II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 213


Fe


auch sie für einen Anderen sich interessiere. Als aber
Frau Kommerzienrat hat den ihr im Grunde doch
sein Abenteuer mit der veränderungsfüchtigen Sänge¬
völlig Fremden um die Gefälligkeit gebeten, ihr einen
rin, als dieses „Zwischenspiel“, sein schnelles Ende
kostbaren Schmuck in Paris — ausgerechnet!— reparieren
erlebt und eine Regung von Eisersucht ihn umso
zu lassen. Als sie ihn nun bringt, wird Gerda, die bereits
stärker zur Frau zurückzieht, da kann er sie allen¬
zur Flucht gerüstet ist, aus dem Park hereingeholt — sie
falls in heißer Stunde zu einer Augenblicks=Gewäh¬
muß ja zugegen sein, damit das Mittel verfängt!
und in ihrer Gegenwart übernimmt der „Graj“ denfrung stimmen, den Rückweg zu ihrem Vertrauen, die
Rückkehr zur Ehe findet er nicht mehr. Sie waren
Auftrag und den Schmuck, den Frau Borchertz nie
einander zu viel gewesen, als daß sie noch versuchen
wiedersehen wird. Gerda ist geknickt, aber ein Trost
könnten, nach jener Episode ein banales Alltags=Paar
mag es ihr vielleicht sein, daß der Graf, den man
zu sein, meint Cäcilie, und weist den werbenden
für einen Diplomaten hält, laut erklärt, er werde
Mann zurück. Freilich läßt sie ihm mit einem
seinen bisherigen Beruf aufgeben. Er zieht von
„Vielleicht“ noch eine Hoffnung auf die Zukunft.
dannen, und ein Bote bringt ein Paketchen
Soweit konnte Schnitzler innerhalb seiner künstleri¬
an Frau Kommerzienrat: das gestohlene Brillant¬
schen Ehrlichkeit dem Publikums=Empfinden entgegen¬
kollier flimmert ihr daraus entgegen, ein Briefchen
kommen. Zu einer banalen Komödien=Versöhnung,
ihres Gatten belehrt sie jedoch, daß es nicht das
die der Durchschnitts=Zuhörerschaft besser behagt hatte,
gestohlene sei, sondern ein Pendant, das er zufällig
„Wenn ihr das
mochte er sich nicht entschließen
entdeckt habe. Er schenke ihr diesen Schmuck, denn
Glück hättet, erfunden zu sein“, sagt der Dumas¬
nach seiner Voraussage verliere er bei Breyer &
sche Raisonneur des Stückes, der Dramatiker und
Sohn nicht einen Pfennig. Der Meisterlügner neben
Librettist Rhon, „dann würde Euch jetzt das Kind
dem Meisterdieb.
versöhnen, aber da Ihr nicht Komödienfiguren
Es ist nicht klar, warum Eckart sein Stück eine
seid" Eine fein ausgestaltete, keine blos übernommene
jedes Bühnenwerk,
„romantische“ Komödie nennt —
Figur, dieser mehr verinnerlichte Raisonneur! Das
in dem ein romantisch angehauchtes Backfischchen
Kernwort des Stückes aber, die feine Tendenz, die
herumwimmelt, ist darum selbst noch lange nicht
These, die mit der kleinen Handlung bewiesen werden
romantisch. Aber es ist noch vieles andere unklar in
soll, spricht Frau Cäcilie aus: „Waren wir denn
dem „Froschkönig“; überall tun sich Fragezeichen auf,
wirklich ehrlich miteinander und offen? Nein, wir
wohin man blickt, sieht man Unmöglichkeiten, schiefe
waren es nicht! Wenn wir damals, als wir uns gegen¬
Bilder, verzeichnete Charaktere. Die älteste Tochter
seitig gestanden, daß die Neigung uns zu anderen
des Kommerzienrats, die einen Dr. phil. geheiratet
zieht, wenn wir damals den Ingrimm hätten aus¬
hat, wird als ein tiefer, durchdringender Geist hinge¬
toben lassen, der in uns wüthete, dann wären wir
— den Beweis dafür, daß sie es ist, bleibt
stellt
uns der Verfasser schuldig. Er bleibt uns auch diewahr gewesen!" Eine Entlarvung der angeblichen frei¬
mütigen Kameradschaft in der Ehe, das also ist
wirkliche, überzeugende Motivierung für die Geschehnisse
das neue Stück!
schuldig, und auf die Kreditseite seines Kontos kann
lange Schnitzler seinem Zweck geradewegs
So
man eigentlich nur eine Reihe gelungener Witzworte
er zwar nicht unsere tiefere
hat
zustrebt,
setzen.
Anteilnahme, zu der kommt es bei der
innere
Die Aufführung unter Grubes feinsinniger
Handlung nicht,
konstruierten kleinen
etwas
Regie war vortrefslich bis auf — Matkowsky.
aber doch unser willig folgendes Interesse.
Seiner impulsiven Feuernatur lag der „Graf“ ganz
Im Schlußakt verscherzt Schnitzler auch dieses
und gar nicht, und in seiner Darstellung wurde die
Figur erst recht unverständlich, wie er selbst es übri=Interesse mitunter, wenn er Verlegenheits=Szenen und
gens zumeist war. Er spielte mit einer gewissenl erkünstelte Situationen einschaltet. Der Anbeter der
Frau, der zum Gatten kommt, um von ihm die Hand
Müdigkeit, und von der faszinierenden, suggestiven
seiner Gattin zu erbitten, ist eine französische an¬
Wirkung, die der Graf auf Gerda ausübt, war nichts
mutende Schwankidee, die nicht organisch in das
wurde von Frl.
Die Gerda
Werk gehört und der willige Rückzug dieses sonder¬
[Eschborn innig und einfach verkörpert; Frl.
baren Werbers gibt dem Stück fast etwas ungewollt
[von Mayburg war ausgezeichnet als die
„philosophierende“ Frau Fernow, Herr Böttcher Komisches. Prächtige Einfälle, feingeschliffene Pointen
Herr erzwingen sich auch hier ihre Wirkung. Neben tress¬
vertrat ihren Gatten in bester Haltung,
lichen Bemerkungen, die uns den kritischen, den
Keßler und Nuscha Butze ragten durch die
lebendige Wiedergabe des kommerzienrätlichen Ehe=philosophischen Kopf zeigen, neben Bemerkungen,
wie etwa: „Man kommt aus einem unerlaubten
paares hervor, Grube bot eine kostbare Type als
[Abenteuer eher moralisch heil wieder nach Hause
Polizeirat, und die Herren Kraußneck, Hertzer
als mit einem unerlaubten Wunsch“ neben solchen
und E. Arndt, denen kleinere Aufgaben zugefallen
Bemerkungen erzwingen sich auch gröbere Scherze im
waren, setzten gleichfalls ihr ganzes Können ein. Die
Anekdoten= und Witzblatt=Stil ihren Eindruck. Am
dekorative Einrichtung war vornehm und von erlesenem
stärksten vielleicht wirkte es, als Amadeus seinem
Geschmack — ein prunkender Rahmen für ein minder¬
Freunde Rhon, seinem Kartellträger im geplanten
N. W.
wertiges Bild ...
Zweikampf mit dem Nebenbuhler zuruft:
„Er oder ich, einer von uns muß sterben!“
Der Wiener Erfolg von Arthur Schnitzlers
„Ach so, Du trachtest ihm nach dem Leben?
el“
hat gestern im hiesigen
„Zwischen
Und ich dachte, es handelt sich nur um ein Duell!“
„Lessing=Theater“ seinen Wiederhall, einen ver¬
Freilich hat Reicher dies wie so manches andere
stärkten Wiederhall gefunden. Es war mehr als ein
gehaltvollere Wort in der Rolle des Rhon prächtig zur
höflicher Empfang, der dem Gaste von der Donau
Geltung gebracht. Die ganze Aufführung hat
bereitet wurde. Grüßte ihn im frühen Hervorruf
zwar die wienerisch=lustige Kunstler=Athmosphäre,
nach dem ersten Akte nur ein freundliches Willkommen,
aus der der ernste Konflikt erwächst, nicht so
auf das der geistvolle Anatol=Dichter, der fein¬
recht getroffen und hat den Ton von Anfang
empfindende Schöpfer der „Liebelei“ in Berlin
an etwas schwerer genommen, innerhalb dieser
immer Anspruch hat, so rief der spätere warme Beifall
Auffassung aber war sie sehr geglückt. Die feinnervige
schon den Verfasser dieses „Zwischenspiels". Zum
Cäcilie findet in Irene Triesch die geeignetste
Schluß mischte sich freilich auch Widerspruch in den
Darstellerin. Haben wir doch zur Zeit kaum eine
dankbaren Zuruf, der sich indes doch kräftig durch¬
Schauspielerin, die ein tiefes, mehr hinter der Rede
setzte.
er
sich verbergendes als in ihr sich zeigendes Innen¬
Vor sechs Wochen erst hat das aus einer musi¬
leben so wahr, so eindrucksvoll schildern kann. Auch hier
musikumwobene
kalischen Athmosphäre erblühte,
fühlte man die ausgestachelte, aufgepeitschte Seele
Werk an dieser Stelle eine liebevoll eingehende
hinter dem gespielten heiteren Gleichmut. Das Lieb¬
Analyse gefunden, der wir wenig hinzuzufügen haben.
Anders dargestellt wurde es nur hier und anders haber=Element im Amadeus ist nicht Bassermanns
Stärke. Wo dieser Musiker, der leichtbewegte, etwas
verstanden. Hier hat man es bald heraus¬
gefühlt, daß Schnitzler nur den Rahmen phantastisch veranlagte Sanguiniker, der bezaubernde
der Pariser Sitten=Komödie sich angeeignet Herzenstürmer sein sollte, der Mann, der sich
hat, daß er ihn aber mit deutschen Gestalten aus= und andere in seiner Rede berauscht, da blieb Basser¬
gefüllt, mit Wienerischen Stimmungen belebt und mit mann der Rolle manches schuldig. In Aussehen und
eigensten echt Schnitzlerschen Ideen umrankt hat. Auf Ton ost stark an Mitterwurzer erinnernd. hat
##
er diese Ideen kam es ihm besonders an. Darum über= er doch aber manche Wendung überaus wirksam ge¬
en wiegt in dem neuen Stücke der feine Kopf und nicht staltet und gelegentlich auch Temperament, warm¬
Herr Reicher, dessen
iß die gestaltende Kraft. Darum liegt der Schwerpunkt beseeltes Spiel gezeigt.
m nicht in der Handlung, sondern im gehaltvollen Dialog. wir schon mit gebührender Anerkennung ge¬
en Wobei freilich gleich zugestanden sein mag, daß der dachten, charakterisierte in Maske und Ton den
er Dialog nicht äußerlich angebrachte gute Einfälle wienerischen Künstler=Typus. Mit feiner Zurück
Gs