II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 291

20. Zuischensniel
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die Scha
war es gut, daß wir das Werk im Lessing=Theater sahen, wounfrestärksten
Schauspieler bedauerlicherweise viel zu wenig in psychologischen
Aufgaben beschäftigt werden. Wer Jakob Biegler hat spielen
müssen, der ist durch Amadeus Adams noch nicht genügend ent¬
schädigt: zum mindesten John Gabriel Vorkman und Baumeister
Solneß müssen folgen. Freilich wird sich auch hier leider zeigen,
daß Brahm fast nur Schauspieler ersten und dritten Ranges hat
(im Gegensatz zu Reinhardt, der fast nur Schauspieler zweiten
Ranges hat). Der Fürst und die Gräfin waren nicht Fürst und
nicht Gräfin, sondern Handlungsgehülfe im Sonntagsstaat und
Stubenmädchen im Ballkostüm. Frau Rhon blieb, wie im Buch,
ein Schemen, und Herrn Rhon gab Herr Reicher — der, wenn man
bloß zwischen erstem und drittem Rang die Wahl hat, ein Schau¬
spieler ersten Ranges ist — bestimmte Manieren und eine bestimmte
Maske ohne eine bestimmte Menschlichkeit. Aber wie wurde das
Duett gesungen! Bassermann sang es mehr mannheimisch als
wienerisch, und es klang doch wunderschön. Was er durch das
Übermaß seiner einförmigen Gestikulationen fündigte, machte er
durch seine Mimik wieder gut. Er hatte das Gesicht von Mitter¬
wurzer, die braune Künstlertolle von Matkowsky und das Spiel
von Bassermann. Dieser Amadeus war vielleicht nicht mozartisch
leicht genug, aber wie naiv in seiner Freude, wie zärtlich in seiner
Vaterliebe, wie schneidend in seinem Zorn, wie echt in seinem
Schmerz! Und er war bedeutend durch sich selbst, nicht bloß, wie
im Buch, durch den Reflex, der von Cäcilien auf ihn fällt. Denn
so bedeutend ist diese Cäcilie, daß sie noch den an sich ein bißchen
physiognomielosen Mann, den sie liebt, adelt und kenntlich macht
dadurch, daß sie ihn liebt. Sie hat das verfeinertste Nervensystem
und eine groß und rein geschaffene Seele. In ihr glüht nicht
nur die Sehnsucht nach dem imprévu, nach den Lüsten un
Lockungen des Lebens, sondern auch ein hohes Streben nach
einsamem, freiem, sich seibst ausbauendem Menschentum. Ihr Blut
spielt ihr ein einziges Mal einen bösen Streich, und sie hat einen
Riß für immer. Diese unheilig=heilige Cäcilie hat die Triesch
prachtvoll getroffen; noch besser als das liebedurchleuchtete Weib
den schmerzgeweihten Menschen. Den dunkeln Ton ihres tiefen
Leids vergeß ich nicht. Es ist ihre reichste Gestalt, so wie das
Urbild die geistig und seelisch reichste Gestalt dieses reichen
Dichters ist.
S. J.