20. Zuischensniel
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halbwegs rechtschaffener Autor ist. Nun, diese Meinung
ist wohl auf Steinen gebaut — aber auf solche, die
beim ersten Anstoß in Sand zerfallen. Sehen wir
einmal ein paar Kleinigkeiten an, welche die Hof¬
theaterzensur aus Artur Schnitzlers „Zwischen¬
spiel“ mit überaus vorsichtigem Stift hinausstrichliert
hat. Empfindlichkeiten in den kleinsten Kleinigkeiten
werden da offenbar. Wir haben schon in unserer
letzten „Planderei“ von einer derartigen jungfräu¬
lich errötenden Zensurleistung gesprochen, die an der
jüngsten Novität des Burgtheaters erreicht worden
aber was hier folgen soll, ist noch hübscher. Da
hat z. B. im zweiten Akte Kainz=Amadeus seinem
Freunde Albertus gegenüber (der Darsteller des
Albertus ist Herr Treßler) die Scheidungsgerüchte,
die bezüglich des Ehepaares Amadeus=Cacilie kol¬
portiert werden, euergisch—zu dementieren. Und da
sagt Kainz=Amadens:
„Sage ihnen (den Leuten), daß die Treue,
die wir — Cäcilie und ich
einander halten,
wahrscheinlich eine bessere ist, als die in manchen
anderen Ehen, wo man tagsüber seine
eigenen Wege geht und nichts gemein¬
sam hat als die Nacht.“
Das heißt: Kainz hätte nach dem Wortlaut
des Buches diesen Satz zu sprechen — aber im Burg¬
theater spricht er ihn nicht. Die Zensur hat den
Passus: „wo man tagsüber“ bis zur gemeinsamen
Nacht gestrichen.
Aus einer zarten, aber nichtsdestoweniger grund¬
falschen Empfindung heraus hat man diese Worte
gestrichen. Mit viel mehr Recht hätte man die ganze
Schlußszene des zweiten Aktes eliminieren können,
da Amadeus seine Gattin (noch dazu gerave deshalb,
weil sie in seinen Augen gar nicht mehr seine Gattin ist)
ins Schlafzimmer drängt. Natürlich wäre dann
die Aufführung des ganzen Stückes unmöglich ge¬
worden da es doch kein „Zwischenspiel“ ohne dieses
Zwischenspiel geben kann. Aber Eins hätte sich die
verehrte Hoftheaterzensur vor Augen halten sollen:
Schnitzlers „Zwischenspiel“ ist kein Stück für
Komtessen. Da lassen die Abonnenten ebenso wie die
Billettenkäufer ihre jungen Mädchen zuhause. Und den
Großen“, den verheirateten Leuten, die da kommen,
um den Dichter und Nervengelehrten Artur Schnitzler
bei der Definition eines ehelichen Problems am Werke
zu sehen
denen hätte der Passus von der „gemein¬
samen Nacht“ gar nicht geschadet — aber nicht ein
Bisserl!
Ueberdies, wenn man sich einen Schriftsteller
wie Schnitzler vorstellt, dem
das beweist ja schon
die Langeweile seiner Szenenführung
nichts ferner
liegt, als die Erregung von Lüsternheit.
Aber nicht nur die Sittlichkeit hat die Hoftheater¬
Zenfur gelegentlich des „Zwischenspiels“ gerettet
sondern etwas viel Höheres, Erhabeneres. In dem¬
selben (zweiten Akt, findet sich folgende Stelle:
Albertus spricht von dem Ehe=Stück, das er
schreiben will
und zwar direkt auf den Fall
Amadens=Cäcilie gestützt. Er sagt dabei:
Albertus (zu Amadeus) .... So helfe
ich Dir und mir, indem ich Dich etwas klüger,
energischer, konsequenter gestalte
Amadeus (einfallend): „Als mich Gott
geschaffen hat.“
Das heißt wieder: Kainz=Amadeus hätte nach
dem Wortlaut des Buches diesen Satz zu sprechen —
aber im Burgtheater spricht er ihn nicht. Die Zensur
hat die Worte „als mich Gott geschaffen hat“ ge¬
strichen und dafür die Worte gesetzt:
als ich von Natur gestaltet
bins¬
Man muß wohl schon sehr, sehr fromm sein, um
in der ursprünglichen Fassung des Dichters eine
Herabsetzung des höchsten Wesens zu sehen. Im
Gegenteil: Wir erlauben uns zu sagen, daß die or¬
thodoren Gläubigen aller monotheistischer Religionen
eher durch die Verbesserung, welche sich die
Zensur gestattet hat, in ihren religiösen Überzeugungen
verletzt sein können. Denn nach der Bibel hat Gott
die Erde 2c. und den Menschen geschaffen und ge¬
staltet. Erst die realistischen Philosophen, diese gott¬
losen Teufels=Menschen hatten statt des höchsten!
Wesens die „Natur“ gesetzt, den „Kampf ums
Dasein“ er. Man könnte also — welche Bosheit
im Namen der Gläubigen gegen die ... glaubenslose
Haftheater=Zeusur protestieren.
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halbwegs rechtschaffener Autor ist. Nun, diese Meinung
ist wohl auf Steinen gebaut — aber auf solche, die
beim ersten Anstoß in Sand zerfallen. Sehen wir
einmal ein paar Kleinigkeiten an, welche die Hof¬
theaterzensur aus Artur Schnitzlers „Zwischen¬
spiel“ mit überaus vorsichtigem Stift hinausstrichliert
hat. Empfindlichkeiten in den kleinsten Kleinigkeiten
werden da offenbar. Wir haben schon in unserer
letzten „Planderei“ von einer derartigen jungfräu¬
lich errötenden Zensurleistung gesprochen, die an der
jüngsten Novität des Burgtheaters erreicht worden
aber was hier folgen soll, ist noch hübscher. Da
hat z. B. im zweiten Akte Kainz=Amadeus seinem
Freunde Albertus gegenüber (der Darsteller des
Albertus ist Herr Treßler) die Scheidungsgerüchte,
die bezüglich des Ehepaares Amadeus=Cacilie kol¬
portiert werden, euergisch—zu dementieren. Und da
sagt Kainz=Amadens:
„Sage ihnen (den Leuten), daß die Treue,
die wir — Cäcilie und ich
einander halten,
wahrscheinlich eine bessere ist, als die in manchen
anderen Ehen, wo man tagsüber seine
eigenen Wege geht und nichts gemein¬
sam hat als die Nacht.“
Das heißt: Kainz hätte nach dem Wortlaut
des Buches diesen Satz zu sprechen — aber im Burg¬
theater spricht er ihn nicht. Die Zensur hat den
Passus: „wo man tagsüber“ bis zur gemeinsamen
Nacht gestrichen.
Aus einer zarten, aber nichtsdestoweniger grund¬
falschen Empfindung heraus hat man diese Worte
gestrichen. Mit viel mehr Recht hätte man die ganze
Schlußszene des zweiten Aktes eliminieren können,
da Amadeus seine Gattin (noch dazu gerave deshalb,
weil sie in seinen Augen gar nicht mehr seine Gattin ist)
ins Schlafzimmer drängt. Natürlich wäre dann
die Aufführung des ganzen Stückes unmöglich ge¬
worden da es doch kein „Zwischenspiel“ ohne dieses
Zwischenspiel geben kann. Aber Eins hätte sich die
verehrte Hoftheaterzensur vor Augen halten sollen:
Schnitzlers „Zwischenspiel“ ist kein Stück für
Komtessen. Da lassen die Abonnenten ebenso wie die
Billettenkäufer ihre jungen Mädchen zuhause. Und den
Großen“, den verheirateten Leuten, die da kommen,
um den Dichter und Nervengelehrten Artur Schnitzler
bei der Definition eines ehelichen Problems am Werke
zu sehen
denen hätte der Passus von der „gemein¬
samen Nacht“ gar nicht geschadet — aber nicht ein
Bisserl!
Ueberdies, wenn man sich einen Schriftsteller
wie Schnitzler vorstellt, dem
das beweist ja schon
die Langeweile seiner Szenenführung
nichts ferner
liegt, als die Erregung von Lüsternheit.
Aber nicht nur die Sittlichkeit hat die Hoftheater¬
Zenfur gelegentlich des „Zwischenspiels“ gerettet
sondern etwas viel Höheres, Erhabeneres. In dem¬
selben (zweiten Akt, findet sich folgende Stelle:
Albertus spricht von dem Ehe=Stück, das er
schreiben will
und zwar direkt auf den Fall
Amadens=Cäcilie gestützt. Er sagt dabei:
Albertus (zu Amadeus) .... So helfe
ich Dir und mir, indem ich Dich etwas klüger,
energischer, konsequenter gestalte
Amadeus (einfallend): „Als mich Gott
geschaffen hat.“
Das heißt wieder: Kainz=Amadeus hätte nach
dem Wortlaut des Buches diesen Satz zu sprechen —
aber im Burgtheater spricht er ihn nicht. Die Zensur
hat die Worte „als mich Gott geschaffen hat“ ge¬
strichen und dafür die Worte gesetzt:
als ich von Natur gestaltet
bins¬
Man muß wohl schon sehr, sehr fromm sein, um
in der ursprünglichen Fassung des Dichters eine
Herabsetzung des höchsten Wesens zu sehen. Im
Gegenteil: Wir erlauben uns zu sagen, daß die or¬
thodoren Gläubigen aller monotheistischer Religionen
eher durch die Verbesserung, welche sich die
Zensur gestattet hat, in ihren religiösen Überzeugungen
verletzt sein können. Denn nach der Bibel hat Gott
die Erde 2c. und den Menschen geschaffen und ge¬
staltet. Erst die realistischen Philosophen, diese gott¬
losen Teufels=Menschen hatten statt des höchsten!
Wesens die „Natur“ gesetzt, den „Kampf ums
Dasein“ er. Man könnte also — welche Bosheit
im Namen der Gläubigen gegen die ... glaubenslose
Haftheater=Zeusur protestieren.