II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 75

Aus der Theaterwelt.

(Hofschauspieler Otto Treßler als Causeur. — Ein Gespräch über Ehe¬
scheidungen.
Allerlei Zwischensoiele in Artur Schnitzlers
„Zwischensviel“. —
Der neuese Salon des Burgtheaters.
Merkwürdige Versäumnsse im Hotel Brighton („Klem Dor##*).
Das Mozart=Jubilaum im
Warum sich Frau Retty beschweren will.
Hofoperntheater. — Allerlei Wiener Mozart=Wünsche eines gewissen
Hans Richter.)
In einem Wiener Salon sprach man kürzlich über ein Thema, das
noch nie seine Aktualität perloren hat: Ueber Ebescheidungen. Die ganze
Diskussion wurde von einem freien, milden Ton beherrscht. Fast schien es,
ais ob der alie Graf Neste, den Herr Hartmann in Hervieus „Räisel“ so
liebenswürdig verkörpert, ungehört und ungesehen mächtig in das Gespräch
eingriffe, mit seinem mahnenden Rufe: „Uebet christliches Verzeihen, ihr
Eheleute, wenn einer von euch gefehlt hat. Wir alle sind doch nur schwache
Menschen!“
Als einer der leidenschaftlichsten Verfechter für Leidenschaftslosigkeit
in Dingen der ehelichen Treue, der noch weiter ging als der konservative
alte Graf Herviens, trat in dieser enlen Konversation Hofschauspieler
Otto Treßler auf, ein lieber Gast des Hauses. Er verfocht so ungefähr
die These, daß ein sogenannter Fehltritt das behagliche ebeliche Dasein
zweier Menschen überhaupt nicht zu stören brauche. Man kann sich denken,
welches Aufsehen diese unglaublich leichtfertige Ansicht des Künstlers
in der ganzen Gesellschaft hervorrief. Besonders die Damen waren außer
sich — mußten es wohl auch sein: Aber niemand wagle sofort und
mit der gebotenen Feierlichkeit zu protestieren, denn Herr Treßler wußte
seine sonderbare Ansicht mit so viel Geist zu vertreten, mit so herrlichen
Gleichnissen und wunderschönen Bildern zu unterstützen, daß keine der Damen
den Kampf mit ihm aufzunehmen wagte. Gegen einen Canseur von solch
vollendeter Rednergabe, von solch souveräner Beherrschung des Wortes
getraute sich niemand aufkommen zu wollen. Hier folge — ziemlich wortgetreu —
aus den langen Ausführungen Treßters eines der rednerischen Bilder,
mit denen er seine überaus starke Anlicht über die Nebensächlichkeit vor¬
gefallener „Irrungen“ im Eheleben ausschmückte und zugleich begründete.
Der Künstler dat seine Hörer, sich an seiner Stelle irgend einen angenehm
lebenden Gutsbesitzer zu denken und sprach dann also zu den Damen und
Herren:
„Denken Sie, ich wohnie mit meiner Gattin gemeinsam in
einem behaglichen Haushalt, in dem wir uns wohl fühlen, mit weiter.
Aussicht, die uns beglückt, und mit einem wunderschönen Garten, in
dem wir gerne spazieren gehen. Und nun käme Einem von uns plötzlich
die Lust an, im Walde jenseits des Gitters — Erdbeeren zu pflücken.
Müßte deshalb der Andere gleich Untreue, Schmach, Verrat schreien?
Mütten wir Haus und Garten verkaufen und uns einbilden, daß
wir nun nicht mehr miteinander zum Fenster hinausschauen und nicht
mehr in unseren Alleen herumspazieren könnten? ... Weil unsere
Erdbeeren jenseits des Guters wachsen —?“
Und so ging es fort. Treßler erregte Sensation. Als die Gesellschuft
spät nachts auseinanderging, spruch man — wir können dies ruhig sagen —
von nichts als von der erstaunlichen oratorischen Schlagfertigkeit des
leider so radikalen Künstlers, den man vielleicht noch einmal auf irgend
einem der „linkesten“ Flügel des Parlaments werde sitzen sehen.
Hoffemlich läßt sich Herr Treßler von seinen Freunden nicht von
der ehrlichen Komödie abbringen, die bisnun seinen Künstlerberuf bildet.
Er hat es nicht nötig, in das parlameniarische Visavis auf dem Franzens¬
ring zu übersiedeln, wo er doch gegenwärtig am Burgtheater in durchaus
befriedigender Weise beschäftigt ist. Auch in der Novität der eben ver¬
gangenen Woche, in Schuitlers Komödie „Zwischenspiel“, fiel
dem Künstler eine hüssche Rölle zu — so weit es neben Josef Kainz'
Riesenaufgabe in diesem Stück noch eine andere männliche Rolle geben
kann. Bei der gestrigen zweiten Aufführung des Stückes kam es übrigens
zu einem kleinen Zwischenfall, der allerdings nur von wenigen bemerkt
wurde. Während der großen Szene, die Herr Treßler mit Kainz im
zweiten Akt zu sprechen hat, begannen plötzlich die Insassen zweier
benachbarter Logen besonders laut zu lachen. Das übrige Publikum lachte
bei dieser recht heiteren Szene wohl auch, aber nur, wenn die lustigen
Pointen fielen; in den beiden erwähnten Logen aber wurde gelacht, sobald
nur Herr Treßler den Mund aufmachte — bei den unbedeutendsten
Stellen. Die Damen der beiden Logen taten, was in ihren Kräften
lag; sie suchten sich zuückzuhalten, sie stopften sich die Taschentücher
in den Mund. Vergeblich. Schließlich verließen sie fluchtartig ihre
Sitze an der Logenbrüstung, um durch ihr Lachen nicht mehr aufzufallen.
Was war geschehen? ... Folgendes: Kainz hatte irgend etwas gesprochen
und Treßler sagt darauf unter anderem folgendes:
„Denkt Euch, ich wohnte mit meiner Gattin gemeinsam in
einem behaglichen Haushalt, in dem wir uns wohl fühlen, mit weiter
Aussicht, die uns beglückt, und mit einem wunderschönen Garten, in
dem wir gerne spazieren gehen. Und nun käme Einem von uns
plötzlich die Lust an, im Walde jenseits des Gitters — Erdbeeren
zu pflücken..
„Ini diesem Momente licherten die Insassinnen der beiden erwähnten
Logen laut auf, so daß sie über sich selbst erschracken . .. Treßler (auf
„der Bühne fortfahrend):
Müßte deshalb der andere gleich Untreue, Schmach, Verrat
schreien? Mützten wir Haus und Garten verkaufen —
Die Insassinnen der beiden Logen stopfen sich gewaltsam ihr
tTaschentücher in den Mund. .. Tretler (auf der Bühne fortfahrend):
und uns einbilden, daß wir nun nicht mehr miteinander
zum Fenster hinausschauen und nicht mehr in unseren Alleen
herumspazieren können? ... Weil unsere Erdbeeren jenseits des
Gitters wachsen —?“
Die Insassen der beiden Logen verlassen fluchtartig ihre Sitze an
den Logenbrüstungen... Wir brauchen diese Damen unseren Lesern
nicht mehr vorzustellen. Es waren Teilnehmerinnen jener eingangs er¬
wähnten Salondiskussion über Ehescheidungen — jenes Gesprächs, in welchem
Herr Otto Treßler ob seiner freien Anschauungen Aufsehen erregt, ob seiner
blühenden Bilder und seiner fließenden Sprache als Causeur die Sieges¬
palme davongetragen hatte. Und nun waren die Damen darauf gekommen,
baß der famose Komiker sie ganz gewöhnlich — beschwindelt, daß er
ihnen (da man gerade von Ehescheidungen sprach) einfach in der Diskussion
seine Rolle aus dem Schnitzlerschen „Zwischenspiel“ hergesagt hatte, die
er bereits auswendig kannte.
Es läßt sich denken, daß Herrn Treßler die schließliche Wirkung
seiner oratorischen „Leistung“ nicht unbelcnut blieb. Er will aber die
Gesellschaft revanchieren, indem er sich demnächst ausschließlich für Salon¬
zwecke von einem hervorragenden Dichter eigens eine „Konversationsrolle“
über irgend ein aktuelles Thema (zum Beispiel die ungarische Krise) schreiben
läßt
Im Burgtheater hat man, wie bekannt, der szenischen Ausstattung des
„Zwischenspiel“ große Aufmerksamkeit zugewendet. Schnitzler läßt alle drei
Akte in ein und demselben Salon spielen — um so interessanter mußte
dieser Schauplatz gestaltet werden. Architekt Urban komponierte nun
einen modernen Salon von so jungem Geschmack, daß wir uns auch
Richard Strauß nicht in einem neueren, jüngeren Musiksalon denken könmen.
Besonders bemerkenswert ist die Beleuchtung dieses Salons: Zum ersten
Male wurde die Szene tatsächlich nur von den Beleuchtungs¬
törpern erhellt, die das Publikum sieht. Die Soffittenbeleuchtung
war vollkommen ausgeschaltet und das Rampenlicht beinahe. Man weiß
doch, daß sonst die auf die Bühne gebrachten Beleuchtungsgegenstände
immer nur die Rol# von Schauspielern spielen. Zum Beispiel: Die
Kammerzofe erscheint und entzundet eine Lampe des Zimmers. Sofort
erhellt sich die ganze Bühne. Natürlich nicht durch diese eine Lampe der
Zofe, sondern der Beleuhtungsinspizient hatte in diesem Moment die
Soffitten und Rampenlichter eingeschaltet. Nun wurde im Burgtheater zum
ersten Male mit der Lichtkomödie geb rochen. Alles sollte Wahrheit, Natur
sein in diesem modernen Salon. Die Luster (gruppenartig herabhängende
Glühlampen) sollten nicht mehr Komödianten, sondern tatsächlich die
einzigen Lichtspender sein, wie in einem wirklichen Salon.
Schnitzlers „Zwischenspiel“ ist im Burgtheater schnell auf die
Schönthansche Nooität „Klei Dorrtt“ gefolgt. Die Darstetlerfreuen
sich dieses Stückes, das ihnen so dankbare Rollen bietet. Es reizt sie, das
Publitum so leicht weinen und lachen machen zu können. Merkwürdiger¬
weise nahm die Liebesszene Klein Dorrit=Clennam im dritten Akt bei
den letzten Aufführungen mehr Zeit in Anspruch als früher, während sich
doch sonst die Spielzeit der Stucke verringert, je öfter sie gegeben werden.
Bei der ersten Aufführung ging die erwähnte Liebesszene buchgemäß vor
sich: Im Foyer des Hotel Brighion trat Clennam=Reimers auf
Klein Dorrit =Retty zu und sagte ihr:
Clennam=Reimers: Ich habe damals, als ich Ihren Vater
befreite und Sie mir voll Dankbarkeit die Hand küßten, den einen
Wunsch gehabt, diese Ihre Lippen auch einmal auf meinem Mund zu
fühlen!
Klein Dorrit=Retty: Gut, aber nur aus aufrichtiger Hoch¬
achtung und Dankbarkeit!
(Klein Dorrit dreht sich um, bietet Herrn Clennam ihren Mund
freiwillig dar, und er küßt sie.)
In diesem Momente hört man auch schon die Stimme des Hotel¬
aufwärters (Herr Witte), der, die Küssenden überraschend, den
(Prinzen Henry Edward (Herr Hartmann) einführt und ausruft:
„Bitte, königliche Hoheit, nur einzutreten!“
(Die Küssenden fe## in größter Verlegenheit auseinander.)
Auf diese Art schreibt das Buch die Ueberraschung bei der Kußszene
vor. Bei der ersten Aufführung wurden Frau Retty und Herr Reimers
vorschriftsmäßig beim ersten Kusse überrascht. Bei der zweiten Aufführung
schaute sich Frau Retty nach dem ersten Kusse um — vergeblich! Es
kamen weder der Hotelaufwärter, noch auch der Prinz, um sie zu über¬
raschen. Was blieb der tugendhaften kleinen Dorrit über? Sie gab —
bios um die Zeit auszufüllen — ihrem Partner noch einen Kuß. Sofort
serschienen dann der Aufwärter und der Prinz. Es kam zur drilten Auf¬
führung, und wieder verspäteten sich die Herren Witte und Hartmann mit
der ihnen aufgetragenen Ueberraschungsmission. Klein Dorrit mußte ihren
Wohltäter Clennam sogar dreimal mit ihren Lippen beglücken — wieder
nur, um über die Warlezeit hinwegzukommen.
Aber Klein Dorrit ist tugendhaft. Als bei der vierten Aufführung
sogar vier Dankbarkeitsprämien für Clennam abfallen mußten, da sand
Frau Retty diesen Lohn selbst einem so edlen Wohltäter gegenüber für
übertrieben, und sie heklagte sich darüber, daß der Hotelauswärter¬
Witte und der Prinz=Hartmann ihr Auftreien immer versäumen
D zu spät kommen, Natürlich beklagten sich Klein.Dorrit= beis
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