20. Zuischensniel
box 25/2
Telephon 12801.
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Pidapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: auderne 20
vom:
a
Lessing=Theater.
Sonnabend, 25. November. Zum 1. Male: „Zwischenspiel“,
Komödie in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Es ist einem Deutschen oder vielmehr einem Österreicher, der
wenigstens mit seinen modernen Krisenstücken immer näher an
Bauernfeld heranrückt, gelungen, ein Konversationsstück zu schreiben
ein stilles, elegantes Salendrama, dem so viel Geist mitgegeben:
, daß es auf den Witz fast verzichten kann. Unser Publikum
ließ sich von dieser leisen Rhetorik, die die großen Worte
nur selten und dann auch mit ironischen Vorbehalten
braucht, wie es scheint, williger verführen als die Wiener,
s ließ sich
die ihren Landsmann abfallen ließen.
führen, die die
über alle die gewundenen Schleichwege
raffinierteste Psychologie der modernen Seele um die einfachen
allzu leicht zu sagenden Wahrheiten herum macht, und es stutzte
erst zum Schluß, die einen vielleicht, weil der resultatlose Kreis¬
kauf wieder von vorn aufing, die anderen vielleicht, weil Schnitzler
sich nicht ganz treu blieb, weil er im letzten Augenblick die Tragik,
die sich bisher in Groteske und Ironie versteckt hatte, nun doch
noch zu den großen Worten kommen ließ, die nach solcher Vor¬
bereitung nicht mehr recht vertrauenswürdig klangen. Die Oppo¬
sition wurde sogar sehr heftig und sie mußte sich ihrer Natur nach
energischer äußern, als das Interesse der Feinschnecker mit ihrer
stilleren Dankbarkeit für reichlich genossene Delikatessen. Über die
Handlung des Stückes, wenn man diesen Ausdruck hier überhaupt
anwenden darf, ist schon bei Gelegenheit der Wiener Aufführung im
Burgtheater gesprochen worden. Die Ehe des Komponisten Ama¬
deus Adams und der berühmten Sä gerin Cäcilie= Adams=Orten¬
burg ist bei einer Krisis angekommen. Er erlebt ein Abenteuer
mit einer koketten Dame von der Sorte, die nicht lange nachwirkt,
und sie erlebt, beinahe ein Abenteuer mit dem guten, reihlichen
Fürsten Maradas=Lohsenstein, aber ihre Irrung ist doch die
wichtigere, tiefere, weil sie sich in der Erfahrung gewandelt hat.
Der Mann kann über das Geschehene hinweg, die Frau nicht über
das Ungeschehene, Unerfüllte, das das neue Weib in ihr verlangt,
und so findet er sie nicht mehr, nicht die frühere Cäcilie, die ihn
geliebt hat, nicht die andere, die sich von ihm nicht mehr suchen
lassen will. Sie bleiben nicht beieinander, sie gehen nicht von
einander, sie verurteilen sich zu dem qualvollen Zustand der Un¬
entschiedenheit. Schnitzler, der feinste Kenner der modernen
Seele, tritt hier gegen diese selbst auf, er führt ihre Sophistik,
die sich die einfachsten Mahnungen der elementaren Natur mit
den Prätensionen höherer Bewußtheit fortreden möchte, zu der
Absurdität ihrer schwachen Logik. Zwei Menschen, zwei Künstler,
die auf einander angewiesen sind, die sich geliebt haben und nach
einer Krise wieder lieben könnten, belügen sich gegenseitig, weil sie
in ihrer seelischen Eitelkeit sich vorgenommen haben, einander immer
die Wahrheit zn sagen. Statt Schmerz und Eifersucht und alle
Wunden der Liebe zu gestehen, erlauben sie sich gegenseitig, frei zu
sein, sie spielen vor einander diese Komödie der Freiheit, da
ihnen das Drama der Eifersucht zu baual scheint, und zum Schluß,
wo sie aufhören wollen zu spielen, wo sie sich der Not des
Lebens und dem einfachen Sinn seiner wenigen erhaltenden
Gefühle ergeben wollen, können sie eine neue Wahrheit, die
wieder die alte von jedermann sein würde, nicht zusammen aufbauen.
Die Decadenz widerlegt sich durch die Decadenten, der
Instinkt rächt sich an dem eitlen Bewußtsein. Das ist der tragische
Sinn dieser dreiaktigen Konversation, die sich meistens ironisch
gebärdet und im Verlauf des Stückes lauter grotesk verdrehte Kom¬
binationen hervorbringt, so eine recht amüsante Auseinandersetzung
zwischen Amadeus und dem Fürsten. Der Ehemann will den Liebhaber!
fordern, von dem er garnicht betrogen worden ist, den er viel¬
mehr betrogen hat, und nun weiß keiner von beiden, wer eigentlich,
die Ehre der Frau verteidigen darf. Das geht bis ins Schwankhafte,
besonders wenn ein Räsonneur dazu kommt, der als dramatischer
Dichter immer effektvolle Schlußwirkungen in Vorschlag bringt, aber es
steigen damit neckende Erinnerungen besonders an Sardous
„Divorcons“ auf, die allerdings für Schnitzler gefährlich werden. Er
ist in solchen Szenen nicht leicht genug, weil er sich ins rein
Komische aus Furcht vor psychologischen Verantwortlichkeiten
nicht hineinwagt, und wenn er zum Schluß schwer wird
und die einfache Wahrheit der verleugneten Herzen sagen
will, daun gebt es ihm ungefähr wie seinen Figuren:
Erst
man gläubt ihm gerade das Einfachste nicht mehr.
im dritten Akt fordert er von uns die Überzeugung,
daß die beiden sich geliebt haben, und die gerade kann er uns
nicht beibringen. Diese hohle Stelle einer plandernden Salon¬
tragödie, die doch tiefer ins Menschliche oder wenigstens in die
Zeitseele hineingreifen will, konnten auch die Darsteller der beiden
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Telephon 12801.
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Pidapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: auderne 20
vom:
a
Lessing=Theater.
Sonnabend, 25. November. Zum 1. Male: „Zwischenspiel“,
Komödie in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Es ist einem Deutschen oder vielmehr einem Österreicher, der
wenigstens mit seinen modernen Krisenstücken immer näher an
Bauernfeld heranrückt, gelungen, ein Konversationsstück zu schreiben
ein stilles, elegantes Salendrama, dem so viel Geist mitgegeben:
, daß es auf den Witz fast verzichten kann. Unser Publikum
ließ sich von dieser leisen Rhetorik, die die großen Worte
nur selten und dann auch mit ironischen Vorbehalten
braucht, wie es scheint, williger verführen als die Wiener,
s ließ sich
die ihren Landsmann abfallen ließen.
führen, die die
über alle die gewundenen Schleichwege
raffinierteste Psychologie der modernen Seele um die einfachen
allzu leicht zu sagenden Wahrheiten herum macht, und es stutzte
erst zum Schluß, die einen vielleicht, weil der resultatlose Kreis¬
kauf wieder von vorn aufing, die anderen vielleicht, weil Schnitzler
sich nicht ganz treu blieb, weil er im letzten Augenblick die Tragik,
die sich bisher in Groteske und Ironie versteckt hatte, nun doch
noch zu den großen Worten kommen ließ, die nach solcher Vor¬
bereitung nicht mehr recht vertrauenswürdig klangen. Die Oppo¬
sition wurde sogar sehr heftig und sie mußte sich ihrer Natur nach
energischer äußern, als das Interesse der Feinschnecker mit ihrer
stilleren Dankbarkeit für reichlich genossene Delikatessen. Über die
Handlung des Stückes, wenn man diesen Ausdruck hier überhaupt
anwenden darf, ist schon bei Gelegenheit der Wiener Aufführung im
Burgtheater gesprochen worden. Die Ehe des Komponisten Ama¬
deus Adams und der berühmten Sä gerin Cäcilie= Adams=Orten¬
burg ist bei einer Krisis angekommen. Er erlebt ein Abenteuer
mit einer koketten Dame von der Sorte, die nicht lange nachwirkt,
und sie erlebt, beinahe ein Abenteuer mit dem guten, reihlichen
Fürsten Maradas=Lohsenstein, aber ihre Irrung ist doch die
wichtigere, tiefere, weil sie sich in der Erfahrung gewandelt hat.
Der Mann kann über das Geschehene hinweg, die Frau nicht über
das Ungeschehene, Unerfüllte, das das neue Weib in ihr verlangt,
und so findet er sie nicht mehr, nicht die frühere Cäcilie, die ihn
geliebt hat, nicht die andere, die sich von ihm nicht mehr suchen
lassen will. Sie bleiben nicht beieinander, sie gehen nicht von
einander, sie verurteilen sich zu dem qualvollen Zustand der Un¬
entschiedenheit. Schnitzler, der feinste Kenner der modernen
Seele, tritt hier gegen diese selbst auf, er führt ihre Sophistik,
die sich die einfachsten Mahnungen der elementaren Natur mit
den Prätensionen höherer Bewußtheit fortreden möchte, zu der
Absurdität ihrer schwachen Logik. Zwei Menschen, zwei Künstler,
die auf einander angewiesen sind, die sich geliebt haben und nach
einer Krise wieder lieben könnten, belügen sich gegenseitig, weil sie
in ihrer seelischen Eitelkeit sich vorgenommen haben, einander immer
die Wahrheit zn sagen. Statt Schmerz und Eifersucht und alle
Wunden der Liebe zu gestehen, erlauben sie sich gegenseitig, frei zu
sein, sie spielen vor einander diese Komödie der Freiheit, da
ihnen das Drama der Eifersucht zu baual scheint, und zum Schluß,
wo sie aufhören wollen zu spielen, wo sie sich der Not des
Lebens und dem einfachen Sinn seiner wenigen erhaltenden
Gefühle ergeben wollen, können sie eine neue Wahrheit, die
wieder die alte von jedermann sein würde, nicht zusammen aufbauen.
Die Decadenz widerlegt sich durch die Decadenten, der
Instinkt rächt sich an dem eitlen Bewußtsein. Das ist der tragische
Sinn dieser dreiaktigen Konversation, die sich meistens ironisch
gebärdet und im Verlauf des Stückes lauter grotesk verdrehte Kom¬
binationen hervorbringt, so eine recht amüsante Auseinandersetzung
zwischen Amadeus und dem Fürsten. Der Ehemann will den Liebhaber!
fordern, von dem er garnicht betrogen worden ist, den er viel¬
mehr betrogen hat, und nun weiß keiner von beiden, wer eigentlich,
die Ehre der Frau verteidigen darf. Das geht bis ins Schwankhafte,
besonders wenn ein Räsonneur dazu kommt, der als dramatischer
Dichter immer effektvolle Schlußwirkungen in Vorschlag bringt, aber es
steigen damit neckende Erinnerungen besonders an Sardous
„Divorcons“ auf, die allerdings für Schnitzler gefährlich werden. Er
ist in solchen Szenen nicht leicht genug, weil er sich ins rein
Komische aus Furcht vor psychologischen Verantwortlichkeiten
nicht hineinwagt, und wenn er zum Schluß schwer wird
und die einfache Wahrheit der verleugneten Herzen sagen
will, daun gebt es ihm ungefähr wie seinen Figuren:
Erst
man gläubt ihm gerade das Einfachste nicht mehr.
im dritten Akt fordert er von uns die Überzeugung,
daß die beiden sich geliebt haben, und die gerade kann er uns
nicht beibringen. Diese hohle Stelle einer plandernden Salon¬
tragödie, die doch tiefer ins Menschliche oder wenigstens in die
Zeitseele hineingreifen will, konnten auch die Darsteller der beiden