20. Zuischensniel
box 25/3
rin Der Erfolg eines Stückes
das sich zwischen wenigen Personen abspielt, das
eigentlich nur ein geistvolles Zwiegespräch zwischen
Mann und Frau bildet, ist jedoch auf einer Provinz
bühne viel höher zu bewerten, als der Erfolg auf einer
hauptstädtischen Bühne, die mit ganz anderen Mit¬
teln arbeitet, wochenlange Vorbereitungen der Novi¬
tät widmet, hervorragende Künstler ins Vordertref¬
fen stellt und den äußeren Rahmen glänzend aus¬
stattet. Es läßt sich nicht wegleugnen, daß Schnitzlers
Komödie vielseitig an Ibsen gemahnt. Sie beschäf¬
tigt wenige Personen, hat wenig Handlung, und die
drei Akte bewegen sich hauptsächlich im Wechsel¬
gespräche zwischen einem Künstlerehepaare, das aus den
Fesseln der spießbürgerlichen Ehe zu einer freieren
Auffassung derselben hinausstrebt. Gleich Ibsen ver¬
legt Schnitzler die Handlung vor das Stück und läßt
wobei er im Gegensatze zu dem nordischen Rätsel¬
spinner Monologe nicht vermeidet, die Vorgänge
sich allmählich aufwickeln. In mancher Beziehung
kann jedoch die Komödie auch als Lehrstück bezeich¬
net werden. Sie drängt dem Zuhörer die Überzeu¬
gung auf, daß die historische Bedingtheit der Sitten¬
gesetze nicht ungestraft über den Haufen geworfen.
der edle Instinkt im Menschen nicht folgenlos unter¬
drückt werden könne, der Mensch nicht nur äußerlich,
sondern auch innerlich rein sein müsse. Der Gatte hat
sich an eine Kokette weggeworfen, die Gattin hat eine
Gedankenschuld auf sich geladen und beide dadurch
trotzdem sie scheinbar im gegenseitigen freundschaft¬
lichen Einverständnisse handeln — eine Scheidewand
zwischen sich aufgerichtet, die selbst die wiederer¬
wachende Gattenliebe nicht mehr überbrücken kann.
Um der wahren, sittlichen Läuterung entgegenzu¬
gehen, müssen sie sich trennen; es bleibt ihnen beiden
ein Trost, eine Hoffnung: die Kunst. — Das Stück
birgt die feinsten Einzelheiten und spricht die Sprache
der Gebildeten, verlangt daher das innige Verständ¬
nis eines verständigen, aufmerksamen Publikums,
1 das auf die Absichten des Dichters eingeht, und über
das Gehörte nachzudenken versteht. Die Aufnahme, die
die Komödie hier gefunden, bewies, daß sie vollem
Verständnis bebegnete. Das Künstlerehepaar wurde
durch Herrn Kammauf und Fräulein Osten
dargestellt, vielmehr gesprochen. Derartige Rollen, die
dem Künstler mehr oder minder die Bewegungsfrei¬
heit rauben, da er auf den allerdings geistvollen Mo¬
nolog und Dialog im modernen Gewande in beengte
Grenzen gebannt ist, gehören zu den schwersten Auf¬
gaben der Schauspielkunst. Herr Kammauf be¬
wies seine schöne Begabung und schauspielerische In¬
telligenz, die in der Sphäre des Schwankes und der
Operette glücklicherweise noch nicht untergegangen
ist. Er fand den richtigen, natürlichen und in der
Schlußauseinandersetzung auch warmen, zu Gemüte
gehenden Ton des Künstlers und gebildeten Welt¬
mannes. Fräulein Osten hatte sich mit Eifer und
Verständnis in die Rolle der vornehnien Künstlerin
hineingelebt und führte sie auch anerkennenswert
durch. Leider widerstreht das spröde, nicht modula¬
tionssähige Organ tieferer Wirkung. Gewisse schablo=C
nenhaft steife Bewegungen können bei ernst¬
lichem Wollen abgestreift werden. Die Schwie=f
rigkeiten, bei Dialogen von oft halbstündiger Dauersg
in natürlicher Stellung oder ungezwungener Haltungsd
zu verharren, sind nicht zu verkennen. Das Auskunfts=]C
mittel gegen die drohende Monotonie jedoch, ein
fortwährendes Wechseln der Sitzplätze oder Auf= und
Abgehen anzuwenden, wobei gegen jede gesellschaft¬
liche Regel beim Sprechen der Dame der Rücken ge¬
kehrt wird, erscheint nicht nur unnatürlich, sondern
auch unkünstlerisch. Den humorvoll angehauchten
dichterischen Hausfreund des Künstlers gab Herr
Kühne, obwohl mit unglücklicher Maske, einfach
und ansprechend. Herr Lischka brachte den in die
Künstlerin verliebten Fürsten zu guter Wirkung. Inl
kleineren Rollen machten sich Frau Stein und die
kleine Lola verdient.
Pe
box 25/3
rin Der Erfolg eines Stückes
das sich zwischen wenigen Personen abspielt, das
eigentlich nur ein geistvolles Zwiegespräch zwischen
Mann und Frau bildet, ist jedoch auf einer Provinz
bühne viel höher zu bewerten, als der Erfolg auf einer
hauptstädtischen Bühne, die mit ganz anderen Mit¬
teln arbeitet, wochenlange Vorbereitungen der Novi¬
tät widmet, hervorragende Künstler ins Vordertref¬
fen stellt und den äußeren Rahmen glänzend aus¬
stattet. Es läßt sich nicht wegleugnen, daß Schnitzlers
Komödie vielseitig an Ibsen gemahnt. Sie beschäf¬
tigt wenige Personen, hat wenig Handlung, und die
drei Akte bewegen sich hauptsächlich im Wechsel¬
gespräche zwischen einem Künstlerehepaare, das aus den
Fesseln der spießbürgerlichen Ehe zu einer freieren
Auffassung derselben hinausstrebt. Gleich Ibsen ver¬
legt Schnitzler die Handlung vor das Stück und läßt
wobei er im Gegensatze zu dem nordischen Rätsel¬
spinner Monologe nicht vermeidet, die Vorgänge
sich allmählich aufwickeln. In mancher Beziehung
kann jedoch die Komödie auch als Lehrstück bezeich¬
net werden. Sie drängt dem Zuhörer die Überzeu¬
gung auf, daß die historische Bedingtheit der Sitten¬
gesetze nicht ungestraft über den Haufen geworfen.
der edle Instinkt im Menschen nicht folgenlos unter¬
drückt werden könne, der Mensch nicht nur äußerlich,
sondern auch innerlich rein sein müsse. Der Gatte hat
sich an eine Kokette weggeworfen, die Gattin hat eine
Gedankenschuld auf sich geladen und beide dadurch
trotzdem sie scheinbar im gegenseitigen freundschaft¬
lichen Einverständnisse handeln — eine Scheidewand
zwischen sich aufgerichtet, die selbst die wiederer¬
wachende Gattenliebe nicht mehr überbrücken kann.
Um der wahren, sittlichen Läuterung entgegenzu¬
gehen, müssen sie sich trennen; es bleibt ihnen beiden
ein Trost, eine Hoffnung: die Kunst. — Das Stück
birgt die feinsten Einzelheiten und spricht die Sprache
der Gebildeten, verlangt daher das innige Verständ¬
nis eines verständigen, aufmerksamen Publikums,
1 das auf die Absichten des Dichters eingeht, und über
das Gehörte nachzudenken versteht. Die Aufnahme, die
die Komödie hier gefunden, bewies, daß sie vollem
Verständnis bebegnete. Das Künstlerehepaar wurde
durch Herrn Kammauf und Fräulein Osten
dargestellt, vielmehr gesprochen. Derartige Rollen, die
dem Künstler mehr oder minder die Bewegungsfrei¬
heit rauben, da er auf den allerdings geistvollen Mo¬
nolog und Dialog im modernen Gewande in beengte
Grenzen gebannt ist, gehören zu den schwersten Auf¬
gaben der Schauspielkunst. Herr Kammauf be¬
wies seine schöne Begabung und schauspielerische In¬
telligenz, die in der Sphäre des Schwankes und der
Operette glücklicherweise noch nicht untergegangen
ist. Er fand den richtigen, natürlichen und in der
Schlußauseinandersetzung auch warmen, zu Gemüte
gehenden Ton des Künstlers und gebildeten Welt¬
mannes. Fräulein Osten hatte sich mit Eifer und
Verständnis in die Rolle der vornehnien Künstlerin
hineingelebt und führte sie auch anerkennenswert
durch. Leider widerstreht das spröde, nicht modula¬
tionssähige Organ tieferer Wirkung. Gewisse schablo=C
nenhaft steife Bewegungen können bei ernst¬
lichem Wollen abgestreift werden. Die Schwie=f
rigkeiten, bei Dialogen von oft halbstündiger Dauersg
in natürlicher Stellung oder ungezwungener Haltungsd
zu verharren, sind nicht zu verkennen. Das Auskunfts=]C
mittel gegen die drohende Monotonie jedoch, ein
fortwährendes Wechseln der Sitzplätze oder Auf= und
Abgehen anzuwenden, wobei gegen jede gesellschaft¬
liche Regel beim Sprechen der Dame der Rücken ge¬
kehrt wird, erscheint nicht nur unnatürlich, sondern
auch unkünstlerisch. Den humorvoll angehauchten
dichterischen Hausfreund des Künstlers gab Herr
Kühne, obwohl mit unglücklicher Maske, einfach
und ansprechend. Herr Lischka brachte den in die
Künstlerin verliebten Fürsten zu guter Wirkung. Inl
kleineren Rollen machten sich Frau Stein und die
kleine Lola verdient.
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