box 25/2
20. Zuischensniel
Ariner Borien=Gbueier A.333.
Sonntag, 26. November 1905.
Untersuchung des Schmuckdiebstahls betraute Polizei=sumfaßt, sondern daß jedes kluge Wort, jede fein¬
zugespitzte Wendung, aus dem eigentlichen Wesen der
rat zugegen ist, und schüttet Gerda sein Herz aus.
Personen und ihrer inneren Erlebnisse entspringt.
Das junge Ding ist selbstverständlich begeistert
Das pariserisch=äußerliche Cyprienne=Motiv, daß
von der Retterinnenrolle, die ihm da so aus dem
Ehegatten einander die Freiheit geben, Freunde und
Himmel in den Schoß fällt, dann aber wird ihm
Kameraden werden wollen, nur um sich dann umso
selbst davor bange, und es verlobt sich im Hand¬
gründlicher wiederzufinden, ist hier vertieft. Den
umdrehen mit dem albernen, ungeliebten Forstassessor.
etwas wienerisch leichtlebigen, verwöhnten Kapell¬
Der „Graf“, der erscheint, um endlich Abschied zu
meister Adams, der überdies den Mozartschen Vor¬
nehmen, ist verzweifelt darüber und bestimmt Gerda
namen Amadaus führt, wandelt die Lust an, einmal
im letzten Augenblicke noch, Vaterhaus und Ver¬
Da er im
über den Ehe=Zaun zu springen.
lobten zu verlassen und mit ihm in die Welt
Verhältnis kameradschaftlicher Osfenheit zur Frau
Dann scheint er sich die Sache
Sie geht,
zu gehen.
steht, sagt er es ihr rund heraus.
man weiß nicht, warum!
jedoch plötzlich
innerlich erschauernd mit gespieltem heiteren Gleich¬
anders überlegt zu haben, denn er greift
mut darauf ein. Sie läßt ihn sogar glauben, daß
zu einem Radikalmittel, um Gerda zu kurieren: die
auch sie für einen Anderen sich interessiere. Als aber
Frau Kommerzienrat hat den ihr im Grunde doch
sein Abenteuer mit der veränderungssüchtigen Sänge¬
völlig Fremden um die Gefälligkeit gebeten, ihr einen
rin, als dieses Zwischenspiel“ sein schnelles Ende
kostbaren Schmuck in Paris — ausgerechnet!— reparieren
erlebt und eine Regung von Eisersucht ihn umso
zu lassen. Als sie ihn nun bringt, wird Gerda, die bereits
zur Flucht gerüstet ist, aus dem Park hereingeholt — sie stärker zur Frau zurückzieht, da kann er sie allen¬
falls in heißer Stunde zu einer Augenblicks=Gewäh¬
muß ja zugegen sein, damit das Mittel verfängt! —
und in ihrer Gegenwart übernimmt der „Graf“ denkrung stimmen, den Rückweg zu ihrem Vertrauen, die
Rückkehr zur Ehe findet er nicht mehr. Sie waren
Auftrag und den Schmuck, den Frau Borchertz nie
einander zu viel gewesen, als daß sie noch versuchen
wiedersehen wird. Gerda ist geknickt, aber ein Trost
könnten, nach jener Episode ein banales Alltags=Paar
mag es ihr vielleicht sein, daß der Graf, den man
zu sein, meint Cäcilie, und weist den werbenden
für einen Diplomaten hält, laut erklärt, er werde
Mann zurück. Freilich läßt sie ihm mit einem
seinen bisherigen Beruf aufgeben. Er zieht von
„Vielleicht“ noch eine Hoffnung auf die Zukunft.
dannen, und ein Bote bringt ein Paketchen
[Soweit konnte Schnitzler innerhalb seiner künstleri¬
an Frau Kommerzienrat: das gestohlene Brillant¬
schen Ehrlichkeit dem Publikums=Empfinden entgegen¬
kollier flimmert ihr daraus entgegen, ein Briefchen
kommen. Zu einer banalen Komödien=Versöhnung,
ihres Gatten belehrt sie jedoch, daß es nicht das
die der Durchschnitts=Zuhörerschaft besser behagt hätte,
gestohlene sei, sondern ein Pendant, das er zufällig
mochte er sich nicht entschließen „Wenn ihr das
entdeckt habe. Er schenke ihr diesen Schmuck, denn
Glück hättet, erfunden zu sein“, sagt der Dumas¬
nach seiner Voraussage verliere er bei Breyer &
sche Raisonneur des Stückes, der Dramatiker und
Sohn nicht einen Pfennig. Der Meisterlügner neben
Librettist Rhon, „dann würde Euch jetzt das Kind
dem Meisterdieb.
r nicht Komödienfiguren
aber da I
versöhnen,
Es ist nicht klar, warum Eckart sein Stück eine
seid ..“ Eine fein ausgestaltete, keine blos übernommene
„romantische“ Komödie nennt — jedes Bühnenwerk,
Figur, dieser mehr verinnerlichte Raisonneur! Das
sin dem ein romantisch angehauchtes Backfischchen
herumwimmelt, ist darum selbst noch lange nicht Kernwort des Stückes aber, die feine Tendenz, die
These, die mit der kleinen Handlung bewiesen werden
romantisch. Aber es ist noch vieles andere unklar in
soll, spricht Frau Cäcilie raus: „Waren wir denn
dem „Froschkönig“; überall tun sich Fragezeichen auf,
wirklich ehrlich miteinander und offen? Nein, wir
wohin man blickt, sieht man Unmöglichkeiten, schiefe
waren es nicht! Wenn wir damals, als wir uns gegen¬
Bilder, verzeichnete Charaktere. Die älteste Tochter
seitig gestanden, daß die Neigung uns zu anderen
des Kommerzienrats, die einen Dr. phil. geheiratet
zieht, wenn wir damals den Ingrimm hätten aus¬
hat, wird als ein tiefer, durchdringender Geist hinge¬
— den Beweis dafür, daß sie es ist, bleibtitoben lassen, der in uns wüthete, dann wären wir
stellt
wahr gewesen!“ Eine Entlarvung der angeblichen frei¬
uns der Verfasser schuldig. Er bleibt uns auch die
mütigen Kameradschaft in der Ehe, das also ist
wirkliche, überzeugende Motivierung für die Geschehnisse
das neue Stück!
schuldig, und auf die Kreditseite seines Kontos kann
So lange Schnitzler seinem Zweck geradewegs
man eigentlich nur eine Reihe gelungener Witzworte
er zwar nicht unsere tiefere
hat
zustrebt,
setzen.
Anteilnahme, zu der kommt es bei der
innere
Die Aufführung unter Grubes feinsinniger
Handlung nicht,
konstruierten kleinen
etwas
Regie war vortresslich bis auf — Matkowsky.
aber doch unser willig folgendes Interesse.
Seiner impulsiven Feuernatur lag der „Graf“ ganz
Im Schlußakt verscherzt Schnitzler auch dieses
und gar nicht, und in seiner Darstellung wurde die
Interesse mitunter, wenn er Verlegenheits=Szenen und
Figur erst recht unverständlich, wie er selbst es übri¬
erkünstelte Situationen einschaltet. Der Anbeter der
gens zumeist war. Er spielte mit einer gewissen
Frau, der zum Gatten kommt, um von ihm die Hand
Müdigkeit, und von der faszinierenden, suggestiven
Wirkung, die der Graf auf Gerda ausübt, war nichts seiner Gattin zu erbitten, ist eine französische an¬
mutende Schwankidee, die nicht organisch in das
Frl.
wurde von
Die Gerda
S
spuren.
zu
Werk gehört und der willige Rückzug dieses sonder¬
[Eschborn innig und einfach verkörpert; Frl.
baren Werbers gibt dem Stück fast etwas ungewollt
[von Mayburg war ausgezeichnet als die
Komisches. Prächtige Einfälle, feingeschliffene Pointen
„philosophierende“ Frau Fernow, Herr Böttcher
erzwingen sich auch hier ihre Wirkung. Neben treff¬
Herr
bester Haltung,
vertrat ihren Gatten in
Keßler und Nuscha Butze ragten durch dielichen Vemerkungen, die uns den kritischen, den
lebendige Wiedergabe des kommerzienrätlichen Ehe=philosophischen Kopf zeigen, neben Bemerkungen,
paares hervor, Grube bot eine kostbare Type als wie etwa: „Man kommt aus einem unerlaubten
[Abenteuer eher moralisch heil wieder nach Hause
Polizeirat, und die Herren Kraußneck, Hertzer
als mit einem unerlaubten Wunsch“ neben solchen
und E. Arndt, denen kleinere Aufgaben zugefallen
Bemertungen erzwingen sich auch gröbere Scherze im
waren, setzten gleichsalls ihr ganzes Können ein. Die
Anekdoten= und Witzblatt=Stil ihren Eindruck. Am
dekorative Einrichtung war vornehm und von erlesenem
stärksten vielleicht wirkte es, als Amadeus seinem
Geschmack — ein prunkender Rahmen für ein minder¬
Freunde Rhon, seinem Kartellträger im geplanten
N. W.
wertiges Bild ..
Zweikampf mit dem Nebenbuhler zuruft:
„Er oder ich, einer von uns muß sterben!“
„Ach so, Du trachtest ihm nach dem Leben?
Der Wiener Erfolg von Arthur Schnitzlers
im hiesigen
gestern
hat
wischensviel“
20. Zuischensniel
Ariner Borien=Gbueier A.333.
Sonntag, 26. November 1905.
Untersuchung des Schmuckdiebstahls betraute Polizei=sumfaßt, sondern daß jedes kluge Wort, jede fein¬
zugespitzte Wendung, aus dem eigentlichen Wesen der
rat zugegen ist, und schüttet Gerda sein Herz aus.
Personen und ihrer inneren Erlebnisse entspringt.
Das junge Ding ist selbstverständlich begeistert
Das pariserisch=äußerliche Cyprienne=Motiv, daß
von der Retterinnenrolle, die ihm da so aus dem
Ehegatten einander die Freiheit geben, Freunde und
Himmel in den Schoß fällt, dann aber wird ihm
Kameraden werden wollen, nur um sich dann umso
selbst davor bange, und es verlobt sich im Hand¬
gründlicher wiederzufinden, ist hier vertieft. Den
umdrehen mit dem albernen, ungeliebten Forstassessor.
etwas wienerisch leichtlebigen, verwöhnten Kapell¬
Der „Graf“, der erscheint, um endlich Abschied zu
meister Adams, der überdies den Mozartschen Vor¬
nehmen, ist verzweifelt darüber und bestimmt Gerda
namen Amadaus führt, wandelt die Lust an, einmal
im letzten Augenblicke noch, Vaterhaus und Ver¬
Da er im
über den Ehe=Zaun zu springen.
lobten zu verlassen und mit ihm in die Welt
Verhältnis kameradschaftlicher Osfenheit zur Frau
Dann scheint er sich die Sache
Sie geht,
zu gehen.
steht, sagt er es ihr rund heraus.
man weiß nicht, warum!
jedoch plötzlich
innerlich erschauernd mit gespieltem heiteren Gleich¬
anders überlegt zu haben, denn er greift
mut darauf ein. Sie läßt ihn sogar glauben, daß
zu einem Radikalmittel, um Gerda zu kurieren: die
auch sie für einen Anderen sich interessiere. Als aber
Frau Kommerzienrat hat den ihr im Grunde doch
sein Abenteuer mit der veränderungssüchtigen Sänge¬
völlig Fremden um die Gefälligkeit gebeten, ihr einen
rin, als dieses Zwischenspiel“ sein schnelles Ende
kostbaren Schmuck in Paris — ausgerechnet!— reparieren
erlebt und eine Regung von Eisersucht ihn umso
zu lassen. Als sie ihn nun bringt, wird Gerda, die bereits
zur Flucht gerüstet ist, aus dem Park hereingeholt — sie stärker zur Frau zurückzieht, da kann er sie allen¬
falls in heißer Stunde zu einer Augenblicks=Gewäh¬
muß ja zugegen sein, damit das Mittel verfängt! —
und in ihrer Gegenwart übernimmt der „Graf“ denkrung stimmen, den Rückweg zu ihrem Vertrauen, die
Rückkehr zur Ehe findet er nicht mehr. Sie waren
Auftrag und den Schmuck, den Frau Borchertz nie
einander zu viel gewesen, als daß sie noch versuchen
wiedersehen wird. Gerda ist geknickt, aber ein Trost
könnten, nach jener Episode ein banales Alltags=Paar
mag es ihr vielleicht sein, daß der Graf, den man
zu sein, meint Cäcilie, und weist den werbenden
für einen Diplomaten hält, laut erklärt, er werde
Mann zurück. Freilich läßt sie ihm mit einem
seinen bisherigen Beruf aufgeben. Er zieht von
„Vielleicht“ noch eine Hoffnung auf die Zukunft.
dannen, und ein Bote bringt ein Paketchen
[Soweit konnte Schnitzler innerhalb seiner künstleri¬
an Frau Kommerzienrat: das gestohlene Brillant¬
schen Ehrlichkeit dem Publikums=Empfinden entgegen¬
kollier flimmert ihr daraus entgegen, ein Briefchen
kommen. Zu einer banalen Komödien=Versöhnung,
ihres Gatten belehrt sie jedoch, daß es nicht das
die der Durchschnitts=Zuhörerschaft besser behagt hätte,
gestohlene sei, sondern ein Pendant, das er zufällig
mochte er sich nicht entschließen „Wenn ihr das
entdeckt habe. Er schenke ihr diesen Schmuck, denn
Glück hättet, erfunden zu sein“, sagt der Dumas¬
nach seiner Voraussage verliere er bei Breyer &
sche Raisonneur des Stückes, der Dramatiker und
Sohn nicht einen Pfennig. Der Meisterlügner neben
Librettist Rhon, „dann würde Euch jetzt das Kind
dem Meisterdieb.
r nicht Komödienfiguren
aber da I
versöhnen,
Es ist nicht klar, warum Eckart sein Stück eine
seid ..“ Eine fein ausgestaltete, keine blos übernommene
„romantische“ Komödie nennt — jedes Bühnenwerk,
Figur, dieser mehr verinnerlichte Raisonneur! Das
sin dem ein romantisch angehauchtes Backfischchen
herumwimmelt, ist darum selbst noch lange nicht Kernwort des Stückes aber, die feine Tendenz, die
These, die mit der kleinen Handlung bewiesen werden
romantisch. Aber es ist noch vieles andere unklar in
soll, spricht Frau Cäcilie raus: „Waren wir denn
dem „Froschkönig“; überall tun sich Fragezeichen auf,
wirklich ehrlich miteinander und offen? Nein, wir
wohin man blickt, sieht man Unmöglichkeiten, schiefe
waren es nicht! Wenn wir damals, als wir uns gegen¬
Bilder, verzeichnete Charaktere. Die älteste Tochter
seitig gestanden, daß die Neigung uns zu anderen
des Kommerzienrats, die einen Dr. phil. geheiratet
zieht, wenn wir damals den Ingrimm hätten aus¬
hat, wird als ein tiefer, durchdringender Geist hinge¬
— den Beweis dafür, daß sie es ist, bleibtitoben lassen, der in uns wüthete, dann wären wir
stellt
wahr gewesen!“ Eine Entlarvung der angeblichen frei¬
uns der Verfasser schuldig. Er bleibt uns auch die
mütigen Kameradschaft in der Ehe, das also ist
wirkliche, überzeugende Motivierung für die Geschehnisse
das neue Stück!
schuldig, und auf die Kreditseite seines Kontos kann
So lange Schnitzler seinem Zweck geradewegs
man eigentlich nur eine Reihe gelungener Witzworte
er zwar nicht unsere tiefere
hat
zustrebt,
setzen.
Anteilnahme, zu der kommt es bei der
innere
Die Aufführung unter Grubes feinsinniger
Handlung nicht,
konstruierten kleinen
etwas
Regie war vortresslich bis auf — Matkowsky.
aber doch unser willig folgendes Interesse.
Seiner impulsiven Feuernatur lag der „Graf“ ganz
Im Schlußakt verscherzt Schnitzler auch dieses
und gar nicht, und in seiner Darstellung wurde die
Interesse mitunter, wenn er Verlegenheits=Szenen und
Figur erst recht unverständlich, wie er selbst es übri¬
erkünstelte Situationen einschaltet. Der Anbeter der
gens zumeist war. Er spielte mit einer gewissen
Frau, der zum Gatten kommt, um von ihm die Hand
Müdigkeit, und von der faszinierenden, suggestiven
Wirkung, die der Graf auf Gerda ausübt, war nichts seiner Gattin zu erbitten, ist eine französische an¬
mutende Schwankidee, die nicht organisch in das
Frl.
wurde von
Die Gerda
S
spuren.
zu
Werk gehört und der willige Rückzug dieses sonder¬
[Eschborn innig und einfach verkörpert; Frl.
baren Werbers gibt dem Stück fast etwas ungewollt
[von Mayburg war ausgezeichnet als die
Komisches. Prächtige Einfälle, feingeschliffene Pointen
„philosophierende“ Frau Fernow, Herr Böttcher
erzwingen sich auch hier ihre Wirkung. Neben treff¬
Herr
bester Haltung,
vertrat ihren Gatten in
Keßler und Nuscha Butze ragten durch dielichen Vemerkungen, die uns den kritischen, den
lebendige Wiedergabe des kommerzienrätlichen Ehe=philosophischen Kopf zeigen, neben Bemerkungen,
paares hervor, Grube bot eine kostbare Type als wie etwa: „Man kommt aus einem unerlaubten
[Abenteuer eher moralisch heil wieder nach Hause
Polizeirat, und die Herren Kraußneck, Hertzer
als mit einem unerlaubten Wunsch“ neben solchen
und E. Arndt, denen kleinere Aufgaben zugefallen
Bemertungen erzwingen sich auch gröbere Scherze im
waren, setzten gleichsalls ihr ganzes Können ein. Die
Anekdoten= und Witzblatt=Stil ihren Eindruck. Am
dekorative Einrichtung war vornehm und von erlesenem
stärksten vielleicht wirkte es, als Amadeus seinem
Geschmack — ein prunkender Rahmen für ein minder¬
Freunde Rhon, seinem Kartellträger im geplanten
N. W.
wertiges Bild ..
Zweikampf mit dem Nebenbuhler zuruft:
„Er oder ich, einer von uns muß sterben!“
„Ach so, Du trachtest ihm nach dem Leben?
Der Wiener Erfolg von Arthur Schnitzlers
im hiesigen
gestern
hat
wischensviel“