20 Zuischenspiel
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wenigstens mit seinen modernen Krifenstücken immer naher an
Bauernfeld heraurückt, gelungen, ein Konversationsstuck zu schreiben
ein stilles, elegantes Salondrama, dem so viel Geist mitgegeben;
ist, daß es auf den Witz fast verzichten kann. Unser Publikum
ließ sich von dieser leisen Rhetorik, die die großen Worte
nur selten und dann auch mit ironischen Vorbehalten
braucht, wie es scheint, williger verführen als die Wiener,
Es ließ
ihren. Landsmann abfallen ließen.
über alle die gewundenen Schleichwege führen, die die
raffinierteste Psychologie der modernen Seele um die einfachen
allzu leicht zu sagenden Wahrheiten herum macht, und es stutzte
erst zum Schluß, die einen vielleicht, weil der resultatlose Kreis¬
kauf wieder von vorn aufing, die anderen vielleicht, weil Schnitzler
sich nicht ganz treu blieb, weil er im letzten Augenblick die Tragik,
die sich bisher in Groteske und Ironie versteckt hatte, nun doch
noch zu den großen Worten kommen ließ, die nach solcher Vor¬
bereitung nicht mehr recht vertrauenswürdig klangen. Die Oppo¬
sition wurde sogar sehr heftig und sie mußte sich ihrer Natur nach
energischer äußern, als das Interesse der Feinschmecker mit ihrer
stilleren Dankbarkeit für reichlich genossene Delikatessen. Über die
Handlung des Stückes, wenn man diesen Ausdruck hier überhaupt
anwenden darf, ist schon bei Gelegenheit der Wiener Aufführung im
Burgtheater gesprochen worden. Die Ehe des Komponisten Ama¬
dens Adams und der berühmten Sä gerin Cäcilie Adams=Orten¬
burg ist bei einer Krisis angekommen. Er erlebt ein Abenteuer
mit einer koketten Dame von der Sorte, die nicht lange nachwirkt,
und sie erlebt, beinahe ein Abenteuer mit dem guten, reinlichen
Fürsten Maradas=Lohsenstein, aber ihre Irrung ist doch die
wichtigere tiefere, weil sie sich in der Erfahrung gewandelt hat.
Der Mann kann über das Geschehene hinweg, die Frau nicht über
das Ungeschehene, Unerfüllte, das das neue Weib in ihr verlangt,
ub so findet er sie nicht mehr, nicht die frühere Cäcilie, die ihn
geliebt hat, nicht die andere, die sich von ihm nicht mehr suchen
lassen will. Sie bleiben nicht beieinander, sie gehen nicht von
einander, sie verurteilen sich zu dem qualvollen Zustand der Un¬
entschiedenheit. Schnitzler, der feinste Kenner der modernen
Seele, tritt hier gegen diese selbst auf, er führt ihre Sophistik,
die sich die einfachsten Mahnungen der elementären Natur mit
den Prätensionen höherer Bewußtheit fortreden möchte, zu der
Absurdität ihrer schwachen Logik. Zwei Menschen, zwei Künstler,
die auf einander angewiesen sind, die sich geliebt haben und nach
einer Krise wieder lieben könnten, belügen sich gegenseitig, weil sie
in ihrer feelischen Eitelkeit sich vorgenommen haben, einander immer
die Wahrheit zu sagen. Statt Schmerz und Eifersucht und alle
Wunden der Liebe zu gestehen, erlauben sie sich gegenseitig, frei zu
sein, sie spielen vor einander diese Komödie der Freiheit, da
ihnen das Drama der Eifersucht zu baual scheint, und zum Schluß,
wo sie aufhören wollen zu spielen, wo sie sich der Not des
Lebens und dem einfachen Sinn seiner wenigen erhaltenden
Gefühle ergeben wollen, können sie eine neue Wahrheit, die
wieder die alte von jedermann sein würde, nicht zusammen äufbauen.
Die Decadenz widerlegt sich durch die Decadenten, der
Instinkt rächt sich an dem eitlen Bewußtsein. Das ist der tragische
Sinn dieser dreiaktigen Konversation, die sich meistens ironisch
gebärdet und im Verlauf des Stückes lauter grotesk verdrehte Kom¬
binationen hervorbringt, so eine recht amüsante Auseinandersetzung
zwischen Amadeus und dem Fürsten. Der Ehemann will den Liebhaber
fordern, von dem er garnicht betrogen worden ist, den er viel¬
mehr betrogen hat. und nun weiß keiner von beiden, wer eigentlich
die Ehre der Frau verteidigen darf. Das geht bis ins Schwankhafte,
besonders wenn ein Räsonneur dazu kommt, der als dramatischer
Dichter immer effektvolle Schlußwirkungen in Vorschlag bringt, aber es
steigen damit neckende Erinnerungen befonders an Sardons
„Divorcous“ auf, die allerdings für Schnitzler gefährlich werden. Er
ist in solchen Szenen nicht leicht genug, weil er sich ins rein
Komische aus Furcht vor psychologischen Verantwortlichkeiten
nicht hineinwagt, und wenn er zum Schluß schwer wird
und die einfache Wahrheit der verleugneten Herzen sagen
will, daust- gebt
eb ihm ungefähr wie seinen Figuren:
man glaübt ihm gerade das Einfachste nicht mehr. Erst
im dritten Akt fordert er von uns die überzeugung,
daß die beiden sich geliebt haben, und die gerade kann er uns
nicht beibringen. Diese hohle Stelle einer plaudernden Salon¬
tragödie, die doch tiefer ins Menschliche oder wenigstens in die
Zeitseele hineingreifen will, konnten auch die Darsteller der beiden
Hauptrollen nicht ganz ausfüllen. Namentlich fehlte es Herrn
Bassermann an einer jugendlichen Naivetät, die selbst für den
feinsten geistigen Selbstbetrug vorausgesetzt werden muß. Seine
Maske, die aus mehreren Physiognomien bekannter Kompo¬
nisten und Dirigenten geistvoll zusammengesetzt schien, hatte
allein etwas Überzeugendes. Mir fehlte etwas vom Künstler,
der sich wie kein anderer aus der Wirklichkeit eine Trug¬
welt machen kann, und etwas von dem Menschen, der sich glaub¬
ehaft übersteigt und überspannt. Ein Schein von Dummheit mlußte
da sein, den die analysierende Bassermannsche Intelligenz nicht
duldete. Cäcilie kennt sich besser, sie gewinnt eine unheimliche Klar¬
heit über sich, und es war Fräulein Trieschs Sache, diese Bewußt¬
heit aus einem mißhandelten Elementarwesen herausscheinen zulassen.
Es war nicht ihre Schuld, wenn man den einfach menschlichen.
Untergrund des Weibes nicht aus der Tiefe erleben konnte, da
der Verfasser die Rhetorik ihrer Anklagen bis hart an die Tirade
führt. Jedenfalls hielten die beiden das Stück mit ihren nachs
außen scharf geprägten Künstlerfiguren, von denen Herr Reicher.
mit dem räsonnierenden dramatischen Dichter allzu sehr abstach.
Man braucht sich nicht in Manier und Halrung als Gegenteil eines
Gentleman vorzustellen, um als Schriftsteller gelten zu wollen.
Den Füssten gab Herr Grunwald mit schlichter Diskretion, recht
grob dagegen fiel Fräulein Schiffs gräfliche Sängerin aus, mit
der sich der Komponist ein Zwischenspiel'erlaubt. A. E.
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wenigstens mit seinen modernen Krifenstücken immer naher an
Bauernfeld heraurückt, gelungen, ein Konversationsstuck zu schreiben
ein stilles, elegantes Salondrama, dem so viel Geist mitgegeben;
ist, daß es auf den Witz fast verzichten kann. Unser Publikum
ließ sich von dieser leisen Rhetorik, die die großen Worte
nur selten und dann auch mit ironischen Vorbehalten
braucht, wie es scheint, williger verführen als die Wiener,
Es ließ
ihren. Landsmann abfallen ließen.
über alle die gewundenen Schleichwege führen, die die
raffinierteste Psychologie der modernen Seele um die einfachen
allzu leicht zu sagenden Wahrheiten herum macht, und es stutzte
erst zum Schluß, die einen vielleicht, weil der resultatlose Kreis¬
kauf wieder von vorn aufing, die anderen vielleicht, weil Schnitzler
sich nicht ganz treu blieb, weil er im letzten Augenblick die Tragik,
die sich bisher in Groteske und Ironie versteckt hatte, nun doch
noch zu den großen Worten kommen ließ, die nach solcher Vor¬
bereitung nicht mehr recht vertrauenswürdig klangen. Die Oppo¬
sition wurde sogar sehr heftig und sie mußte sich ihrer Natur nach
energischer äußern, als das Interesse der Feinschmecker mit ihrer
stilleren Dankbarkeit für reichlich genossene Delikatessen. Über die
Handlung des Stückes, wenn man diesen Ausdruck hier überhaupt
anwenden darf, ist schon bei Gelegenheit der Wiener Aufführung im
Burgtheater gesprochen worden. Die Ehe des Komponisten Ama¬
dens Adams und der berühmten Sä gerin Cäcilie Adams=Orten¬
burg ist bei einer Krisis angekommen. Er erlebt ein Abenteuer
mit einer koketten Dame von der Sorte, die nicht lange nachwirkt,
und sie erlebt, beinahe ein Abenteuer mit dem guten, reinlichen
Fürsten Maradas=Lohsenstein, aber ihre Irrung ist doch die
wichtigere tiefere, weil sie sich in der Erfahrung gewandelt hat.
Der Mann kann über das Geschehene hinweg, die Frau nicht über
das Ungeschehene, Unerfüllte, das das neue Weib in ihr verlangt,
ub so findet er sie nicht mehr, nicht die frühere Cäcilie, die ihn
geliebt hat, nicht die andere, die sich von ihm nicht mehr suchen
lassen will. Sie bleiben nicht beieinander, sie gehen nicht von
einander, sie verurteilen sich zu dem qualvollen Zustand der Un¬
entschiedenheit. Schnitzler, der feinste Kenner der modernen
Seele, tritt hier gegen diese selbst auf, er führt ihre Sophistik,
die sich die einfachsten Mahnungen der elementären Natur mit
den Prätensionen höherer Bewußtheit fortreden möchte, zu der
Absurdität ihrer schwachen Logik. Zwei Menschen, zwei Künstler,
die auf einander angewiesen sind, die sich geliebt haben und nach
einer Krise wieder lieben könnten, belügen sich gegenseitig, weil sie
in ihrer feelischen Eitelkeit sich vorgenommen haben, einander immer
die Wahrheit zu sagen. Statt Schmerz und Eifersucht und alle
Wunden der Liebe zu gestehen, erlauben sie sich gegenseitig, frei zu
sein, sie spielen vor einander diese Komödie der Freiheit, da
ihnen das Drama der Eifersucht zu baual scheint, und zum Schluß,
wo sie aufhören wollen zu spielen, wo sie sich der Not des
Lebens und dem einfachen Sinn seiner wenigen erhaltenden
Gefühle ergeben wollen, können sie eine neue Wahrheit, die
wieder die alte von jedermann sein würde, nicht zusammen äufbauen.
Die Decadenz widerlegt sich durch die Decadenten, der
Instinkt rächt sich an dem eitlen Bewußtsein. Das ist der tragische
Sinn dieser dreiaktigen Konversation, die sich meistens ironisch
gebärdet und im Verlauf des Stückes lauter grotesk verdrehte Kom¬
binationen hervorbringt, so eine recht amüsante Auseinandersetzung
zwischen Amadeus und dem Fürsten. Der Ehemann will den Liebhaber
fordern, von dem er garnicht betrogen worden ist, den er viel¬
mehr betrogen hat. und nun weiß keiner von beiden, wer eigentlich
die Ehre der Frau verteidigen darf. Das geht bis ins Schwankhafte,
besonders wenn ein Räsonneur dazu kommt, der als dramatischer
Dichter immer effektvolle Schlußwirkungen in Vorschlag bringt, aber es
steigen damit neckende Erinnerungen befonders an Sardons
„Divorcous“ auf, die allerdings für Schnitzler gefährlich werden. Er
ist in solchen Szenen nicht leicht genug, weil er sich ins rein
Komische aus Furcht vor psychologischen Verantwortlichkeiten
nicht hineinwagt, und wenn er zum Schluß schwer wird
und die einfache Wahrheit der verleugneten Herzen sagen
will, daust- gebt
eb ihm ungefähr wie seinen Figuren:
man glaübt ihm gerade das Einfachste nicht mehr. Erst
im dritten Akt fordert er von uns die überzeugung,
daß die beiden sich geliebt haben, und die gerade kann er uns
nicht beibringen. Diese hohle Stelle einer plaudernden Salon¬
tragödie, die doch tiefer ins Menschliche oder wenigstens in die
Zeitseele hineingreifen will, konnten auch die Darsteller der beiden
Hauptrollen nicht ganz ausfüllen. Namentlich fehlte es Herrn
Bassermann an einer jugendlichen Naivetät, die selbst für den
feinsten geistigen Selbstbetrug vorausgesetzt werden muß. Seine
Maske, die aus mehreren Physiognomien bekannter Kompo¬
nisten und Dirigenten geistvoll zusammengesetzt schien, hatte
allein etwas Überzeugendes. Mir fehlte etwas vom Künstler,
der sich wie kein anderer aus der Wirklichkeit eine Trug¬
welt machen kann, und etwas von dem Menschen, der sich glaub¬
ehaft übersteigt und überspannt. Ein Schein von Dummheit mlußte
da sein, den die analysierende Bassermannsche Intelligenz nicht
duldete. Cäcilie kennt sich besser, sie gewinnt eine unheimliche Klar¬
heit über sich, und es war Fräulein Trieschs Sache, diese Bewußt¬
heit aus einem mißhandelten Elementarwesen herausscheinen zulassen.
Es war nicht ihre Schuld, wenn man den einfach menschlichen.
Untergrund des Weibes nicht aus der Tiefe erleben konnte, da
der Verfasser die Rhetorik ihrer Anklagen bis hart an die Tirade
führt. Jedenfalls hielten die beiden das Stück mit ihren nachs
außen scharf geprägten Künstlerfiguren, von denen Herr Reicher.
mit dem räsonnierenden dramatischen Dichter allzu sehr abstach.
Man braucht sich nicht in Manier und Halrung als Gegenteil eines
Gentleman vorzustellen, um als Schriftsteller gelten zu wollen.
Den Füssten gab Herr Grunwald mit schlichter Diskretion, recht
grob dagegen fiel Fräulein Schiffs gräfliche Sängerin aus, mit
der sich der Komponist ein Zwischenspiel'erlaubt. A. E.