II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 303

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20. Zwischensniel

ist Cäcilie nicht die Frau, die sich betrügen läßt und er nicht der Frieden seines Heims. G
„Zwischenspiel“,
Mann, der irgendetwas verbergen könnte. Sie soll ihm Freundin ohne Zeitverschwendung,
sein, er will ihr Freund sein, und sie wollen ihre Freiheit mit einer wenn er Phantasic hat, bi
von Arthur Schnitzler (Lessing=Theater).
vollkommenen Offenheit gegen den Freund bezahlen: ihre Ehe soll lauter uneheliche Kinder
Es ist die traurige Geschichte von der Wahrheit, die man sagen
eine Kameradschaft werden. Er ist überaus glücklich über die Lösung Cäcilic und Amadäus du
will, ohne sie zu betrachten. Traurig aber nur in der Erkenntnis, im
Sie haben mit einer fal
Leben ist immer ein Gran Komik dabei, denn hier wird die Unmög=jund bemerkt über seinem Glück nicht, wie in diesem Augenblick Cä¬
heit mit ihnen. Wenn e
cilie leidet. Schluß des ersten Aktes: sic verleben ihre Ferien das
lichkeit zu einer Schwäche. Wie oft fälschen oder verschweigen wir
lich nicht, so kann es doc
erste Mal nicht gemeinsam.
die Wahrheit, ahne es uns recht einzugestehen, nur damit sie der
wieder aus dem Haus.
Auch Cäcilie hatte ihm etwas zu gestehen, doch in der Hoff¬
andere nicht durch sein Mißverständnis befleckt. Die Diskretion
als meine Frau interessich
nung, daß Amadäus sie zurückhalten werde. Sie spielte mit dem
ist eine absolute Gegnerin der Offenheit, darum nicht minder mo¬
vielleicht eine andere sein
Gedanken, er aber bereits mit der Tat der Untreue. Sein hastiges
ralisches Gesetz. Endlich benennen wir unsere Wünsche wie unsere
Zugreifen bringt das „Zwischenspiel“ in Gang. Nach ihrer Reise im Grunde ist es ja Cäcil
Taten stets mit den bestenNamen. Auch das ist eine Fälschung. Sie
wird dadurch verstärkt, daß wir uns in unserer Ehre beleidigt fühlen, treffen sie sich wieder in ihrem Hause. Sie haben sich nichts vorzu= dürfen sie es nicht wahr
wirkliche Wahrheit vergen
wenn einer unserer Mitmenschen uns auf jene übertriebene Recht=werfen, meinen sie, da sie sich ja alles geschrieben haben. Ja, kann
Schnitzler hat diesen
fertigung unseres Selbst aufmerksam macht. So tritt das Komische man denn alles schreiben, was einem passiert? Im Grunde ist
lichen Dramas würdig ist
in der menschlichen Wahrheitssucht schon bei einer Prüfung und Ver= Amadäus längst geheilt und möchte sich Cäcilie wieder erobern, er
Er hat uns Konversation
hat seine Freiheit bis zu Ende durchgekostet und der Gedanke, sie
schärfung der Durchschnittswahrheiten, zu tage. Wer die eigne Wahr¬
aufwallen. „Hätten wir
könnte es ähnlich getrieben haben, macht ihn fast rasend, ohne daß
heitsliebe für die Wahrheit selbst nimmt, ladet leicht den Fluch der
bitterung, unsere Verzwe
er es sich doch eingestehen darf. Er leidet unter der zweierlei Mo¬
Lächerlichkeit auf sich. Schnitzlers Dialoge — man hat ihn darin mit
fatzten, den Ueberlegenen
tal, wie jeder Philister, den er darum verachtet. „Zwischen mir und
Raupassant verglichen — sind vornehmlich so entstanden: Er zieht
für die Gräfin und ich 2
Cäcilie ist doch alles in schönster Ordnung“ schreit er in die Welt
aus den Wahrheiten, die gerade in Umlauf gesetzt werden, die Kon¬
dann wären wir wahr ge
hinaus. „Sag doch den Leuten bitte, daß wir uns nicht scheiden
sequenz und beweist ihre Halbheit. Halbheiten aber haben immer
sehr nach Konstruktion.
lassen, daß wir uns aber auch nicht betrügen, wie in diesen Wischen
eiwas Tragikomisches.
Leben darstellen sollen,
zu lesen steht. Mach ihnen doch klar, daß von einem Betrug keine
Zwischen unseren Worten, die sich um die vermeintliche Wahr¬
brechen müssen, dann hät
Rede sein kann, wo es keine Lügo gibt.“ Der Aermste, innerlich
heit bemühen, spielt sich das eigentliche Leben der Seele ab, ihre
zittert bei dem Gedanken, daß Cäcilie ihm in ihren täglich acht Seiten jetzt eine seinen Personen
Liebe, ihr Haß und ihr Stolz, Regungen, welche die Musik besser zu
langen Briefen etwas verschwiegen haben könnte. Er selbst hatte wäre ein Spiel geworden
bannen weiß als die Sprache. Der geniale Musiter Amadäus
ja die Freiheit ausgenutzt, für sie steht er auf dem Standpunkt Leon= die Flauheit des Salons
Adams, der plötzlich entdeckt, daß in seinem Capriccio sich ein Schmerz
hards: „Darüber kann kein Mann hinweg.“ Das ist die Lüge, das ist Tragik vermieden wird be
verbirgt, und der als Künstler dieses Zwischenspiel der Musik daher
mehr, ist die Posse im Drama. Cäcilie war in der Tat aufrichtig, ist, wie Schnitzler selbst
mit dem widerspruchsvollen Namen Capriccio doloroso bezeichnet,
hat eigentlich alle Anlage dazu als Mensch nicht dem blauen Dunst ja aufrichtiger als er, sie hat die Freiheit nicht mißbraucht, denn sie daß die Menschen an Zu##
Dichter soll ihnen darin
der Selbstverherrlichung zu verfallen. Und Frau Cäcilie Adams=liebt Amadäus auf echte Frauenart, ganz. Aber sie hat von der
Halbheiten begehen ist zu
Freiheit gekostet. Auch in ihr ist jetzt etwas neues erwacht: die Lust
Ortenburg, die erfolgreiche Sängerin sagt ziemlich im Anfang des
Reihe prächtige Aussprüch
Stückes zu ihrem Mann: „Glaubst Du nicht, Amadäus, daß manche zu leben. Sie will ihre Arme ausbreiten und in der Zukunft steht
kann es am wenigsten un
Dinge geradezu anders werden dadurch, daß man versucht sie auszus sie für nichts.
Die feine Analyse eines
Während Amadäus zur alten guten Moral reumütig zurück¬
sprechen.“
in der Figur des Amadä
Trotzdem werden sie beide von dem Zwischenspiel ihrer Seele kehrt, ja sogar den Fürsten Sigismund fordern läßt, nur auf einen
Rhon, der Freund und D
Verdacht hin, gibt Cäcilie ihre Freiheit, die sie mit Schmerzen emp¬
fortwährend genarrt. Amadäus liebt seine Frau, nur möchte er
sing, nicht wieder her. Sie nimmt einen Ruf nach Berlin an. Sie seur der französischen Ko
sich als Künstler eine gewisse Bewegungsfreiheit bewahren. Er ist
Drama. Ohne ihn könnte
hat inzwischen den Mann als Geliebten kennen gekernt, sie hat den
nicht unempfindlich für die Schönheiten und Schmeicheleien seiner
Verlockungen des Lebens ins Auge geschaut und will ihnen jetzt nicht mißverstehen. Er begleite
Schülerinnen und er findet den schönen „Namen“ dafür, daß es
der Sänger an der Hobell
mehr aus dem Wege gehen. Eine Nacht im Hause ihres Gatten hat
das Leben ist, das ihn zu neuen künstlerischen Entdeckungen hinlockt.
Diesem Lockruf folgen zu können, der einzig und allein in seiners sie gelehrt, was Amadäus als Mann schon längst gewußt, daß auch
Ueber Heurik Ibsen
männlichen Schwäche wurzelt, macht er sich seine eigne Philosophie] Ehegatten verführerisch sein können wie verbotene Liebe. Der Dich¬
der Wahrheit zwischen Ehegatten zurecht. Der Hauptreiz seinerter Albertus hatte das schon im ersten Akt gesagt: „Den, der zu Nachrichten weniger
Abenteuer liegt für ihn in der Tatsaches nes Verheiratetseins. Dochserleben weiß, erwarten alle Abenteuer, nach denen ihm gelüstet, im Gang“ sagt, der Zustan