II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 84

20. Zwischenspiel box 25/1
Telephon 12801.

„OBSERVER'
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in Berlin. Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
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San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewühr.)
Ausschnitt ans:
Leipziger Neuesie Nachriehten
vom: 77.
K
Uraufführung.
Wien, 12. Okt. (Privattelegramm.) Im Burgtheater übte
die Uraufführung von Arthur Schnitzlers seinpsychologischer
Komödie in drei Akten „Zwischenspiel“ einen tiefen Eindrua aus.
In der männlichen Hauptrolle bot Kainz eine bewunderungswürdige
gerufen.
Leistung, Lotte Witt sekundierte mit viel Geschick. Schnitzler wurde oft

(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt anse burger Fremdenblatt
vom:

Feuilleton.
Wiener Theater.
„Zwischenspiel“.
Kowölie in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Erstaufführung im Burgtheater.
(Eigener Bericht.)
b. Wien, 13, Oktbr.
Wer kennt nicht Brahms' herrliches Lied: „Nicht:
mehr zu Dir zu gehen beschloß ich und beschwor ich,
und geh’ doch alle Tage, denn jede Kraft und jeden
Halt verlor ich!“ und wer hätte dabei nicht die
Empfindung gehabt, daß dahinter eine tiefe, schwüle
Tragödie stecke! Arthur Schnitzler suchte sie mit seinem
feinen Spürsinn nach psychologischen Rätseln hervor¬
zuholen und baute auf dies Grundmotiv ein Stück.
Es spielt zwischen dem Kapellmeister Amadens Adams
und seiner Frau Cäcilie. Sieben Jahre haben sie in
einem träumerischen Glück nebeneinander gelebt. Da
tritt die Versuchung an sie heran, an sie in Gestalt
eines Fürsten Sigismund, an ihn in Gestalt einer
gräflichen Opernsängerin. Sie sind beide Künstler¬
naturen und doch aufrichtig gegenemander. Sie geben
sich gegenseitig die Freiheit, aber in allem, was
sonst das Leben erfüllt, wollen sie als Freunde, als
Kameraden nach wie vor zusammen bleiben, die
musitalischen Beziehungen zumal sollen aufrecht
bleiben. Nicht mehr zu Dir zu gehen beschloß ich!
Aber die Gemeinschaft zweier Menschen verschiedenen
Geschlechts bleibt immer eine gefährliche Sache, selbst
unter Eheleuten. Eines Abends, da sie von einem
Berliner Gastspiele zurückkehrt, wonnetrunken, freude¬
berauscht, im vollen Glanze ihrer sieghaften Schönheit,
da war's um sie geschehen. Jede Kraft und jeden
Halt verloren sie beide, und in einer Stunde des
Glücks verschwinden alle asketischen Vorsätze. Das
bleibt jedoch nur ein Zwischenspiel. Nun die Liebe
wieder ins Haus eingezogen, kommt mit ihr auch das
Verlangen nach dem alleinigen Besitz des geliebten
Gegenstandes, man nennt es sonst: die Eifersucht. Es
zeigt sich, daß er, der Mann, die Episode der Freiheit
leichtmütig und genußfreudig ausgenützt, daß er sich
nicht so tapfer gehalten wie sie. Es steckt ein Zug von
der Ibsenschen Nora in dieser Frau. Sie hat kaum
im Gedanken gefehlt, er mit der brutalen Tat, und
da hat ihre vornehme Seele die Empfindung, daß der
Mann sich klein und niedrig erwiesen, wo sie ihren
Adel gewahrt. Sie ist nun entschlossen, von ihm zu
gehen. „Wir lassen uns nicht scheiden, wir scheiden!“
Er, der Minderwertige, findet sich schmerzbewegt, aber
immerhin ungebrochen damit ab, und da er nun fort,
weint sie um ihn!
Nur ein sehr geringer Teil der psychologischen#
Wendungen, Verwirrungen, Verwandlungen und Un¬
gelöstheiten des Stückes ist in dieser Inhaltsangabe
wiedergegeben. Das Ganze ist ein psychologischer
Knäuel, der drei Akte hindurch ab= und wiederum auf¬
gewickelt wird. Jeder Steigerung folgt ein Rückfall.
In Wahrheit: der Zuschauer ermüdet einigermaßen
ob dieses wellenförmigen Auf und Ab, das sich drei
Stunden vor ihm abspielt. Die Ibsensche Dramentechnik,
die äußere Vorgänge verschmäht und das ganze Drama
von Innen heraus entwickeln läßt, ist hier fast auf
die Spitze getrieben. Im Grunde besteht das ganze
Stück aus drei großen Dialogen. Es sind wunderbar
verschlungene Dialoge, voll tiefer Seelenkenntnis, voll
Geist und Schlagfertigkeit, auch der Witz kommt ost
zu seinem Rechte — aber es ist kein levendiges Leben,
kein Zug darm.



Das Publikum nahm anfangs reges Interesse!
an der Sache, aber am Ende erlahmte seine
Teilnahme unter der Fülle dieser Worte ohne Handlung.
Man kann auch kaum sagen, daß ihm das Stück ge¬
fallen habe. Arthur Schnitzler steht in so hoher
Schätzung, daß ein Stück von ihm nicht geradezu ab¬
gelehnt werden kann, und er hat hier auch Freunde
und Anhänger genug, die einige kräftige Hervorrufe
nach den Aktschlüssen zuwege bringen; aber nach der
Erfahrung von gestern wird er sich wohl selbst sagen,
daß er, wenn es ihm nicht schon bisher gelungen wäre,
mit diesem „Zwischenspiel“ die Bühne nicht erobern
wird. Für die Darstellung der Hauptrollen traten
Kainz mit bewundernswerter Virtuosität und Lotte
Witt mit einer ihrer temperamentvollen Persönlichkeit
abgerungenen künstlerischen Diskretion ein.
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