II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 297

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vollen Ernst vworgetragen, an einzelnen Stellen bekräftigt durch! Herzens hatte sie ihn den noch immer Geliebten, verlassen,
Klavierbegleitung. Es war schauerlich ergreifend. Die kleine doch draußen in der großen glänzeden Welt vernarbte die Wunde.
Gerda bekommt vor ihrer Liebe solche Angst, daß sie sich Hals über Ein neues Jugendgefühl und wildes Glücksverlangen sind in ihr er¬
Kopf mit einem faden Forstassessor verlobt. Das Licht erlischt, wacht. Als seine alte liebe Kameradin heißt der Komponist sie will¬
die Mächte der Finsternis haben den Unglücklichen wieder. Das
kommen. Ihre Schönheit entflammt ihn, seinem heißen Werben
Kollier, das die Kommerzienrätin am Schluß ihm anvertraut, gibt die Widerstrebende einmal noch, zum letztenmal sich hin.
wird sie nie wiedersehen Das ist die Strafe, wenn man Ueber= Der dritte Akt, der bei dem Premierenpublikum auf teilweise
menschen um eines Ajsessors willen ausschlägt. Die mäßigen, Opposition stieß, hat noch den meisten dramatischen Alzent.
Komödienszenen, die das schicksalsschwangere Seelendrama ein¬
Wie diese Liebesnacht den bissigen Gemahl in
der
rahmten, retteten das Stü## vor dem verdienten Durchfall. Der
den fürstlichen
eifersüchtigen Liebhaber umwandelt,
Autor konnte einige Mal###cheinen.
Kurmacher seiner Frau vor die Pistole
fordern möchte,
Matkowsky mußte n Rinaldo tragieren. Die relativ
das ist mit überlegener feiner Ironie skizziert. Recht glauben kann
man freilich nicht an diese plötzliche Duellwut, wie man auch nicht
dankbarste Rolle, der Polizeirel, wurde in sehr charakteristischer
versteht, daß sich des Amadeus geistreicher Freund, der mit seinem
Maske von Herrn Grube gespielt. —
spöttischen Räsonnement begleitet, zur Sekundantenrolle pressen läßt.
Lessing=Theater. Zwischenspiel. Komödie in drei Amadens meint, nun müsse alles wieder sein wie früher; sie aber,
die weiterschauende, die tiefer fühlende und kühnere löst den Bund.
Akten von Artur Schnitzler. Der interessanteste Dramatiker,
Das was gewesen, wird sich immer wiederholen; die Illusion, die
den wir neben Hauptmann besitzen, ist in Gefahr, sich dem Theater zu
ihr das Bild des Mannes zauberisch verklärte, ist dahin. So scheidet
entfremden; dieser Eindruck ließ keine rechte Freude an dem ver¬
sie von ihm.
schlungenen Geflechte seelischer Nuancen in dem neuen Werke auf¬
Das Spiel von Bassermann und Irene Triesch in den
kommen. Er nutzt, schon in dem „Einsame Wege“ trat diese Neigung
beiden Hauptrollen war meisterhaft. Würdig stand ihnen Reicher
hervor, seine Menschen jetzt lieber zu einem geistreich gedankenvollen
in der Figur des Hausfreundes und Räsonneurs zur Seite.
Spiel, als daß er sie und ihre Schicksale zu anschaulicher
Er verkörperlicht die Per¬
dt.
Realität auszugestalten strebt.
sonen, rückt sie in eine schattenhafte Ferne, in welcher der
Astronomisches.
Zuschauer nicht mehr unterscheiden kann, was ein notwendiges Ge¬
— Der nene Komet nimmt an Helligkeit immer
schehen, was dichterische Willkür ist. Nicht nur die Bühnenwielsam¬
mehr ab. Auf Grund der Beobachtungen vom 18., 19. und 20. No¬
keit im größeren Sinne, auch die, die mit zu dem Wesen jeden
vomber hat Dr. M. Ebell in Tiel seine Bahn berechnet. Danach
echten Dramas gehört und sich auf den Glauben an die Wohkheit
hat der Komet, wie derTägl. Rundsch.“ geschrieben wirh, seine
des im Bühnenbilde Dargestellten gründet, geht bei dieser Ark ver¬
größte Sonnennähe (das „Perihel“) bereits am 27. Oktober erreicht;
loren. Die dreiaktige Komödie wirkt wie ein Selbstgespräch des
er stand damals in Leinem=Abstanck von 159 Millionen Kilometer
Dichters ein Duett der Empfindungen, das er an Mann und Frau
(also nur etwas mehr als die Erds) von ihr; erfahrungsgemäß
verteilt hat; davon, daß die beiden mehr als nur die Vortragenden,
nimmt nach dem Perihel Helligkeitund Schweifentwickelung immer
daß sie selbständige Eigenwesen sind, davon kann er uns nicht über¬
mehr ab. Unglücklicherweise ist auch die größte Erdnähe schon vor¬
zeugen.
über; am 20. November war exf36,4 Millionen Kilometer von uns
Niemand wird Schnitzlers Landsmann Hermann Bahr, der sein
Talent durch so viel schlechte, flüchtig auf den Tageserfolg hin=]entfernt, bis zum 10. Desember wächst der Abstand auf
gearbeitete Stücke kompromittiert hat, als künftlerische Gesamt=|120 Millionen Kilometer. Die Helligkeit war zur Zeit der Ent¬
persönlichkeit dem Wiener Dramatiker zur Seite stellen wollen. Aber deckung auf siebente Gpeße geschätzt worden (zum Vergleich diene
die Vemerkung, daß unter günstigen Verhältnissen Sterne sechster Größe
in dem einen Bühnenwerk, das Bahr gelungen und das einen in
mancherlei Hinsicht verwandten Konflikt behandelt, hatler, der Unbedenk=mit bloßem Auge mährnehmbar sind), am 28. November ist er nur
liche, der auch hier die Mittel der Theatermache nicht verschmäht, viel neunter am 6. Bezember zehnter und am 10. Dezember nur noch
mehr als Schnitzlers überseines „Zwischenspiel“ die Impression der Wirk=s elster Größe zues gehören dann schon rechi große Fernrohre dazu,
lichkeit erreicht. Der Meister Cajus, der grobkörage für Koniequenzlum ihn aufzusen ndn besbachten. Die Bahn, in der er seinen
begeisterte Naturwissenschaftler, der gleich Schnitzlers ätherischem Kapell= Weg um die Sonne zieht, liegt außerhält=der Erdbahn, deren Ebene
ist gegen die letzteren um 41 Grad geneigt. Durchstoßungs¬
meister die eheliche Treue für eine belanglose Konvemtion erklärt und sich
punkte (die „Knoten“) seines Weges mit der genannten Grundebene
wie seiner Frau — sie ist bei Bahr die wissenschaftliche, in Schnitzlers
liegen in der Richtung, die von der Sonne nach der Wage führt,
Stück die künstierische Muarbeiterin des Mannes — das Recht der
und zwar kommt er in der Wage selbst von Süden nach Norden
vollen Liebesfreihen wahren will, steht in fest umrissener Zeichnung
herauf, dort ist also der „aufsteigende Knoten“. Sein Weg ist eine
leibhaft uns vor Augen. Man begreift, wie er geworden, wie sich
Parabel: aus dem Unendlichen kommend, wurde er von der
das angeborene Temperament mit seinem geistigen Entwickelungs¬
anziehenden Kraft der Sonne gezwungen, sie zu umkreisen, je näher
gang vereinigte, um dies und gerade dies Produkt zu erzeugen.
er ihr kam, um so eiliger ward sein Lauf, bis mit der größten An¬
Die Trennung zwischen ihm und seiner Frau, die in ihrer Freiheit
näherung an die Sonne das Spiel sich umkehrte, in verselben
nach Zärtlichkeit und Liebe hungert, erscheint durch eine klare Not¬
Weise verringerte sich die Geschwindigkeit, er verliert sich wieder ins
wendigkeit bedingt.
Unendliche. —
Bei Schnitzler aber verlieren sich die Voraussetzungen in ein
dämmerndes Zwielicht. Wir hören das Gespräch der beiden selt¬
samen Meuschen, des Komponisten Amadeus und seines jungen
Weibes, der berühmten Opernsängerin. Sie haben einen Pakt ge¬
schl sen: Jedes von ihnen soll den Regungen des Herzens frekegen
Notizen.
dürfe, aber verpflichtet sein, dem anderen in voller Wahrheit
Zur Instandsetzung des Kleist=Grabes ist i
alle Seitensprünge auch die der bloßen Empfindung, zu beichten.
Wie sie ihn schließn, wie sie ihn bewahren konnten, wie sich unter
den preußischen Etat die Summe von 10000 Mark eingesetzt
worden.
dieser Bedingung die sieben Jahre ihres Chelebens gestaltet haben
mögen, das alles deckt ein dichter S#leier zu. Der Palt, auf den
Hermann Nissen wird vom 1. Juli 1906 ab die
sich alles weitere aufbaut, scheint wio kinnig in sich selber. Eine
Leitung und Pacht des Neuen Theaters übernehmen. Rein¬
Freiheit, die in dieser Weise die Beichte eicht vom inneren Be¬
hard: erhält eine Abstandssumme von 135000 Mark. Das Neue
dürfnis abhängig macht, sondern für alle Fäue vorschreibt, ist keine Theater soll eine „vornehme Lustspielbühne“ werden. —
Freiheit mehr, am wenigsten sollte man meinen, für
Maxim Gorkis neue Stücke „Die Barbaren“ und
empfindrde Naturen, wie es doch Schnitzlers Amateus sein soll.
„Kinder der So¬
werden im Kleinen Theater in
Das Eingehen einer solchen Verpflichtung hat offenbar
Szene gehen. —
nur einen Sinn für den, der ganz im Widerspeuche zu dem flatter¬
„Der Weg zur Hölle“, ein neuer dreiaktiger Schwank
haften Helden des Stückes sich gegen die Versuchung zur Untreue
von Gustav Kadelburg, gelangt zu Weihnachten im Lust¬
mit aller Kraft verschanzen will. Dem, der diese Dinge leicht
spielhause zur Aufführung. —
nimmt, muß das Versprechen zum lästigen aufgedrungenen Zwenge
Im Gärtnerplatz=Theater zu München hat
werden. Der Stolz, mit dem ein Amadens davon spricht, ist einfach
unverständlich. Es sieht so aus, als sei ihm die Erfüllung dieser
[Ludwig Thoma's
vieraktige Posse mit Gesang „Der
Pflicht besondere Genugtnung, als ahne er gar nicht, welchen Schmerz
Schusternazi“ freundliche Aufnahme gefunden. —
er seiner Frau bereitet. Er rühmt sich sogar seiner Offenheit noch
Hermann Bahrs Schauspiel „Die Andere“ ist im
der
vor der ganz gewöhnlichen Kokette,
00
gräflichen
Wiener Deutschen Volkstheater unter Zischen und Pfeifen zu Ende
ihn
in
„ die
Theaterdame,
ihren Netzen sängt. Die
gespielt worden. —
Auseinandersetzung der beiden Gatten vollzieht sich mit musterhafter
„Gesang der Verklärten“ Max Regers fünf¬
Delikatesse, durch keinen rauh vorbrechenden Naturlaut des Leides
stimmiges Chorwerk mit großem Orchester, gelangt am 14. Dezember
gestört. Die Freu, von einem jungen Fürsten hofiert, wird in
durch das städtische Orchester in Aachen zur ersten Aufführung. —
Berlin ein Engagement annehmen. Der Mann kann so, ganz un¬
„Tannhäuser“ hat dieser Tage im Wiener Hof¬
gehindert, sich der neuen Liebschaft, die er, wie alle früheren als un¬
[Operntheater die 300. Aufführung erlebt. Die Gesamt¬
abänderliche Schickfalsendung hinnimmt, widmen. Als Cäcilie nach
einnahmen betrugen zwei Millionen, die Tantieme 200 000 Kronen. —
einigen Monaten voll rauschender Bühnentriumphe Amadeus und
ihren kleinen Knaben wieder aufsucht, findet sie das Feuer
— Mit der Kunstausstellung Mannheim 1907 wird
dieser letzten Leidenschaft schon langst verglüht. Bangenl eine große Gartenbau=Ausstellung verbunden sein. —
Verantworil. Redakteur: Haus Weber, Berlin, — Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer &Co., Berlin SW.