II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 277

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nius erdachten Ehe vergessen und ist einfach in die gesunde Natur des eifer¬
süchtigen Männchens zurückgekehrt. Daß diese Frau, die reizendste, die er je
umfing, gestern eines Anderen war (und morgen wieder seinwird): der Gedanke
macht ihn toll. Das Fleisch bäumt sich. Der Aesthetenwahn zerrinnt wie Nebel
unter dem Anhauch der Mittagssonne. Der Andere muß aus dem Weg; muß
ihm vor die Pistole. Denn nur für Einen von ihnen ist auf der Erde noch
Raum. Vergebens hänselt ihn Albertus, der dem Fürsten die Forderung brin¬
gen soll. Ob der Künstler ins Philisterland abbiegen wolle; ob von all den
neuen Moralgesetzen denn kein einziges nun mehrgelte; ob Frau Caecilie auch
Alles umbringen solle, was mit Erfolg neben ihrgebuhlt hat. Vergebens. Der
Sachverhalt ist doch wahrhaftig ganzeinfach, ganz klar. Der Fürst hat meine
Frau kompromittirt, ist ihr Liebster und schuldet mir also Rechenschaft. Der
Fürst hat vor Aller Augen.... Da ist er selbst. Wirbt um Cacciliens Hand.
Amadeus soll den Bann lösen, die Frau freigeben, selbst die Scheidung fordern;
sein Kind, auch seine Freundin und Kunstgenossin wird er, so oft es ihn treibt,
in Schloß Lohsenstein finden. Der junge Herrhält sich gut. Komoedie? Nein.
Wort und Ton bezeugen, daß er nicht die winzigste Gunst von der geliebten Frau
verlangt, nie auch nur erbeten hat. In einem alten Frauenzimmerspiel nur
eine Puppe war: der fremde Prinz, mit dessen Schreckbild ein schlaues Weib¬
chen den kühl und müde gewordenen Eheherrn so langeängstet, bis ihm das von
so feinem Gaumen begehrte Glück am Herd wieder schmackhaft scheint. Sigis¬
mund muß es seufzend glauben; und Amadeus glaubtsgern. Kein Wölkchen
trübt nun noch seinen Himmel. Das Duell ist unnöthig; die Frau, die sein Wer¬
ben gestern ihm wiedergewann, hat nie einen Anderen umarmt; die Ehe (und das
wichtige Sopransolo in seiner Symphonie) ist gerettet. Umschlungen können
sie vorwärts schreiten; kein Hinderniß mehr auf ihrem Weg. Was ich erlebt habe,
sagter, war ja so nichtig. Doch die Frau: „Und wennichs erlebt hätte, warsso be¬
deutungvoll, daß man darum morden und sterben mußte?“ In seinem Dünkel
haterihr den Glauben an eine für Mann und Weib verschiedene Geschlechtsmo¬
ral ausgeredet. Nun rächt sichs. Rächt sich jede Phrasensünde dieser sieben Jahre.
Im Hochsommer noch hätte ein Wort genügt, sie zu halten. Er sprachesnicht,
wollte es nicht sprechen; wollte der Ueberlegene sein, der das Schicksal meistert
und ein für Dutzendmenschen ausreichendes Alltagsglück mit stolzer Genie¬
geste verschmäht. Jetzt ist Herbst. Der Preis einer Lebenslüge wäre ihm jetzt
nicht mehr zu hoch, wenn er damiterkaufen könnte, was in der heißesten Nacht
seiner Ehe ihm die Sinne entzückt hat. Zu spät. Caecilie ist ihm verloren. Für
immer? Für jetzt. Schaudernd blickt sie, mit brennendem Auge, auf das Aben¬