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20. Zuischensniel
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wurde. So bleibt also schließlich nur die Annahme übrig, daß
Schnitzler gespielt wurde, weil er früher auch schon gespielt worden
20 Ein Zwischenspiel.
war. Das ist ein in seiner Art konservatives Prinzip; auf die
(Lessingtheater.)
g (
Dauer aber könnte es das Lessingtheater doch in einer Weise revo¬
Es ist nicht leicht zu erkennen, was Brahm veranlaßt haben
lutionieren, die für die Direktion sehr unangenehm wäre.
mag, dies unsagbar schlechte Stück von Schnitzler aufzuführen
Wenn man dem matten Geplander des „Zwischenspiels“ ent¬
und es ist nicht leicht zu verstehen, wie Schnitzler, der doch ein geist¬
ronnen ist, begreift man erst, wie erlösend der Naturalismus wir¬
voller Mann ist, zu einer so quälend ohnmächtigen Leistung kommt.
ken mußte, als er diesen leeren Kram hinwegfegte und wieder
Immerhin ist Schnitzler noch leichter zu verstehen, als Brahm. Er
Menschen, Milien und Wirklichkeit brachte. In der Neuen Freien
lebt in der verweichlichenden Lust des alt gewordenen Wien; er ist
Volksbühne wurde am Bußtag ein Stück gespielt, das von der Kritik
evon poctischen= Lebewesen umgeben, die das ewige Flennen über ihre
nur wenig freundlich behandelt worden ist, auch von mir nicht, wie
keinen Liebesschmerzen als den Inhalt der Welt empfinden; er ist
die Leser aus meiner Rezension in der Beilage ersehen können.
ein kluger Planderer und so schrieb er in einer matten Stunde
Selbst so ein naturalistisches Schulstück — im Gegensatz zu eige¬
einige Akte, in denen über schwächlichen Liebeskram geflennt und
nen naturalistischen Leistungen — wiegt doch immer zentnerschver,
geplandert und dann wieder geplandert und geflennt wird, bis der
wenn man es mit dem feuilletonistischen Gerede des „Zwischenspiels“
Zuschauer sich bei dem öden Hin und Her vor Langeweile windet.
vergleicht. Ob Amadeus mit Cäcilie zusammenkommen kann oder
Das Stück, also erklärt sich vielleicht aus dem Milien, der geistigen
zusammenkommen darf, nachdem beide eine Weile auf eigene Fausi
Eigenart und einer momenianen kritischen Bewußtlosigkeit des Ver¬
gelebt haben, um sich von ihrer Ehemüdigkeit zu erholen — das i
fassers. Aber wie soll man die Aufführung im Lessingtheater er¬
das aufregende Thema, über das, ohne einen Zug dramatischer
klären? Wenn Herr Brahm die alte Kupplerin heimführt, die heute
Kraft, geredet und geredet und geredet wird. Bis schließlich dem
die Muse des Herrn Sudermann darstellt, weiß man doch, worauf
Hörer die Geduld reißt und er am liebsten auf die Bühne hinauf
es bei dem wenig sympathischen Handel hinauslaufen soll. Er folgt
rufen möchte: „Geht zusammen oder geht auseinander oder hängt
dann weder dem Ruf des Herzens noch wird er von irgend welchem
Euch in Gottes Namen auf; aber laßt mich gefälligst ungeschoren!“
Sinnenrausch umschmeichelt; er führt die würdige Dame in sein
Gespielt wurde von Bassermann, Reicher und Frl.
Haus, weil er hofft, daß sich in ihrem Handtäschchen ein hübsches
[Triesch natürlich sehr gut. Frl. Schiff spielte, was ihrem
Sümmchen in Banknoten finden wird. Er geht, kurz und gut, eine
Talente und ihrer Jugend am nächsten lag, ein kokettes junges
Vernunftpartie ein und heiratet nach Geld. Das ist nicht eben das
Mädchen, nicht aber eine erfahrene Weltdame, die bereits im
schönste, was diese Erde birgt, aber verständlich ist es ja am Ende
doch. Nun aber hat Herr Brahm sich bei der letzten Hochzeitsfeier zehnten Liebhaber angelangt ist. Völlig unmöglich war die Rolle
#arg getäuscht. Die alternde Dame hat nicht nur ihre Schönheit, eines Fürsten mit Willy Grunwald besetzt. Die Szene, vom
Dichter aus schon unerträglich, erinnerte schauspielerisch an die dun¬
sondern auch einen beträchtlichen Teil ihrer Mitgift ei, ebüßt.
kelsten Gegenden der Provinz. Das soll nicht den Schauspieler
„Stein unter Steinen“ fand keinen künstlerischen, aber
ebensowenig einen, geschäftlichen Erfolg, der von Bedeutung gewesen treffen, der sonst Hübsches geboten hat, sondern die Regie, die diese
Besetzung herbeiführte oder zuließ. Herr Grunwald selber schien
wäre. Wenn es wenigstens Geschäfte machte, könnte man an¬
das Gefühl zu haben, auf einem verlorenen Posten zu kämpfen.
nehmen, daß Brahm in der Hauptsache das Geschäftsstück weiter¬
Wenigstens hatte er nicht das Mindeste getan, um auch nur in der
spielen wolle und das Stück von. Schnitzler nur herausgebracht habe,
Maske etwas von der Rolle zu bringen. Warum gab man die
damit irgend eyvas von seinem Theater zu melden sei., Da „Stein
Partie Herrn Marr nicht, der in Hirschfelds letztem Stück eine
unter Steinen“ aber den Plan keineswegs beherrscht, fällt diese
ähnliche Episode zu hohen Ehren brachte? Am Gesamtresultat des!
Annahme hin. Auch um eine höfliche Verbeugung gegen Schnitzler
Abends wäre freilich auch damit nichts geändert. Gegen das uner¬
kann es sich nicht handeln, wenn alles darauf ankommt, dem Theater
qnickliche Stück würde auch ein Ensemble von Göttern vergeblich
etwas Schwulig und Leben zu leihen — ganz abgesehen davon daß
Erich Schlaikjer.
kämpfen.
Brahm keine galante Natur ist und sich aus höflichen Verbeugungen
verdammt wenig macht. Künstlerische Rücksichten können ebenfalls
nicht maßgebend gewesen sein, da die unglückliche Arbeit keine
künstlerischen Qualitäten besitzt. Von geschäftlichen Er¬
wägungen aber muß Brahms Seele in diesem Fall ganz rein gewesen
sein. Man macht keine Geschäfte, indem man das Berliner
Publikum mit einem Stück ödet, das bereits in Wien abgelehnt
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wurde. So bleibt also schließlich nur die Annahme übrig, daß
Schnitzler gespielt wurde, weil er früher auch schon gespielt worden
20 Ein Zwischenspiel.
war. Das ist ein in seiner Art konservatives Prinzip; auf die
(Lessingtheater.)
g (
Dauer aber könnte es das Lessingtheater doch in einer Weise revo¬
Es ist nicht leicht zu erkennen, was Brahm veranlaßt haben
lutionieren, die für die Direktion sehr unangenehm wäre.
mag, dies unsagbar schlechte Stück von Schnitzler aufzuführen
Wenn man dem matten Geplander des „Zwischenspiels“ ent¬
und es ist nicht leicht zu verstehen, wie Schnitzler, der doch ein geist¬
ronnen ist, begreift man erst, wie erlösend der Naturalismus wir¬
voller Mann ist, zu einer so quälend ohnmächtigen Leistung kommt.
ken mußte, als er diesen leeren Kram hinwegfegte und wieder
Immerhin ist Schnitzler noch leichter zu verstehen, als Brahm. Er
Menschen, Milien und Wirklichkeit brachte. In der Neuen Freien
lebt in der verweichlichenden Lust des alt gewordenen Wien; er ist
Volksbühne wurde am Bußtag ein Stück gespielt, das von der Kritik
evon poctischen= Lebewesen umgeben, die das ewige Flennen über ihre
nur wenig freundlich behandelt worden ist, auch von mir nicht, wie
keinen Liebesschmerzen als den Inhalt der Welt empfinden; er ist
die Leser aus meiner Rezension in der Beilage ersehen können.
ein kluger Planderer und so schrieb er in einer matten Stunde
Selbst so ein naturalistisches Schulstück — im Gegensatz zu eige¬
einige Akte, in denen über schwächlichen Liebeskram geflennt und
nen naturalistischen Leistungen — wiegt doch immer zentnerschver,
geplandert und dann wieder geplandert und geflennt wird, bis der
wenn man es mit dem feuilletonistischen Gerede des „Zwischenspiels“
Zuschauer sich bei dem öden Hin und Her vor Langeweile windet.
vergleicht. Ob Amadeus mit Cäcilie zusammenkommen kann oder
Das Stück, also erklärt sich vielleicht aus dem Milien, der geistigen
zusammenkommen darf, nachdem beide eine Weile auf eigene Fausi
Eigenart und einer momenianen kritischen Bewußtlosigkeit des Ver¬
gelebt haben, um sich von ihrer Ehemüdigkeit zu erholen — das i
fassers. Aber wie soll man die Aufführung im Lessingtheater er¬
das aufregende Thema, über das, ohne einen Zug dramatischer
klären? Wenn Herr Brahm die alte Kupplerin heimführt, die heute
Kraft, geredet und geredet und geredet wird. Bis schließlich dem
die Muse des Herrn Sudermann darstellt, weiß man doch, worauf
Hörer die Geduld reißt und er am liebsten auf die Bühne hinauf
es bei dem wenig sympathischen Handel hinauslaufen soll. Er folgt
rufen möchte: „Geht zusammen oder geht auseinander oder hängt
dann weder dem Ruf des Herzens noch wird er von irgend welchem
Euch in Gottes Namen auf; aber laßt mich gefälligst ungeschoren!“
Sinnenrausch umschmeichelt; er führt die würdige Dame in sein
Gespielt wurde von Bassermann, Reicher und Frl.
Haus, weil er hofft, daß sich in ihrem Handtäschchen ein hübsches
[Triesch natürlich sehr gut. Frl. Schiff spielte, was ihrem
Sümmchen in Banknoten finden wird. Er geht, kurz und gut, eine
Talente und ihrer Jugend am nächsten lag, ein kokettes junges
Vernunftpartie ein und heiratet nach Geld. Das ist nicht eben das
Mädchen, nicht aber eine erfahrene Weltdame, die bereits im
schönste, was diese Erde birgt, aber verständlich ist es ja am Ende
doch. Nun aber hat Herr Brahm sich bei der letzten Hochzeitsfeier zehnten Liebhaber angelangt ist. Völlig unmöglich war die Rolle
#arg getäuscht. Die alternde Dame hat nicht nur ihre Schönheit, eines Fürsten mit Willy Grunwald besetzt. Die Szene, vom
Dichter aus schon unerträglich, erinnerte schauspielerisch an die dun¬
sondern auch einen beträchtlichen Teil ihrer Mitgift ei, ebüßt.
kelsten Gegenden der Provinz. Das soll nicht den Schauspieler
„Stein unter Steinen“ fand keinen künstlerischen, aber
ebensowenig einen, geschäftlichen Erfolg, der von Bedeutung gewesen treffen, der sonst Hübsches geboten hat, sondern die Regie, die diese
Besetzung herbeiführte oder zuließ. Herr Grunwald selber schien
wäre. Wenn es wenigstens Geschäfte machte, könnte man an¬
das Gefühl zu haben, auf einem verlorenen Posten zu kämpfen.
nehmen, daß Brahm in der Hauptsache das Geschäftsstück weiter¬
Wenigstens hatte er nicht das Mindeste getan, um auch nur in der
spielen wolle und das Stück von. Schnitzler nur herausgebracht habe,
Maske etwas von der Rolle zu bringen. Warum gab man die
damit irgend eyvas von seinem Theater zu melden sei., Da „Stein
Partie Herrn Marr nicht, der in Hirschfelds letztem Stück eine
unter Steinen“ aber den Plan keineswegs beherrscht, fällt diese
ähnliche Episode zu hohen Ehren brachte? Am Gesamtresultat des!
Annahme hin. Auch um eine höfliche Verbeugung gegen Schnitzler
Abends wäre freilich auch damit nichts geändert. Gegen das uner¬
kann es sich nicht handeln, wenn alles darauf ankommt, dem Theater
qnickliche Stück würde auch ein Ensemble von Göttern vergeblich
etwas Schwulig und Leben zu leihen — ganz abgesehen davon daß
Erich Schlaikjer.
kämpfen.
Brahm keine galante Natur ist und sich aus höflichen Verbeugungen
verdammt wenig macht. Künstlerische Rücksichten können ebenfalls
nicht maßgebend gewesen sein, da die unglückliche Arbeit keine
künstlerischen Qualitäten besitzt. Von geschäftlichen Er¬
wägungen aber muß Brahms Seele in diesem Fall ganz rein gewesen
sein. Man macht keine Geschäfte, indem man das Berliner
Publikum mit einem Stück ödet, das bereits in Wien abgelehnt