II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 226

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20. Zwischensniel
Menschen so durcheinander, daß Sehnsucht und Wünsche
Herr Keßler als Kom¬
ihnen schon ebensogut Verbrechen sind, wie wirkliche Abenteuen
simpler Forstassessor waren
und vollendeter Verrat. Die Frau, die sich einen Gran
gezeichnete Figur des Po¬
von Herzenseinfalt und Natürlichkeit mehr bewahrt hat als der
damit wirkungsvoller heraus¬
Mann, sträubt sich noch eine Weile gegen die äußerste Kon¬
Giubes Darstellung. Herr
sequenz dieser auf die Spitze der Spitze getriebenen Gefühls¬
Mayburg kamen sich
feinheit zweier vornehmen Seelen, in die der Mann, ohne
lich überflüssig vor. Jnnner¬
leich¬
„die verborgene Traurigkeit des Themas“ zu ahnen,
n Dozentengattin in seinem
ten Mutes hineintappt; bis zuletzt hält sie das befreite
Der
dervollen Farbentupf.
Vögelchen der Liebe an einem feinen Seidensaden der Hoff¬
die wenigen Pfeifer waren,
nung fest, halb wünschend, halb bangend, es werde frei¬
entsprechend, auf Moll ge¬
willig zurückkehren. Dann durchschneidet auch sie die Fessel
A. Pz.
und nimmt statt der Liebe die Freundschaft ins Bauer.
Nun aber sind beide Gatten frei und können ungehin¬
„Zwischenspiel“, Ko¬
dert jeder für sich der freien Stimine ihres Herzens oder
thur Schnitzler.
ihrer Leidenschaft nachgehen. Amadens tut das denn auch,
und seine dichterische Ent¬
der
erlebt einen kurzen, phantastischen Liebesroman mit
will: ein Theatraliker
Gräfin und kehrt nach dieser Episode, die in der Tat nichts
dem effektvoll konstruierten
weiter für ihn war, als ein „Zwischenspiel“, zu seiner Ar¬
chenspiel“, diesem sich ins
beit zurück. Anders Cäcilie. Sie hat draußen, auf einem
den Capriccio doloroso des
Gastspiel in Berlin, wohin der junge Fürst sie begleitet
Verzicht auf die sich so viel
hat, weder dessen stilles aber offener und ernster werdendes
leigenden Lorbeern der Ku¬
Werben noch die neu in ihr Leben tretende glänzende und
es Stück ist ganz auf Gefühl
bezaubernde Erscheinung eines Sängers über sich Herr wer¬
ein Aufeinanderprallen seind¬
den lassen. Als eine Unverführte, Unberührte kehrt sie in
der sich in Taten oder Worten
das Haus ihres Mannes und an das Bett ihres Kindes
nnerer Stimmungen sind es,
einem
in
zurück. Aber inzwischen hat das Schicksal
einander kämpfen. Daß die
wunderbaren, übrigens echt Schnitzlerschen Parallelismus
us Adams mit der Opern¬
der Geschehnisse — die Waffe umgekehrt: War früher der
nburg nicht auch im achten
Mann der extremere, die Frau die in ihren Gefüllen naivere,
ich bleibt, wie sie es sieben
ist jetzt Cäcilie gesonnen, die Konsequenz auf die Nadel¬
üir liegt eigentlich nicht der
sich
spitze zu treiben. In ihrer Freiheit hat sie gelernt,
Denn das, was der Kapell¬
nach allem Schmerzlichen und Süßen, nach allem Schönen
immer erlebnis= und aben¬
und allem Kläglichen zu sehnen, was das Leben bereit¬
fühlt, das hat mit echter
hält; es ist ihr, als sei da draußen etwas von ihr abge¬
so wenig zu tun, wie die
fallen, was sie früher umbüllt hat, alle Wünsche, die früher
bschaftliche Zuneigung, mit
an ihr abgeglitten sind wie an einem fühllosen, eisernen
ildigung des jungen Fürsten
Panzer, jetzt machen sie ihren Leib beben und ihre Seele
erwidert. Gefährlich werden
glühen. Die Erde scheint ihr voll Abenteuern, der Himmel
nur durch das Spiel, das
wie von Flammen stiahlend, und sie steht mit ausgebreite¬
naturen mit ihnen treiben.
ten Armen da und weirtet auf das Glück, das sie bezwinge.
Tragik dieses Falles: man
Für Amadeus, den von der Gräfin gründlich Ernüchterten,
und plötzlich vergewaltigt er
bedurfte es dieser Erneuerung nur, um seine Liebe zu der
r Vorstellung, und plötzlich
einst kühl Verschmähten von neuem und heftiger denn je auf¬
Fleisch. Zumal der Mann
lodern zu lassen. Er sieht, daß ein von tiefem Erleben
cherheit glaubte von seinem
verschöntes Weib vor ihm steht, er fragt nicht danach, wie
büßen, wenn er durch eine
und wodurch es diese Verschönerung erfahren hat. Was
Frau — wahr gegen ein¬
Gattin, was Kameradin! Er wirbt um sie, wie ein Ge¬
rhöchste Stolz dieser Ehe —
liebter um die Geliebte und reißt die seinem wilden An¬
leiblichen Gemeinschaft hinfort
sturm halb ohnmächtig Erliegende im Rausch des Sieges in
kradschaft treten läßt. Phantasie
im Reiche der Töne lebenden! seine Arme.
Was nun? Der Mann scheint kapabel, die Ehe da fort¬
zusetzen, wo sie vor einem Jahre unterbrochen worden, so¬
bald er nur durch ein Duell mit dem Fürsten, dem ver¬
meintlichen Liebhaber seiner Frau, deren und damit zu¬
gleich seine Ehre wiederhergestellt hat. Die Frau aber
empfindet anders. Für sie ist eine Ehe, ein Seelenbund
zwischen Mann und Weib, für immer beschmutzt und ver¬
giftet, der wie dieser seine Wiederanknüpfung einer zufälli¬
gen Ueberrumpelung der Sinne verdankt. Sie entsetzt sich
davor, ihr Amadens sei auf einmal so bescheiden geworden,
daß ihm ein Glück genügte, welches zur selben Stunde sich
vielleicht auch ein anderer hätte holen können, wenn er nur
dagewesen wäre. Ihr ist dieses Sichwiederfinden eine zu
armselige Bürgschaft für die Ewigkeit. Andere sänden sich
vielleicht ab, sie vermag es nicht. Aus allen möglichen
Schicksalen könnten sie beide, ihrer Meinung nach, eher
wieder zu einander hin, als aus dem „Abenteuer dieser
Nacht“. Nur wenn das „Abenteuer“ ein Abschied wäre,
ein Abschied für immer, vermöchte sie, ohne vor ihrem Ge¬
wissen zu erröten, ohne sich eine heillose Betrügerin zu
dünken, auf die sieben reinen, stolzen und glücklichen Jahre
ihrer Ehe zurückzublicken, die durch das „Zwischenspiel“ nun
zu einem Fragment geworden sind.
glaube, diese Skizze genügt, um die
Ich
überpfefferten Seelen¬
solcher
Bühnenunmöglichkeit

Und Menschen, die nicht
erweisen.
analysen
gesonnen sind, sich ihre Gefühle in Dunst und Dust auf¬
lösen zu lassen, geziemt es kaum, darüber zu wehklagen.
Wir werden am Ende alle mit dem gezüchtigt, womit wir
sündigten. Schnitzler sündigte gegen den innersten Sinn der
Kunst, indem er an Stelle der Wirklichkeit den Widerschein,
an Stelle des Ernstes das Spiel setzte; so rücht sich nun
die beleidigte Gottheit des Lebens und zerreibt seine mür¬
ben Gebilde zu Staub, der sich in ieere Atome auflöst.
Erst wenn er, mit dem geretteten Schatz seiner so mühselig
gewonnenen Psychologie im Busen, umkehrte und uns zeigte,
daß er außer den ewig sich selbst zerfasernden und erläu¬
ternden Lebenskomödianten, die sich nur aus dem Spiegel
ihrer Selbstgefälligkeit kennen, auch ungebrochene, lebens¬
warme Menschen von Fleisch und Blut gestalten könnte, erst
dann würden wir an seine wahre Künstlerschaft glauben und
ihm die Berechtigung zusprechen, gegen die Bühne zu revol¬
tieren, während wir dies Unterfangen jetzt nur als die Ohn¬
macht einer tändelnden Unreife empfinden.
Für die Cäcilie kann ich mir keine geeignetere Dar¬
stellerin denten, als sie das „Lessing=Theater“ in der ner¬
vösen Irene Triesch, einer Meisterin aller fein und
leise vibrierenden. Seelenstimmungen, yat. Daß ihr die
Innigkeit sehlt, bedeutet bei Sihnitzler kaum einen Verlust.
Dagegen merkte man bei der überraschend reichen, beweg¬
lichen und schmiegsamen Leistung Bassermanns (Ama¬
deus) auch in den besten Momenten immer noch den Zwang.
den sich dieser starke Charakteristiker antun muß, wenn er
in die Haut eines solchen wienerischen Mollusken schlüpfen
soll. Reicher gab den neben der Handlung wie ein
alter ego des Dichters herlaufenden Librettisten mit rüh¬
menswerter Bescheidenheit und geistreicher Betonung des
Hanswurstltums. Die anderen Figuren sind ganz so arm¬
selig und nüchtern ausgestaltet, wie das für Schnitzler nun
schon seit Jahren bei allen Nichtkünstlern zur üblen Ge¬
F. D.
wohnheit geworden ist.