20. Zuischenspiel box 25/1
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seinem Verlangen stantepede nach und der Vorhang vom Vorabende der großen Revolution, scharf
fällt schleunigst, um die Wiedervereinigung der gesehen und mit sicherer Hand wiedergegeben. Die
beiden den Blicken der profauen Menge zu ent= beängstigend schwüle Stimmung vor dem Ausbruch
des großartigsten Sturmes, der je die Welt durch¬
ziehen. Der dritte Akt bringt einen kapitalen
fegte, hat freilich nur einer zu schildern verstanden:
Rückenguß à la Kneipp. Die zarte, saufte, reine
Dickens in „T#e eitigs“, Schnitzler beschränkte
Durchlaucht kommt und hält bei dem auf ihn nun¬
sich bloß auf einen kleinen Ausschnitt, der mit
mehr eifersüchtigen Meister der Kapelle, der ihn
der eigentlichen Sache höchstens zufällig zu tun
sogar umbringen will, in aller Form um die
hat. Der ist ihm aber ganz vorzüglich gelungen.
Hand der Frau Zäzilie an. Er will sogar das
Unter seinen Anatoliaden uns Reigentänzen dürfte
Kind des Amadeus mitnehmen, ja, erklärt sich
„Der grüne Kakadu“ das beste sein und vielleicht
bereit, den Gatten mit dem Amte eines Haus
auch das beste bleiben. Denn nur hier pulsiert echtes
freundes zu beirauen. So weit Schnitzlers „Zwischen¬
II. F.
Dichterblut.
spiel“. Der Leser möge seines Amtes walten. In
Volksoper.
meiner Scham ob dem Nichtverstehen tröstet mich
I4./X.: Zum ersteumale „Haus Heiling“,
der Umstand, daß auch andere Leute Schnitzlern
romantische Oper von Heinrich Marschner.
nicht verstanden haben und dies auch freimütig ein¬
Das war eine Vorstellung mit Hindernissen! Zu¬
bekennen. Und da geteiltes Leid halbes Leid ist, werd¬
erst wurde die Aufführung von Dienstag auf
ich diesen Schicksalsschlag in meinen Zwischen¬
Samstag verschoben. Als man aber an jenem
Roland Hamnber,
stunden verwinden.
Abend um dreiviertel 7 vor dem Theater ankam,
Deutsches Volkstheater.
traf man eine mehr oder minder kräftig raison¬
„Der zerbrochene Krug“-von Kleist
nierende Menschenmenge. Auf dem Zettel und in
„Der grüne Kakadu“ von A. Schnitzler
den Zeitungen stand nämlich „Beginn 7 Uhr“.
Das deutsche Lustspiel, dieser Schmerzenreich dent
Nun war die Aufführung auf halb 8 verschoben
schen Schrifttums! Bekanntlich hat unsere Mutter¬
worden. Wenn der Direktion schon keine Zeit
sprache selber sich den hübschen Spaß gemacht,
blieb, dies rechtzeitig kundzugeben, sollte sie doch
das Wort „Lustspiel“ zu verumglimpfen, wahr¬
veraulassen, daß in solchen Fällen schon von
scheinlich in Vorahnung künftiger „Lustspiel¬
halb 7 an der Eintritt in das Theater gestattet
dichter". Verkehrt gelesen gibt nämlich das Wort
ist und die Besucher nicht genötigt sind, eine viertel
den nicht sonderlich zimmerreinen Ausdruck:
bis halbe Stunde auf dem allzeit stürmischen
„Leipstul“. Angesichts der Schönthauschen Rössel¬
Währingergürtel zu frieren. Als sich endlich nach
sprünge und des Auernheimerschen Bibergeils
halb 8 der Vorhang hob, bot sich eine neue
erscheint die Bezeichnung am Platze. Man atmet
Ueberraschung. Auf der Bühne stand Herr Pro¬
ordentlich auf, wenn man wieder einmal ein
fessor Gottinger als „Hans Heiling“, während
wirkliches Lustspiel über die Bretter gehen sieht,
der Theaterzettel Herrn Melms als den Träger
jene Bretter, die dem Anschein nach nur Autoren
der Titelrolle bezeichnete. Auch dies hatte die
betreten dürfen, die entweder selbst ein Brett vor
Direktion nicht der Mühe wert erachtet, vor Beginn
dem Kopfe haben, oder aber denen der Bier= oder
der Vorstellung anzuzeigen. Nach dieser kleinen,
Kaffeetisch zur Enilastung von ihren sexuellen
aber wohl nicht ganz unberechtigten Abschweifung
Witzbeschwerden nicht genügt. Vertritt „Minna
nun zur Oper selbst. Daß Direktor Simons
von Barnhelm“ das seine Lustspiel, das in Schau¬
Marschners Meisterwerk dem Spielplane der
ferts „Schach dem König“ gipselt, so dient „Der
Volksoper einverleibte, ist in doppelter Hinsicht
zerbrochene Krug“ der Komödie nach Anzengruber
zu loben. Erstens ist „Haus Heiling“ eine Volks¬
hin (Die Kreuz'lschreiber, Doppelselbstmord) zur
oper im besten Sinne des Wortes und zweitens
Folie. Trotz des Alters, trotz des keineswegs
bildet das Werk einen wichtigen Markstein in der
breiten Humors — darum auch so wenig ge¬
Entwicklung des musikalischen Dramas, ist also
schätzt — wirken die beiden Stücke auf die Zuhörer
auch vom historischen Standpunkte aus äußerst
ganz erklecklich, wie Schönthan und Blumenthal
interessant. Wenn Beethoven zu Weber die Worte
nach 50 Jahren kaum noch wirken werden. Der
sprach: „Bravo! Du Teufelskerl! ein Kaspar
Schnitzlers
geniale Wurf macht es eben.
(im „Freischütz“) steht da wie ein Haus!“ so
Stück (wie ganz anders wirkt dies Zeichen
hätte er zu Marschner sagen können: „der Hans
auf mich ein), das Stück, das freilich trotz des
Heiling steht da wie ein düsterer Palast“. Tat¬
Untertitels mit der Komödie so gut wie nichts
zu tun hat, ist ein vortreffliches Genrebild sächlich wurde diese dämonische, vom Librettisten
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seinem Verlangen stantepede nach und der Vorhang vom Vorabende der großen Revolution, scharf
fällt schleunigst, um die Wiedervereinigung der gesehen und mit sicherer Hand wiedergegeben. Die
beiden den Blicken der profauen Menge zu ent= beängstigend schwüle Stimmung vor dem Ausbruch
des großartigsten Sturmes, der je die Welt durch¬
ziehen. Der dritte Akt bringt einen kapitalen
fegte, hat freilich nur einer zu schildern verstanden:
Rückenguß à la Kneipp. Die zarte, saufte, reine
Dickens in „T#e eitigs“, Schnitzler beschränkte
Durchlaucht kommt und hält bei dem auf ihn nun¬
sich bloß auf einen kleinen Ausschnitt, der mit
mehr eifersüchtigen Meister der Kapelle, der ihn
der eigentlichen Sache höchstens zufällig zu tun
sogar umbringen will, in aller Form um die
hat. Der ist ihm aber ganz vorzüglich gelungen.
Hand der Frau Zäzilie an. Er will sogar das
Unter seinen Anatoliaden uns Reigentänzen dürfte
Kind des Amadeus mitnehmen, ja, erklärt sich
„Der grüne Kakadu“ das beste sein und vielleicht
bereit, den Gatten mit dem Amte eines Haus
auch das beste bleiben. Denn nur hier pulsiert echtes
freundes zu beirauen. So weit Schnitzlers „Zwischen¬
II. F.
Dichterblut.
spiel“. Der Leser möge seines Amtes walten. In
Volksoper.
meiner Scham ob dem Nichtverstehen tröstet mich
I4./X.: Zum ersteumale „Haus Heiling“,
der Umstand, daß auch andere Leute Schnitzlern
romantische Oper von Heinrich Marschner.
nicht verstanden haben und dies auch freimütig ein¬
Das war eine Vorstellung mit Hindernissen! Zu¬
bekennen. Und da geteiltes Leid halbes Leid ist, werd¬
erst wurde die Aufführung von Dienstag auf
ich diesen Schicksalsschlag in meinen Zwischen¬
Samstag verschoben. Als man aber an jenem
Roland Hamnber,
stunden verwinden.
Abend um dreiviertel 7 vor dem Theater ankam,
Deutsches Volkstheater.
traf man eine mehr oder minder kräftig raison¬
„Der zerbrochene Krug“-von Kleist
nierende Menschenmenge. Auf dem Zettel und in
„Der grüne Kakadu“ von A. Schnitzler
den Zeitungen stand nämlich „Beginn 7 Uhr“.
Das deutsche Lustspiel, dieser Schmerzenreich dent
Nun war die Aufführung auf halb 8 verschoben
schen Schrifttums! Bekanntlich hat unsere Mutter¬
worden. Wenn der Direktion schon keine Zeit
sprache selber sich den hübschen Spaß gemacht,
blieb, dies rechtzeitig kundzugeben, sollte sie doch
das Wort „Lustspiel“ zu verumglimpfen, wahr¬
veraulassen, daß in solchen Fällen schon von
scheinlich in Vorahnung künftiger „Lustspiel¬
halb 7 an der Eintritt in das Theater gestattet
dichter". Verkehrt gelesen gibt nämlich das Wort
ist und die Besucher nicht genötigt sind, eine viertel
den nicht sonderlich zimmerreinen Ausdruck:
bis halbe Stunde auf dem allzeit stürmischen
„Leipstul“. Angesichts der Schönthauschen Rössel¬
Währingergürtel zu frieren. Als sich endlich nach
sprünge und des Auernheimerschen Bibergeils
halb 8 der Vorhang hob, bot sich eine neue
erscheint die Bezeichnung am Platze. Man atmet
Ueberraschung. Auf der Bühne stand Herr Pro¬
ordentlich auf, wenn man wieder einmal ein
fessor Gottinger als „Hans Heiling“, während
wirkliches Lustspiel über die Bretter gehen sieht,
der Theaterzettel Herrn Melms als den Träger
jene Bretter, die dem Anschein nach nur Autoren
der Titelrolle bezeichnete. Auch dies hatte die
betreten dürfen, die entweder selbst ein Brett vor
Direktion nicht der Mühe wert erachtet, vor Beginn
dem Kopfe haben, oder aber denen der Bier= oder
der Vorstellung anzuzeigen. Nach dieser kleinen,
Kaffeetisch zur Enilastung von ihren sexuellen
aber wohl nicht ganz unberechtigten Abschweifung
Witzbeschwerden nicht genügt. Vertritt „Minna
nun zur Oper selbst. Daß Direktor Simons
von Barnhelm“ das seine Lustspiel, das in Schau¬
Marschners Meisterwerk dem Spielplane der
ferts „Schach dem König“ gipselt, so dient „Der
Volksoper einverleibte, ist in doppelter Hinsicht
zerbrochene Krug“ der Komödie nach Anzengruber
zu loben. Erstens ist „Haus Heiling“ eine Volks¬
hin (Die Kreuz'lschreiber, Doppelselbstmord) zur
oper im besten Sinne des Wortes und zweitens
Folie. Trotz des Alters, trotz des keineswegs
bildet das Werk einen wichtigen Markstein in der
breiten Humors — darum auch so wenig ge¬
Entwicklung des musikalischen Dramas, ist also
schätzt — wirken die beiden Stücke auf die Zuhörer
auch vom historischen Standpunkte aus äußerst
ganz erklecklich, wie Schönthan und Blumenthal
interessant. Wenn Beethoven zu Weber die Worte
nach 50 Jahren kaum noch wirken werden. Der
sprach: „Bravo! Du Teufelskerl! ein Kaspar
Schnitzlers
geniale Wurf macht es eben.
(im „Freischütz“) steht da wie ein Haus!“ so
Stück (wie ganz anders wirkt dies Zeichen
hätte er zu Marschner sagen können: „der Hans
auf mich ein), das Stück, das freilich trotz des
Heiling steht da wie ein düsterer Palast“. Tat¬
Untertitels mit der Komödie so gut wie nichts
zu tun hat, ist ein vortreffliches Genrebild sächlich wurde diese dämonische, vom Librettisten
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