II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 85

box 25/1
20. Zuischenspie-

Das Publikum nahm anfangs reges Interesse
an der Sache, aber am Ende erlahmte seine
Teilnahme unter der Fülle dieser Worte ohne Handlung.
Feuilleton.
Man kann auch kaum sagen, daß ihm das Stück ge¬
fallen habe. Arthur Schnitzler steht in so hoher
e 7
Schätzung, daß ein Stück von ihm nicht geradezu ab¬
gelehnt werden kann, und er hat hier auch Freunde
und Anhänger genug, die einige kräftige Hervorrufe
Wiener Theater.
Inach den Aktschlüssen zuwege bringen; aber nach der
Erfahrung von gestern wird er sich wohl selbst sagen,
„Zwischenspiel“.
daß er, wenn es ihm nicht schon bisher gelungen wäre,
Konödie in drei Akten von Arthur Schnitzler.
mit diesem „Zwischenspiel“ die Bühne nicht erobern
wird. Für die Darstellung der Hauptrollen traten
Erstaufführung im Burgtheater.
Kainz mit betundernswerter Virtuosität und Lotte
(Eigener Bericht.)
[Witt mit einer ihrer temperamentvollen Persönlichkeit
b. Wien, 13. Oktbr. abgerungenen künstlerischen Diskretion ein.
Wer kennt nicht Brahms' herrliches Lied: „Nicht
mehr zu Dir zu geben beschloß ich und beschwor ich,
und geh’ doch alle Tage, denn jede Kraft und jeden
Halt verlor ich!“ und wer hätte dabei nicht die
Empfindung gehabt, daß dahinter eine tiefe, schwüle
Tragödie stecke! Arthur Schnitzler suchte sie mit seinem
feinen Spürsinn nach psychologischen Rätseln hervor¬
zuholen und baute auf dies Grundmotiv ein Stück.
Es spielt zwischen dem Kapellmeister Amadens Adams
Telephon 12801.
und seiner Frau Cäcilie. Sieben Jahre haben sie in

2
einem träumerischen Glück nebeneinander gelebt. Da
tritt die Versuchung an sie heran, an sie in Gestalt
„ODSERVER
Seines Fürsten Sigismund, an ihn in Gestalt einer
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
gräflichen Opernsängerin. Sie sind beide Künstler¬
naturen und doch aufrichtig gegeneinander. Sie geben
Wien, I., Concordiaplatz 4.
sich gegenseitig die Freiheit, aber in allem, was
Vertretungen
sonst das Leben erfüllt, wollen sie als Freunde, als
Kameraden nach wie vor zusammen bleiben, die
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
musikalischen Beziehungen zumal sollen aufrecht
London, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom,
bleiben. Nicht mehr zu Dir zu gehen beschloß ich!
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
Aber die Gemeinschaft zweier Menschen verschiedenen
(Oeellenangabe ohne Gewähr.]
Geschlechts kleibt immer eine gefährliche Sache, selbst
unter Ehelenten. Eines Abends, da sie von einem
Ausschnitt aus:
Berliner Gastspiele zurückkehrt, wonnetrunken, freude¬
berauscht, im vollen Glanze ihrer sieghaften Schönheit,
„Bresiauer Zeitung
da war's um sie geschehen. Jede Kraft und jeden
vom:
S
Halt verloren sie beide, und in einer Stunde des
Glücks verschwinden alle asketischen Vorsätze. Das
bleibt jedoch nur ein Zwischenspiel. Nur die Liebe
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
wieder ins Haus eingezogen, kommt mit ihr auch das
Verlangen nach dem alleinigen Besitz des geliebten
Dramatische Chronik. Arthur Schnitzler, welcher lange
Gegenstandes, man nennt es sonst: die Eifersucht. Es
Zeit von der Wiener Hofbühne ferngehalten wurde, ist wieder mit
zeigt sich, daß er, der Mann, die Episode der Freiheit
einem neuen Stück dort erschienen, einer „Komödie“ in drei Atten:
leichtmütig und genußfreudig ausgenützt, daß er sich
„Zwischenspiel“, über deren Aufnahme bereits kurz berichtet wurde.
nicht so tapfer gehalten wie sie. Es steckt ein Zug von
Der Dichter behandelt das alte Thema von der schiffbrüchigen Ehe in
der Ibsenichen Nora in dieser Frau. Sie hat kaum
einer eigenartigen, aber halsbrecherisch gewagten Weise. Die Ehegatten
im Gedanken gefehlt, er mit der brutalen Tat, und
treunen sich im ersten Akt, doch indem sie auseinandergehen, bleiben sie
da hat ihre vornehme Seele die Empfindung, daß der
erst recht bei einander. Der gemeinschaftliche Haushalt wird fortgeführt,
Mann sich klein und niedrig erwiesen, wo sie ihren
nur soll jeder Teil vollkommene Bewegungsfreiheit genießen. Am Ende
Adel gewahrt. Sie ist nun entschlossen, von ihm zu
des zweiten Aktes, in einem Augenblicke der wieder aufflammenden Liebe,
gehen. „Wir lassen uns nicht scheiden, wir scheiden!“
kommen beide wieder ehelich zusammen. Es ist sozusagen ihre zweite
Er, der Minderwertige, findet sich schmerzbewegt, aber
Hochzeit. Und nachdem sie sich also wiedergefunden, trennen sie sich aber¬
immerhin ungebrochen damit ab, und da er nun fort,
mals im dritten Alt. Der Scheidungsgrund bleibt zum Teil das Ge¬
weint sie um ihn!
heimnis des Dichters. Man errät nur, daß die Frau sich entschieden
Nur ein sehr geringer Teil der psychologischen
weigert, mit dem Manne, dem sie sich soeben hingegeben, weiterzuleben.
Wendungen, Verwirrungen, Verwandlungen und Un¬
Es war nur ein „Zwischenspiel“ gewesen, ihre ganze Ehe nur ein Inter¬
mezzo. Kaum ist der Gatie endlich von ihr gegangen, so bricht die Frau
gelöstheiten des Stückes ist in dieser Inhaltsangabe
wiedergegeben. Das Ganze ist ein psychologischer
weinend zusammen, ohne Zweifel, weil sie ihn sich zurückwünscht. Ein
Knäuel, der drei Akte hindurch ab= und wiederum auf¬
ewiges Lösen, Binden, Wiederlösen, aus dem man nicht recht klug wird
gewickelt wird. Jeder Steigerung folgt ein Rückfall.
und bei dem auch das Publikum zuerst nicht recht wußte, ob es den Dichter
In Wahrheit: der Zuschauer ermüdet einigermaßen
hervorrufen oder auszischen sollte, bis es sich endlich für den ersteren Aus¬
ob dieses wellenförmigen Auf und Ab, das sich drei
weg aus dem Dilemma entschied. Die Darstellung mit Kainz und Lotte
Stunden vor ihm abspielt. Die Ibsensche Dramentechnik,
— „Alt=Heidel¬
Witt in den Hauptrollen war ersten Ranges.
die äußere Vorgänge verschmäht und das ganze Drama
[berg“ ist nun auch ins Vlämische übersetzt und dieser Tage unter
von Innen heraus entwickeln läßt, ist hier fast auf
dem. Titel „Oud=Heidelberg“ im Vlämischen Theater zu Brüssel auf¬
die Spitze getrieben: Im Grunde besteht das ganze
geführt worden. Die Brüsseler Blätter konstatieren einen Erfolg, wie
Stück aus drei großen Dialogen. Es sind wunderbar
er in Brüssel schon seit vielen Jahren nicht erlebt worden sei: Als be¬
verschlungene Dialoge, voll tiefer Seelenkenntnis, voll
sonderes „Charakteristikum“ wird in fast allen Kritiken hervorgehoben,
Geist und Schlagfertigkeit, auch der Witz kommt ost
daß das Stück außerordentlich „gemütlich“ sei, wobei natürlich keine
aber es ist kein lebendiges Leben,
zu seinem Rechte¬
Blatt verfehlt, das Wort „gemütlich“, für welches sich in der französi¬
kein Zug dari.
schen Sprache kein gleichwertiges Wort findet, so deutsch wie es i##
wiederzugeben.