20. Zuischenspiel box 25/1
513
„UBSENVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest, Chicago. Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus
lfe 9 Teretngs-Courter, Wien
2o. URinben 4505
vom:
Plandereien vom Theater.
Es ist eigentlich nicht zu ergründen, wieso in
weitere Kreise der Oefsentlichkeit, ja sogar der litera¬
rischen, die Meinung gedrungen ist, daß sich das
Wort des Dichters jetzt im Burgtheater mit
größerer Freiheit bewege als ehedem, daß die Fesseln
der Hoftheaterzensur erweitert worden sind — derart,
daß man sie kaum mehr spürt, wenn man nur ein
halbwegs rechtschaffener Autor ist. Nun, diese Meinung
ist wohl auf Steinen gebaut — aber auf solche, die
beim ersten Anstoß in Sand zerfallen. Sehen wir
einmal ein paar Kleinigkeiten an, welche die Hof¬
theaterzensur aus Artur Schuf#lers Zwischen¬
spiel“ mit überaus vorsichtißem Skift-hinausstrichliert
hat. Empfindlichkeiten in den kleinsten Kleinigkeiten!
werden da offenbar. Wir haben schon in unserer
letzten „Planderei“ von einer derartigen jungfräu¬
lich errötenden Zensurleistung gesprochen, die an der
jüngsten Novität des Burgtheaters erreicht worden
aber was hier folgen soll, ist noch hübscher. Da
hat z. B. im zweiten Akte Kainz=Amadeus seinem
Freunde Albertus gegenüber (der Darsteller des
Albertus ist Herr Treßler) die Scheidungsgerüchte,
die bezüglich des Ehepaares Amadens=Cäcilie kol¬
vortient wardenuurgisch zu dementieren. Und da
sägt Kainz=Amadens:
„Sage ihnen (den Leuten), daß die Treue,
die wir
Cäcilie und ich
einander halten,
wahrscheinlich eine bessere ist, als die in manchen¬
anderen Ehen, wo man tagsüber seines
eigenen Wege geht und nichts gemein¬
sam hat als die Nacht.“
Das heißt: Kainz hätte nach dem Wortlaut
des Buches diesen Satz zu sprechen — aber im Burg¬
theater spricht er ihn nicht. Die Zensur hat den
Passus: „wo man tagsüber“ bis zur gemeinsamen
Nacht gestrichen.
Aus einer zarten, aber nichtsdestoweniger grund¬
falschen Empfindung heraus hat man diese Worten
gestrichen. Mit viel mehr Recht hätte man die ganze
Schlußszene des zweiten Aktes eliminieren können,
da Amadeus seine Gattin (noch dazu gerade deshalb,
weil sie in seinen Augen gar nicht mehr seine Gattin ist)
ins Schlafzimmer drängt. Natürlich wäre dann
die Aufführung des ganzen Stückes unmöglich ge¬
worden da es doch kein „Zwischenspiel“ ohne dieses
Zwischenspiel geben kann. Aber Eins hätie sich die
verehrte Hoftheaterzenfur vor Angen halten sollen:
Schnitzlers Zwischenspiel“ ist kein Stück für
Komtessen. Da lassen die Abonnenten ebenso wie die
Billettenkäufer ihre jungen Mädchen zuhause. Und den
„Großen“ den verheirateten Leuten, die da kommen,
um den Dichter und Nervengelehrten Artur Schnitzler
bei der Definition eines ehelichen Problems am Werke
zu sehen
denen hätte der Passus von der „gemein¬
samen Nacht“ gar nicht geschadet
aber nicht ein
Bisserl!
Ueberdies, wenn man sich einen Schriftsteller
Twie Schnitzler vorstellt, dem
das beweist ja schon
die Langeweile seiner Szenenführung
nichts ferner
liegt, als die Erregung von Lüsternheit.
Aber nicht nur die Sittlichkeit hat die Hoftheater¬
Zensur gelegentlich des „Zwischenspiels“ gerettet
sondern etwas viel Höheres, Erhabeneres. In dem¬
selben (zweiten##t, findet sich folgende Stelle:
513
„UBSENVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest, Chicago. Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus
lfe 9 Teretngs-Courter, Wien
2o. URinben 4505
vom:
Plandereien vom Theater.
Es ist eigentlich nicht zu ergründen, wieso in
weitere Kreise der Oefsentlichkeit, ja sogar der litera¬
rischen, die Meinung gedrungen ist, daß sich das
Wort des Dichters jetzt im Burgtheater mit
größerer Freiheit bewege als ehedem, daß die Fesseln
der Hoftheaterzensur erweitert worden sind — derart,
daß man sie kaum mehr spürt, wenn man nur ein
halbwegs rechtschaffener Autor ist. Nun, diese Meinung
ist wohl auf Steinen gebaut — aber auf solche, die
beim ersten Anstoß in Sand zerfallen. Sehen wir
einmal ein paar Kleinigkeiten an, welche die Hof¬
theaterzensur aus Artur Schuf#lers Zwischen¬
spiel“ mit überaus vorsichtißem Skift-hinausstrichliert
hat. Empfindlichkeiten in den kleinsten Kleinigkeiten!
werden da offenbar. Wir haben schon in unserer
letzten „Planderei“ von einer derartigen jungfräu¬
lich errötenden Zensurleistung gesprochen, die an der
jüngsten Novität des Burgtheaters erreicht worden
aber was hier folgen soll, ist noch hübscher. Da
hat z. B. im zweiten Akte Kainz=Amadeus seinem
Freunde Albertus gegenüber (der Darsteller des
Albertus ist Herr Treßler) die Scheidungsgerüchte,
die bezüglich des Ehepaares Amadens=Cäcilie kol¬
vortient wardenuurgisch zu dementieren. Und da
sägt Kainz=Amadens:
„Sage ihnen (den Leuten), daß die Treue,
die wir
Cäcilie und ich
einander halten,
wahrscheinlich eine bessere ist, als die in manchen¬
anderen Ehen, wo man tagsüber seines
eigenen Wege geht und nichts gemein¬
sam hat als die Nacht.“
Das heißt: Kainz hätte nach dem Wortlaut
des Buches diesen Satz zu sprechen — aber im Burg¬
theater spricht er ihn nicht. Die Zensur hat den
Passus: „wo man tagsüber“ bis zur gemeinsamen
Nacht gestrichen.
Aus einer zarten, aber nichtsdestoweniger grund¬
falschen Empfindung heraus hat man diese Worten
gestrichen. Mit viel mehr Recht hätte man die ganze
Schlußszene des zweiten Aktes eliminieren können,
da Amadeus seine Gattin (noch dazu gerade deshalb,
weil sie in seinen Augen gar nicht mehr seine Gattin ist)
ins Schlafzimmer drängt. Natürlich wäre dann
die Aufführung des ganzen Stückes unmöglich ge¬
worden da es doch kein „Zwischenspiel“ ohne dieses
Zwischenspiel geben kann. Aber Eins hätie sich die
verehrte Hoftheaterzenfur vor Angen halten sollen:
Schnitzlers Zwischenspiel“ ist kein Stück für
Komtessen. Da lassen die Abonnenten ebenso wie die
Billettenkäufer ihre jungen Mädchen zuhause. Und den
„Großen“ den verheirateten Leuten, die da kommen,
um den Dichter und Nervengelehrten Artur Schnitzler
bei der Definition eines ehelichen Problems am Werke
zu sehen
denen hätte der Passus von der „gemein¬
samen Nacht“ gar nicht geschadet
aber nicht ein
Bisserl!
Ueberdies, wenn man sich einen Schriftsteller
Twie Schnitzler vorstellt, dem
das beweist ja schon
die Langeweile seiner Szenenführung
nichts ferner
liegt, als die Erregung von Lüsternheit.
Aber nicht nur die Sittlichkeit hat die Hoftheater¬
Zensur gelegentlich des „Zwischenspiels“ gerettet
sondern etwas viel Höheres, Erhabeneres. In dem¬
selben (zweiten##t, findet sich folgende Stelle: