II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 192

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daß er sich von einer Frau scheiden lasse, die gesagt hat, sie denke nicht daran, ihn zu
heiraten, auch wenn er nicht um drei Jahre jünger wäre als sie, das scheint mir doch
eine unmögliche Situation. Durch die Dialogwendung: der Gatte möge sie freigeben,
damit sie nicht mehr unter seinem Banne stehe, wird sie nicht besser gemacht; denn wie
kann der Fürst von dem Gatten verlangen, daß er ihm auch noch zur Liebe der Frau
verhilft? Und wird die Kameradin nicht auch als Frau des Fürsten unter dem geistigen
Banne des Kameraden stehen, der als Freund im hause verkehren soll? Sehr hübsch
aber ist wieder die Wendung des Dialoges, als Amadeus von der Reinheit des Ver¬
hältnisses und Sigismund von der Absicht des Duelles erfährt, aus dem er auf das Ver¬
hältnis der Gatten denselben Rückschluß macht wie Amadeus und der Zuschauer. Dieser
Rückschluß aber wird durch das folgende Auftreten Cäciliens grausam zerstört. Sie
bringt ihm den Brief an die Gräfin zurück, deren Gatte die fatale Gewohnheit hat,
auch die vorletzten Liebhaber seiner Frau vor die Pistole zu fordern, und befreit
ihn so auf großmütige Weise vor künftigen Verlegenheiten. Dann aber erklärt sie, ohne
Feindschaft von ihm zu scheiden; denn gerade aus dem Abenteuer dieser Nacht finde sie keinen
Rückweg zu ihm. hier ist nun nicht bloß die Motivierung schwach; es ist auch der Dialog
nicht ohne Widersprüche. Cäcilie meint, sie wäre in dieser Nacht nicht sein gewesen,
denn dasselbe Glück hätte sich auch ein anderer holen können, wenn er nur da gewesen
wäre. Als aber Amadeus ihr später den heftigen Vorwurf macht, warum sie ihn nicht
von ihrer Tür fortgewiesen hätte, da antwortet sie: „Ich habe dich geliebt, Amadeus.
Und vielleicht wollt' ich nichts anderes, als daß das Ende, das nun einmal doch unaus¬
bleiblich war, unserer Liebe würdig wäre — daß wir mit einer letzten Seligkeit und in
Schmerzen voneinander gehn.“ Darnach hat sie also doch den Geliebten in ihm umarmt,
eine „Seligkeit“ genossen, die sie nicht mit jedem anderen geteilt hätte; und das Ende ist
ihr als unausbleiblich schon vor dem Abenteuer erschienen. Und wenn sie sich wieder
auf den Tumult des Blutes beruft und sich ihrer Treue nicht mehr sicher genug fühlt,
um bei Rmadeus zu bleiben, so wird auch in Zukunft die Arbeit nicht leisten, was sie
jetzt nicht kann, und sie vor dem nicht bewahren, was sie mit ausgebreiteten Armen er¬
sehnt und erwartet.
In seinen Motiven also keineswegs überzeugend, ist das Stück ein Muster= und
Meisterstück der echt Schnitzlerschen Kunst des Dialoges. Die Dialoge zwischen Mann und
Frau bilden denn auch den Kern, um den der Dichter das Stück gruppiert hat. Und
das ist wieder mit feiner Kunst geschehen: seine Geliebte und ihr Verehrer treten als
Episoden, die eine in der Exposition, der andere im letzten Akte auf. Die die handlung
begleitenden Personen bilden ein kontrastierendes Ehepaar, der Dichter Albertus mit
seiner Frau, für deren etwas hausbackenen Sinn solche Konflikte nicht bestehen; den
Dichter hat Schnitzler außerdem zu literarischer Satire, mitunter auch zu leiser Selbst¬
ironie glücklich verwendet. In den Dialogen aber handelt es sich immer um das, was Ibsen
in „Klein=Cyolf“ die „Wandelungen“ nennt. Kein Dialog, der nicht zuletzt zu einem ganz
anderen Ziele führte, als das der Zuschauer von Anfang an erwartet hätte! Die Ehe¬
gatten wollen auseinandergehen — aber im gemeinschaftlichen haushalt verbleiben. Der
Gatte ist im Begriffe, den Verehrer seiner Frau zu fordern — der schüttelt ihm, als er es
erfährt, gerührt die hand. Die Neigung zum scheinbar Paradoxen geht durch das ganze Stück:
der Gatte will sein eheliches Recht als Abenteuer genießen; der Verehrer bittet den
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österr. Rundschau IV, 51.