20. Zuischenspiel box 25/1
Der heutigen Kummer liegt die Zugendbeitage „Aurunsele#.
Nr. 21 bel.
Kleine Theaterplandereien.
77
Wien, 13. Oktober 1905.
Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“, die gestern im Burgtheater zum erst¬
Male in Szene ging, ist vom Publikum ziemlich frostig begrüßt worden. Den Zu¬
schauern wurde unbehaglich zu Mute, weil derlei eheliche Auseinandersetzungen, wie sie
Kapellmeister Amadeus Adams und seine Gattin, die Opernsängerin Cäcilie Adams,
miteinander pflegen, für die Offentlichkeit ziemlich interesse= und belanglos sind. Und
sonst geschieht ja eigentlich gar nichts in Schnitzlers „Zwischenspiel“ es wird viel
geredet, aber wenig gehandelt, die Komödie starrt von geist= und andeutungsreichen
Worten, aber sie bleibt jede andere dramatische Forderung schuldig. Der Dichter will
den Beweis erbringen, daß eine glückliche Ehe nur der Liebe bedarf, er leugnet, daß
Freundschaft allein Gewähr für ein einwandfreies Zusammenleben der Gatten ermög¬
licht. Schnitzler bedient sich hiebei des Ehe= und Künstlerpaares Adams als Versuchs¬
kaninchen. Die beiden führen eine Ehe „auf freundschaftlicher Grundlage". Er
geht rechts, sie links, so fühlen sie sich als die besten Kameraden und Ehe¬
gesponsen, wiewohl er an einer Dritten und sie an einem Vierten Gefallen
gefunden haben. Sie führen gemeinsamen Haushalt, unterstützen sich in künstlerischer
Beziehung, erfreuen sich an dem gemeinsamen Besitze hres fünfjährigen Buben
und beichten einander manchmal mehr, als den Ohren des Zuschauerraumes
lieb ist. Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit heißt die Losung ihrer Ehe bis
zu dem Augenblicke, da Frau Adams eines schönen Abends von einer Tournee
so berückend schön heimkehrt, daß der Gatte in seiner Frau nicht mehr die
Freundin, sondern das Weib entdeckt. Nun erscheint ihm die Situation ma¬
einem Male unerträglich, ja er hätte den fürstlichen Galan sogar urplötzlich vor
die Klinge gefordert, so nicht die Gutmütigkeit dieses Kavaliers und dessen
Unschuldsbeteuerungen den Gatten dauernd besänftigt hätten.
—
Herr
Kainz spielte den als Othello endenden Kapellmeisters Amadeus Adams; es
war die größte, vielleicht aber auch die schwierigste Rolle, die er bisnun zu bewältigen
hatte. Sein Meisterspiel hat die Komödie vor Ungemach beschützt. Schulter an
Schulter mit ihm kämpfte ebenso tapfer und gleich erfolgreich Fräulein Lotte Witt.
Treßler, Korff, Frau Haeberle und Frau Kallina vervollständigten das Ensemble
der Novität, mit der die Direktion keinen sonderlich glücklichen Griff getan hat.
Direktor Schleuther ist übrigens in den letzten Tagen auch um eine andere Hoffnung
ärmer geworden. Sudermanns Schauspiel „Stein unter Steinen“, das den
Glanzpunkt der diesjährigen Novitätenrevue bilden sollte, hat bei der Urauf¬
führung im Berliner Lessing=Theater nur mäßig angesprochen. Schlenther, der
sich die Reise nach Berlin nicht verdrießen ließ, ist übler Laune heimgekehrt
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest. Chicago. Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Padrid. Mailand, Minneapolis. New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm. St. Petersburg.
(Quelleuangabe o.mne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
blatt, Wien
vom
G
Theater, Kunst und Musik.
Hofburgtheater. Artur Schnitzler ist nach
*
längerem Grollen mit Direktor Schlenther, der Schnitzlers [O.
„Der Schleier der Beatrice“ zuerst angenommen, dann
8.
aber nicht zur Aufführung gebracht hatte, gestern wieder §
im Burgtheater mit seinem neuesien Werke „Zwischen=—
spiel“ zu Worte gekommen. Doch war es ein wenig
2
erfreulicher Abend, wiewohl wir Schnitzler als den
2
begabtesten unter den Wiener dramatischen Schriftstellern
8
von heute schätzen. Er hat sich aber diesmal den Erfolg:
selbst verdorben. Das Sujet, das er zu einer breit¬
spurgen Komödie verarbeitete, hätte ebensowohl zu einem
guten Lustspiele wie für ein Seelendrama ausgereicht,
wenn der Dichter sich nur auch für das eine oder das
andere entschieden und den Stoff mit sicherer Hand be¬
herrscht haben würde. Ein Künstler, Komponist und
Kapellmeister von auerkanntem Rufe, lebt bereits sieben
Jahre in einer anscheinend glücklichen Ebe mit der ersten
Sängerin des Kunstinstitutes, an welchem auch er tätig
ist. Der Ehe ist ein reizender Knabe entsprungen, den
beide zärtlich lieben. Ihre eigene gegenseitige Liebe aber
hat im Laufe der Zeit — das Warum erfährt man nicht
— einen Sprung bekommen; sie sehnen sich nach Frei¬
heit und empfinden die eheliche Gemeinschaft als ein
drückendes Band. Freie Künstlernaturen, als welche sie sich
Entschließungen sein. Da sie aber doch eine starke innerliche
Zusammengehörigkeit, wenn auch zunächst nur halbbewußt
verhindet, so denken sie nicht an eine Ehescheidung und
glauben sich vielmehr stark genug, um in häuslicher, nicht
ehelicher Gemeinschaft lediglich als gute Kameraden neben¬
einander leben zu können. Sie versprechen sich volle Wahr¬
heit, auch in Herzensangelegenheiten und der Kapellmeister?
kunpft auch alsbalo eine Liaison mit einer gräflichen Opern¬
sängern an, die nach ihm ihre Netze ausgeworfen hatte.
Als seine Frau aber nach einem längeren, von Triumphen#
gekrönten Gaßspiel angeblich als die Verlobte eines
jungen Fürsten zurückkehrt, da erscheint sie ihrem Gatten¬
noch verführerischer als je, seine Liebe zu ihr lodert
mächtig auf und auch sie kann seinem heißen Werben
nicht widerstehen. Doch nach diesem flüchtigen Zwischenfalls
beginnt das alte Spiel von neuem. Die Frau, obgleich
sie ihrem Manne niemals untreu gewesen ist und nur einen
ungefährlichen Flirt mit dem Fürsten gehabt hat, bildet
sich nun ein, daß sie den inneren Halt verloren und
keine Bürgschaft für den Bestand ihrer Gefühle dems
Gatten gegenüber geben könne, den sie eigentlich doch
im Grunde ihres Herzens liebt. Alles Bitten und Flehen
des Gatten nützen nichts: sie müssen scheiden. Der Mann#
tut dies auch sofort, indem er eine Reise antritt, während¬
seine Frau, als sie sich allein sieht, ihrem Schmerz um
den Verlorenen freien Raum gibt. Darüber fällt der
Vorhang zum letztenmal. Wenn aber der Gatte wieder¬
kommen und seine Werbung neuerlich aufnehmen sollte
dann stünde nichts im Wege, die Komödie abermals
durch endlose Stationen zu leiten. Schnitzler hat eben
das Problem, das er aufgeworfen, in keiner Weise zu
lösen vermocht und #r entläßt uns mit einem Frage¬
zeichen. Dazu steht die Handlung fortwährend still und
die langatmigen Dialoge zwischen den beiden Gatten er¬
müden die Zuhörer bald. Das glänzende Spiel der
Darsteller — namentlich Herr Kainz in vorderster
Reihe, dann Frl. Witt als seine Gattin und weiters!
Frau Häberle und die Herren Korff und Treßler
deckte durch zwei Akte lang die Schwächen des
Stückes; der Schlußakt mit seiner auf die Spitze ge¬
triebenen Unklarheit und seinen dialektischen Tüfteleien
begegnete lebhaftem Widerspruch auch bei jenem Teil¬
des Publikums, der nach dem zweiten Aufzuge den
Autor oftmals vor die Rampe gerufen hatte. Alpha.
Die feierliche Eröffnung des Kaiserin Elisabeth¬
heims in Wien findet am Mittwoch, den 18. d. M.,
Uhr vormittags in Anwesenheit des Unterrichtsg
ministers Baron Bienerth, Statthalters. Grefen
Der heutigen Kummer liegt die Zugendbeitage „Aurunsele#.
Nr. 21 bel.
Kleine Theaterplandereien.
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Wien, 13. Oktober 1905.
Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“, die gestern im Burgtheater zum erst¬
Male in Szene ging, ist vom Publikum ziemlich frostig begrüßt worden. Den Zu¬
schauern wurde unbehaglich zu Mute, weil derlei eheliche Auseinandersetzungen, wie sie
Kapellmeister Amadeus Adams und seine Gattin, die Opernsängerin Cäcilie Adams,
miteinander pflegen, für die Offentlichkeit ziemlich interesse= und belanglos sind. Und
sonst geschieht ja eigentlich gar nichts in Schnitzlers „Zwischenspiel“ es wird viel
geredet, aber wenig gehandelt, die Komödie starrt von geist= und andeutungsreichen
Worten, aber sie bleibt jede andere dramatische Forderung schuldig. Der Dichter will
den Beweis erbringen, daß eine glückliche Ehe nur der Liebe bedarf, er leugnet, daß
Freundschaft allein Gewähr für ein einwandfreies Zusammenleben der Gatten ermög¬
licht. Schnitzler bedient sich hiebei des Ehe= und Künstlerpaares Adams als Versuchs¬
kaninchen. Die beiden führen eine Ehe „auf freundschaftlicher Grundlage". Er
geht rechts, sie links, so fühlen sie sich als die besten Kameraden und Ehe¬
gesponsen, wiewohl er an einer Dritten und sie an einem Vierten Gefallen
gefunden haben. Sie führen gemeinsamen Haushalt, unterstützen sich in künstlerischer
Beziehung, erfreuen sich an dem gemeinsamen Besitze hres fünfjährigen Buben
und beichten einander manchmal mehr, als den Ohren des Zuschauerraumes
lieb ist. Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit heißt die Losung ihrer Ehe bis
zu dem Augenblicke, da Frau Adams eines schönen Abends von einer Tournee
so berückend schön heimkehrt, daß der Gatte in seiner Frau nicht mehr die
Freundin, sondern das Weib entdeckt. Nun erscheint ihm die Situation ma¬
einem Male unerträglich, ja er hätte den fürstlichen Galan sogar urplötzlich vor
die Klinge gefordert, so nicht die Gutmütigkeit dieses Kavaliers und dessen
Unschuldsbeteuerungen den Gatten dauernd besänftigt hätten.
—
Herr
Kainz spielte den als Othello endenden Kapellmeisters Amadeus Adams; es
war die größte, vielleicht aber auch die schwierigste Rolle, die er bisnun zu bewältigen
hatte. Sein Meisterspiel hat die Komödie vor Ungemach beschützt. Schulter an
Schulter mit ihm kämpfte ebenso tapfer und gleich erfolgreich Fräulein Lotte Witt.
Treßler, Korff, Frau Haeberle und Frau Kallina vervollständigten das Ensemble
der Novität, mit der die Direktion keinen sonderlich glücklichen Griff getan hat.
Direktor Schleuther ist übrigens in den letzten Tagen auch um eine andere Hoffnung
ärmer geworden. Sudermanns Schauspiel „Stein unter Steinen“, das den
Glanzpunkt der diesjährigen Novitätenrevue bilden sollte, hat bei der Urauf¬
führung im Berliner Lessing=Theater nur mäßig angesprochen. Schlenther, der
sich die Reise nach Berlin nicht verdrießen ließ, ist übler Laune heimgekehrt
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest. Chicago. Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Padrid. Mailand, Minneapolis. New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm. St. Petersburg.
(Quelleuangabe o.mne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
blatt, Wien
vom
G
Theater, Kunst und Musik.
Hofburgtheater. Artur Schnitzler ist nach
*
längerem Grollen mit Direktor Schlenther, der Schnitzlers [O.
„Der Schleier der Beatrice“ zuerst angenommen, dann
8.
aber nicht zur Aufführung gebracht hatte, gestern wieder §
im Burgtheater mit seinem neuesien Werke „Zwischen=—
spiel“ zu Worte gekommen. Doch war es ein wenig
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erfreulicher Abend, wiewohl wir Schnitzler als den
2
begabtesten unter den Wiener dramatischen Schriftstellern
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von heute schätzen. Er hat sich aber diesmal den Erfolg:
selbst verdorben. Das Sujet, das er zu einer breit¬
spurgen Komödie verarbeitete, hätte ebensowohl zu einem
guten Lustspiele wie für ein Seelendrama ausgereicht,
wenn der Dichter sich nur auch für das eine oder das
andere entschieden und den Stoff mit sicherer Hand be¬
herrscht haben würde. Ein Künstler, Komponist und
Kapellmeister von auerkanntem Rufe, lebt bereits sieben
Jahre in einer anscheinend glücklichen Ebe mit der ersten
Sängerin des Kunstinstitutes, an welchem auch er tätig
ist. Der Ehe ist ein reizender Knabe entsprungen, den
beide zärtlich lieben. Ihre eigene gegenseitige Liebe aber
hat im Laufe der Zeit — das Warum erfährt man nicht
— einen Sprung bekommen; sie sehnen sich nach Frei¬
heit und empfinden die eheliche Gemeinschaft als ein
drückendes Band. Freie Künstlernaturen, als welche sie sich
Entschließungen sein. Da sie aber doch eine starke innerliche
Zusammengehörigkeit, wenn auch zunächst nur halbbewußt
verhindet, so denken sie nicht an eine Ehescheidung und
glauben sich vielmehr stark genug, um in häuslicher, nicht
ehelicher Gemeinschaft lediglich als gute Kameraden neben¬
einander leben zu können. Sie versprechen sich volle Wahr¬
heit, auch in Herzensangelegenheiten und der Kapellmeister?
kunpft auch alsbalo eine Liaison mit einer gräflichen Opern¬
sängern an, die nach ihm ihre Netze ausgeworfen hatte.
Als seine Frau aber nach einem längeren, von Triumphen#
gekrönten Gaßspiel angeblich als die Verlobte eines
jungen Fürsten zurückkehrt, da erscheint sie ihrem Gatten¬
noch verführerischer als je, seine Liebe zu ihr lodert
mächtig auf und auch sie kann seinem heißen Werben
nicht widerstehen. Doch nach diesem flüchtigen Zwischenfalls
beginnt das alte Spiel von neuem. Die Frau, obgleich
sie ihrem Manne niemals untreu gewesen ist und nur einen
ungefährlichen Flirt mit dem Fürsten gehabt hat, bildet
sich nun ein, daß sie den inneren Halt verloren und
keine Bürgschaft für den Bestand ihrer Gefühle dems
Gatten gegenüber geben könne, den sie eigentlich doch
im Grunde ihres Herzens liebt. Alles Bitten und Flehen
des Gatten nützen nichts: sie müssen scheiden. Der Mann#
tut dies auch sofort, indem er eine Reise antritt, während¬
seine Frau, als sie sich allein sieht, ihrem Schmerz um
den Verlorenen freien Raum gibt. Darüber fällt der
Vorhang zum letztenmal. Wenn aber der Gatte wieder¬
kommen und seine Werbung neuerlich aufnehmen sollte
dann stünde nichts im Wege, die Komödie abermals
durch endlose Stationen zu leiten. Schnitzler hat eben
das Problem, das er aufgeworfen, in keiner Weise zu
lösen vermocht und #r entläßt uns mit einem Frage¬
zeichen. Dazu steht die Handlung fortwährend still und
die langatmigen Dialoge zwischen den beiden Gatten er¬
müden die Zuhörer bald. Das glänzende Spiel der
Darsteller — namentlich Herr Kainz in vorderster
Reihe, dann Frl. Witt als seine Gattin und weiters!
Frau Häberle und die Herren Korff und Treßler
deckte durch zwei Akte lang die Schwächen des
Stückes; der Schlußakt mit seiner auf die Spitze ge¬
triebenen Unklarheit und seinen dialektischen Tüfteleien
begegnete lebhaftem Widerspruch auch bei jenem Teil¬
des Publikums, der nach dem zweiten Aufzuge den
Autor oftmals vor die Rampe gerufen hatte. Alpha.
Die feierliche Eröffnung des Kaiserin Elisabeth¬
heims in Wien findet am Mittwoch, den 18. d. M.,
Uhr vormittags in Anwesenheit des Unterrichtsg
ministers Baron Bienerth, Statthalters. Grefen