II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 191

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wärmer geworden und sie feiert Triumphe in Berlin. Es geht in der Zeitung die Rede,
daß sie sich mit dem Fürsten Sigismund verheiraten wolle, was Amadeus, wenn es wahr
wäre, als eine Entweihung des edelsten Verhältnisses, das zwischen den Kameraden
besteht, empfinden würde. Eifersüchtig, man kann es nicht anders nennen, beobachtet er
auch den Eindruck, den der berühmte Tenor in Berlin auf sie gemacht hat. Er will sie
nicht an die Berliner Oper ziehen lassen; sie soll warten bis zum herbst, wo auch er
frei ist und mit ihr gemeinschaftlich übersiedeln kann. Aber er findet in der Zurück¬
gekehrten eine ganz andere, als die er hat gehen sehen. In der stolzen, ruhigen und
guten Frau ist etwas erwacht, was sie als ein Fremdes über Leib und Seele gleiten
fühlt. Ihre Stimme hat einen andern Klang, aus ihren Augen leuchtet ein feuriger
Glanz und sie fühlt sich so wenig mehr als die herrin ihres Blutes und ihrer Sinne,
daß sie sich selbst als Opfer eines Verführers denken könnte. Und dieser Verführer steht in
dem Kameraden, dem früheren Gatten, vor ihr! Amadeus findet sie schöner als je, mehr
geschaffen zu beglücken als je! Nicht mehr Kamerad und Gatte, ihr Geliebter will er sein
und sein eheliches Recht als ein Abenteuer genießen. Und obwohl sie ihn warnt, daß es
kein gefährlicheres geben könne, besteht er dieses Abenteuer, überrumpelt er ihre Sinne.
„Da habt ihr, was ihr wollt!“ hat wohl mancher Zuschauer nach dem Fallen des
Vorhanges im zweiten Akte mit Shakespeare gesagt. Dieser Cäcilie, die ihren sie an¬
betenden Mann so wenig zu fesseln wußte, scheint es doch auch an Temperament gefehlt zu
haben — und das bringt sie nun von der Reise in der Stärke mit, wie sie der Liebhaber¬
Gatte selber nicht besser wünschen kann. Und er sucht die Abenteuer nicht mehr außer
dem hause, sondern in dem hause, bei der Frau, die er nie aufgehört hat zu verehren
und die nun auch mächtig auf seine Sinne wirkt. So scheint dem Zuschauer die volle Ehe erst
jetzt hergestellt. Aber der Dichter führt uns auf ganz andere Wege, die dicht an Ibsens
„Nora“ vorüberführen.
Amadeus, der sich die Sache ebenso vorstellt wie die Zuschauer, wird von der heftigsten
Eifersucht gequält. Er fühlt sich wieder ganz im Recht des Gatten und will sich mit dem
Fürsten Sigismund schlagen, weil er das Verhältnis mit seiner Frau für unehrbar hält.
Ich gestehe, daß ich dieses Motiv für sehr unglücklich halte und ebenso wenig verstehe
als der einfache Albertus. Der Fürst hat mit Cäcilie im Speisewagen des Expreßzuges
mitten unter den andern Reisenden gespeist; er hat sie auf zwei Stunden in der Sommer¬
frische besucht; es heißt, daß er sie heiraten wolle — ich finde in alledem nichts Kom¬
promittierendes für eine Sängerin, auch wenn sie ihr Gatte nicht freigegeben hätte.
Cäcilie hat dem Kameraden in der verflossenen Nacht mit einer Offenheit und Aufrichtigkeit,
die man einer Frau nicht leicht zutrauen dürfte, die geheimsten Wallungen ihres Blutes
gebeichtet, ohne einen Zweifel darüber zu lassen, daß sie sich noch keines Fehltrittes schuldig
weiß. Ich finde kein Wort für die niedrige Seele dieses Amadeus, wenn er nach diesem
Bekenntnis und nach dieser Nacht an ihrer Reinheit zweifeln kann; und ich würde es
nur in der Ordnung finden, wenn Cäcilie, nachdem sie von dieser Uiedertracht erfahren
hat, daraus die Veranlassung nähme, die „Nora“ zu spielen. Mir ist aber auch die
folgende Szene mit dem Fürsten selbst vollkommen unverständlich.
Es ist ja wohl schon dagewesen, daß ein Freier bei der Mutter um die hand eines
Mädchens angehalten hat, ohne sich vorher mit der Tochter zu verständigen; daß aber
ein Mann aus der vornehmen Gesellschaft von dem ihm befreundeten Gatten verlangt,