kapellmeister und als er schließlich
erfährt, daß sich zwischen dem Fürsten und Cäcilie bisher
dun u
„Zwischenspiel.“
„nichts“ ereignet habe, ist der gute Amadeus der Glücklichste der
(Komödie in drei Alten von Arthur Schnitzler.
Sterblichen.
Zum erstenmal aufgeführt im Hofburgtheater am
Der Beweis, daß es zwischen den Geschlechtern
12. Oktober.)
nur Liebe und keine Freundschaft geben könne, wäre also
Gestern hat das Publikum, zum größten Teile wohl
erbracht: Quod erat demonstrandum. Aber ein derartiger
auch das, das in Herrn Dr. Artur Schnitzler den größten
Abschluß des Dramas wäre dem „Modernen“ Schnitzler,
lebenden deutschen Dramatiker zu sehen gewohnt ist, mit
der übrigens seinen Helden einen völlig unmodernen
sehr gemischten Gefühlen dem Heimweg aus dem Burg¬
Monolog halten läßt und zu Rührmitteln Zuflucht nimmt,
theater angetreten. Auch diejenigen, welche die dreiaktige
die der dramatische Kodex unserer „Neuen“ strengstens ver¬
Komödie „Zwischenspiel“ für eine der glänzendsten Talent¬
pönt, doch gar zu hausbacken erschienen. Er machte sich
proben des Autors erklären werden, dürften gestern das
daher ein Extravergnügen daraus, auch noch diejenigen,
Gefühl nicht losgeworden sein, daß man sich einen läppischen
die sich über das „Ende gut, alles gut“ gefreut hätten,
Scherz mit ihnen erlaubte, daß man sie ganz einfach in
aufsitzen zu lassen. Als nämlich der Kapellmeister seine
unverschämter Weise gefoppt hat. In einem der Wiener
Frau reuig und liebevoll, als ob sich gar nichts ereignet
Varietes produziert sich gegenwärtig ein Mann, der wunder¬
hätte, in die Arme schließen will, könt ihm ein entschiedenes
hübsche Seifenblasen hervorruft, dann mit denselben äußerst
„Nein“ entgegen. Cäcilie kann jetzt nämlich nicht mehr für
geschickt jongliert, um schließlich dem bunten Gaukelspiele
sich bürgen. Bisher hat sie, trotzdem sie es so bequem gehabt
durch ein leichtes Pusten ein plötzliches Ende zu bereiten.
hätte, zu fallen, allen Versuchungen widerstanden, in Zu¬
Ganz ähnlich hat es Schnitzler gemacht. Immer wieder
kunft aber wird sie es, dessen ist sie sich bewußt, nicht mehr
glauben wir, daß sich nun doch endlich eine ernsthafte
können. Und
so gehen denn die beiden schließlich
Handlung aus den endlosen Dialogen entwickeln werde, doch noch auseinander.
Es
wir sehen auch bereits hier und dort ernste Konflikte sich
Lob der Dar¬
kann
als das höchste
bilden, aber im letzten Augenblicke ist es immer wieder
dasselbe nicht
stellung des Stückes gelten, daß
nichts. Und so folgt Szene auf Szene, Akt auf Akt, der
ausgelacht und ausgepfiffen wurde. Manchmal war
Vorhang fällt zum letztenmal und die Leute sehen sich
sehr kritische.
die Situation ohnehin schon eine
gegenseitig an und wollen es doch nicht zugeben, daß man
Das Publikum des Burgtheaters hält aber auf Disziplin und
lustig gemacht hat.
sie
sich über
Es ist dann waren ja auch so viele da, auf die sich Herr Schnitzler
eigentümlicher Trick, auf den der
ein ganz
unter allen Umständen verlassen konnte. Fräulein Witt
6
diesmal verfallen.
des
„Reigens“
„Dichter“
vermochte der Gestalt, die sie schuf, sogar einen Schimmer
ist. Er hält die anderen und sich selbst durch drei Stunden
von Wahrheit zu verleihen, Herr Kainz bemühte sich in
zum besten und verlangt dann von uns, daß man das
derselben Richtung. Auch alle anderen waren brav und
als ein Theaterstück ansehe. Und niemand Geringerer als
tüchtig, insbesondere Frau Kallina und die Herren
das Wiener Hofburgtheater gibt sich dazu her, für derartige
Korff und Treßler. Zum Schlusse klang das Zischen
1—
dramatische Clownspässe die Manege zu sein. Wir haben uns
schon ziemlich energisch.